Sonntag, 12. Juli 2015

[Buchgedanken] Dorothy Parker - New Yorker Geschichten

New York, das ist die Stadt, die niemals schläft, in der die Träume genauso erfüllt wie zerstört werden können. Es ist ein Mikrokosmos, in dem Männer und Frauen zusammenleben und das beste daraus machen wollen. Es ist eine Gesellschaft, in der klare Regeln herrschen, an denen der Einzelne scheitert und zerbricht. Und das ist nicht nur heute so - das ist auch schon Anfang der Dreißiger der Fall. Und niemand schafft es, dieses Gefühl zu einzufangen wie die Schriftstellerin Dorothy Parker.

Parker war selbst gemessen an den wilden Zwanzigern eine Skandalnudel. Das liegt vor allem daran, dass sie sich sehr früh für Frauenrechte einsetzte und ihre Werke immer auch das Missverhältnis anprangern zwischen Männern, deren Verhalten in Beziehungen toleriert und gebilligt wird, während Frauen bereits als problematisch gelten, wenn sie nicht jeden Abend mit einem Lächeln am Esstisch erscheinen. Hat sich da jemals etwas dran geändert?

"Eine starke Blondine", die erste Geschichte in dieser Sammlung, ist nicht zu unrecht mit dem O'Henry-Preis ausgezeichnet worden - die deprimierende Niederlage einer Frau, die nicht nur an sich, sondern an ihrer Umgebung scheitert, weil sie keine Erwartungen erfüllen kann. Und dieses Scheitern erzählt Parker so klar, so bissig und so in nur angedeuteten Details, dass man die Figuren direkt vor Augen hat. Keiner der Protagonisten im Buch ist tatsächlich auserzählt, es sind Momentaufnahmen, häufig nur Dialoge, bei denen der Leser zwischen den Zeilen das eigentliche Drama aufspüren muss. Parker hat eine sehr klare und kraftvolle Sprache, die geradlinig und mitleidslos wirkt - in Wirklichkeit ist es die einzige Möglichkeit, um ihr Anliegen verständlich zu machen. Manche Geschichte tut weh, vor allem die, in denen die Oberflächlichkeit der Upper Class so deutlich zu Tage tritt. Ein Butler hat zu schweigen, eine Wäscherin froh zu sein, dass man sie wieder beschäftigt nach einem Krankheitsausfall. Ein Kind hat still zu sein und die Adoptiveltern voll Dankbarkeit zu bewundern. Und wenn das nicht passiert? Genau das sind Ausgangssituationen in anderen Geschichten von Parker, die hier ebenfalls versammelt sind.

Ich liebe das Buch, habe ich jetzt beschlossen. Und es war so großartig, mich nach New York zu lesen, bevor ich im August auch tatsächlich dort bin. Und dann mit Sicherheit auch mal einen Gedenkhalt einlege an all die Leute in New York. Wisst ihr, was mir grade einfällt dazu? Letztlich sind Parkers Geschichten nichts anderes als kunstvoller Vorgriff des Blogprojekts "Humans of New York", dem ich seit Jahren folge. Was für eine Verbindung ;-)

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