Mittwoch, 22. Januar 2014

[Rezension] Amy Tan - Töchter des Himmels

"The Joy Luck Club", so nannte Suyuan Woo die regelmäßigen Treffen mit ihren drei Freundinnen. Die vier Frauen waren nach dem Zweiten Weltkrieg aus China in die USA ausgewandert, hatten dort Familien gegründet und sich jede Woche zum Mah Jong getroffen. Als Suyuan stirbt, ist es an ihrer Tochter Jing-Mei, genannt June, die Mutter zu vertreten. Bei diesem Abend treffen zwei Generationen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Da sind auf der einen Seite die Mütter, aufgewachsen im kaiserlichen China, geflohen vor dem kommunistischen China, verhaftet in den Traditionen und Wertvorstellungen ihrer Heimat. Und da sind die Töchter, vier verschiedene Frauen, die alles eins gemeinsam haben: sie denken, fühlen und handeln so amerikanisch wie es sich ihre Mütter nie hätten vorstellen können. Waverly, die von ihrer Mutter nach der Wohnadresse benannt wurde um die Ankunft der Familie in den USA deutlich zu machen, wurde in ihrer Kindheit zum Schachgenie gefördert - und steht heute vor der Herausforderung, ihren amerikanischen Freund der Familie präsentieren zu müssen, der mit all seinen Einstellungen gegen ungeschriebene chinesische Gesetze verstößt. Lenas Ehe ist gescheitert, aber das ihrer Mutter mitteilen, könnte sie nie. Rose leidet noch immer unter dem traumatischen Tod ihres Bruders und weigert sich, Verantwortung zu übernehmen. Jing-Mei will den Wunsch ihrer Mutter erfüllen, ihre verlorenen Zwillingsschwestern in China aufzuspüren. Und obwohl sie es nicht ahnen, machen ihre Mütter sich ihre ganz eigenen Gedanken und haben ihre ganz eigenen Geschichten in China gelassen, die sie zu den Frauen machten, die sie heute sind.

"Töchter des Himmels" ist kein Roman, wie man ihn sich jetzt vielleicht vorstellen könnte. Die Rahmenhandlung muss man sich selbst erschließen, denn eigentlich handelt es sich um Kurzgeschichten, deren Protagonistinnen acht verschiedene Frauen sind und die ihre Geschichten erzählen. Verbunden werden sie durch eine Viereranordnung, jeweils vier Geschichten bilden ein thematisch verbundenes Paket, das mit einer einseitigen Reflektion eingeleitet wird. Diese stammt vermutlich von Suyuan, die in den Geschichten selbst nicht zu Wort kommt. Sie hat in etwa die Funktion von Mary Alice in "Desperate Housewives", sie bildet das zusammenhängende Band zwischen diesen Einzelepisoden.

Amy Tan schafft es, ihren Figuren sehr eigenständige Sichtweisen mitzugeben, man hat nicht das Gefühl, dass sich etwas widerholt, auch wenn sich Aussagen und Situationen manchmal ähneln. Es ist ein faszinierendes Mosaik, in dem zwei verschiedene Welten verwoben werden und gezeigt wird, wie sehr Vergangenheit prägt und zum Teil ihre Spuren noch in andere Generationen trägt. Darüber hinaus ist es eine Geschichte von sehr starken Müttern und Töchtern, die versuchen, ihr Leben zu führen, das nicht den Erwartungen anderer an sie entspricht. Egal, ob sie in den USA geboren wurden oder in China, beide Generationen werden mit der Herausforderung konfrontiert, sich mit den althergebrachten Traditionen auseinanderzusetzen und ihren eigenen Weg und ihren eigenen Umgang mit ihnen zu finden. Diese Auseinandersetzungen sind spannend, auch wenn das Buch - zumindest auf deutsch - sprachlich nicht immer hundertprozentig überzeugt. Ich finde die Erzählpassagen zum Teil sehr altklug formuliert, die wörtlichen Reden nicht immer glaubwürdig. Und dennoch funktioniert das Buch, weil es mich als Leser fesselt. Sei es durch die fernen chinesischen Traditionen, die so unglaublich scheinen, oder durch die modernen Probleme, die sich in jeder Familie finden, ich folge den acht Frauen gerne in ihre jeweiligen Lebensumstände hinein und freue mich an Querverweisen und Überschneidungen. Dieses Buch wird weiterhin in meinem Regal stehen und sich freuen, dort zu Besuch zu sein, das kann ich schon einmal garantieren. :-)

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