Samstag, 22. Juni 2013

Der Sterne Tennisbälle (gelesen von Joachim Kerzel)

Ned Maddstone ist ein netter Typ. Er ist eine Sportskanone, er sieht gut aus, er hat eine tolle Freundin und guten Sex – für einen Sechzehnjährigen führt er das perfekte Leben. Kein Wunder, dass die Jungen in der Privatschule den Politikersohn nicht wirklich leiden können. Also beschließen sie, ihm eins reinzuwürgen. Ein paar Joints in der Jackentasche, ein Anruf bei der Polizei – und fertig ist der kleine Skandal. Nur dass Ned durch ein Missverständnis in eine IRA-Intrige gerät und von einem Polizisten in die Psychiatrie entsorgt wird. Dort verbringt er mehr als zehn Jahre und freundet sich mit dem Insassen Babe an. Als dieser stirbt, wagt Ned die Flucht, um endlich Rache zu nehmen …

Kommt euch die Geschichte bekannt vor? Natürlich tut sie das. Denn Stephen Fry legt hier eine Neuauflage des „Graf von Monte Christo“ von Dumas vor, angesiedelt im England der IRA-Angst der Achtziger Jahre und der DotCom-Blase der Jahrtausendwende. Auch wenn man also weiß, wie das Buch ausgehen wird, ist es dennoch faszinierend, Ned auf dem Weg zu begleiten. Das liegt natürlich vor allem an Frys Lust am Erzählen und Einfällen, die die alte Geschichte erneut anreichern und, wie ich zumindest finde, auch neue Aspekte einbringen. Ned ist, im Vergleich zu Edmond Dantes, noch perfider in seinen Racheplänen, noch gnadenloser in ihrer Ausführung und noch einsamer als jemals zuvor. Die Willkürlichkeit, mit der sich ein mehr oder minder harmlosere Jungenstreich zur Katastrophe auswächst, ist dem Titel des Buchs angemessen – da steht nicht mehr der heroische Graaf von Monte Christo im Vordergrund, sondern letztlich sind sie alle Tennisbälle eines unbekannten Schicksals.
Wie ist es jetzt als Hörbuch umgesetzt? Die meiste Zeit über sehr gut. Joachim Kerzel liest gut (wenn man sich auch daran gewöhnen muss, dass einem hier Jack Nicholson etwas erzählt) und schafft es, grade im zweiten Teil einen sehr gelassenen Ton durchzuhalten, der die Racheserie Neds fast noch grausamer wirken lässt. Allerdings hätte ich mir hier und da ein wenig mehr unterschiedliche Stimmlagen gewünscht, gelegentlich bin ich ein wenig abgeschweift beim Hören. Alles in allem lohnt sich dieses Hörbuch sowohl wegen der Geschichte als auch der Sprecherleistung – und nein, ich sage das nicht, weil als Autor ausgerechnet Stephen Fry fungiert ;-)

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