Sonntag, 29. April 2012

Reginald Hill - Das Fremdenhaus

Samantha Flood, eine junge Australierin, reist auf den Spuren ihrer Großmutter zurück nach England. In den Sechziger Jahren war diese nämlich als Waise in ein australisches Kinderheim verschickt worden, starb aber bald darauf und hinterließ nur den Namen des Dorfes Illthwaite. Auch Miguel Madero, ein spanischer Ex-Priester, ist auf der Suche nach seinen Vorfahren, denn im 16.Jahrhundert verschwand sein Urahn auf der spanischen Armada. Aber angeblich war er zuvor in Illthwaite gesehen worden. Die Wege der beiden Suchendne kreuzen sich nun immer wieder und plötzlich scheint es, als gäbe es noch deutlich mehr Gemeinsamkeitne zwischen den beiden: denn das idyllische kleine Dörfchen scheint ein Geheimnis zu bergen, das lieber nicht an die Öffentlichkeit geraten soll...

Gott, was war das denn? Der Klappentext klang wirklich superspannend, aber ich habe selten so viel Mühe gehabt, in ein Buch reinzukommen. Noch auf der letzten Seite habe ich mich gefragt, wann diese Abziehbilder endlich mal zu tatsächlichen, realistisch agierenden Personen werden (und nein, damit meine ich nicht in erster Linie Miguel-"ich sehe tote Menschen"-Madero), ob diese lauwarme Story doch noch einmal Feuer fängt, ob das Buch auch nur in irgendeiner Weise eventuell mir auch ein wenig historische Zusammenhänge erklärt. Ehrlich, mein Vorteil war, dass ich das Buch im Irland-Urlaub gelesen habe und deshalb in den irischen Museen erfahren habe, was genau unter Heinrich VIII. und den Katholiken in England abging. Die Verschickung englischer Heimkinder an andere Teile deas Reichs habe ich noch nie zuvor gehört und da wäre es interessant gewesen, ein wenig über die Hintergründe zu erfahren, vor denen das alles ablief. Soviel zur historischen Eben des Buches - was mich am Fall gestört hat, lässt sich schwerer in Worte fassen.

Ich fand es einfach unglaublich bemüht konstruiert. da wurde um jeden Preis versucht, eine metaphysische Ebene mit ins Buch einzubringen, aber das Ganze so oberflächlich und an den Haaren herbeigezogen, dass es mir beim Lesen einfach zuviel geworden ist. Ebenso diese aufgesetzten "Religion vs- Vatio"-Diskussionen zwischen Sam und Miguel, das ganze war so papiern-theoretisch, dass ich gedanklich immer nur "blablabla" gelesen habe. Der Fall, also das Dorfgeheimnis, geriet dabei immer mehr in den hintergrund und wurde dann mal so nebenbei irgendwie aufgelöst ohne dass ich wirklich hätte eine logische und nachvollziehbare Erklärung bekommen hätte.

Insgesamt alsoe in ziemlich schwaches Buch, was schade ist, denn die Idee wäre nicht schlecht.

Montag, 16. April 2012

Cody McFadyen - Der Menschenmacher

Ich hatte es ja eignetlich gar nicht anders gewollt. Nach meinen gradezu abstoßend enttäuschenden Erfahrungen mit zwei anderen McFadyen-Büchern habe ich mich tatsächlich an ein drittes gewagt. Anfangs dachte ich noch "Cool, ein Buch ohne die doofe "ich bin entstellt aber so unglaublich klug und sexy"-Smoky, das könnte was werden!"

Wird es nicht.

Waren die Smoky-Barrett-Bücher schon mit ihrem Hang zur Selbstjustiz ein Grauen für mich, wird dieses Prinzip in "Der Menschenmacher" auf die Spitze getrieben. Hauptfigur ist David. david ist ein erfolgreicher Autor, der natürlich unverschämt gut aussieht und alle Trauma seiner Kindheit überwunden hat (kommt uns das nicht bekannt vor?). Denn gemeinsam mit seinem unverschämt gut aussehenden Adoptivbruder und seiner total sexy und intelligenten Adoptivschwester hatte David lange Jahre die Hölle auf erden durchgemacht, als sie von ihrem Adoptivvater durch psychische und physische Folter zu Übermenschen im Nietzschen Sinne erzogen werden sollten. Mit 16 Jahren bringen David und die anderen beiden den Vater um - doch jetzt scheint seine Macht wieder zurückzukehren. Sie erhalten ein Video, in dem ihnen erklärt wird, das Leben einer entführten frau nur retten zu können, wenn sie dafür einen anderen ermorden.
Na, das klingt doch erstmal nach einem interessanten Plot. Dass man den so gründlich versemmeln kann, dafür meine Hochachtung, Mr McFadyen. Denn was ich bislang noch nicht erwähnt habe: das ganze Buch ist einfach nur eine sehr langatmige und bis ans geht-nicht-mehr-absurde "aber das muss man doch mal sagen dürfen, dass denen der Schwanz abgeschnitten gehört"-Selbstjustiz-Beweihräucherung, wie sie schon in den Vorgängern anklingt. Denn David und sein Bruder, die vordergründig eine Initiatve für missbrauchte Kinder leiten, sind in Wahrheit ein Kommando von Selbstjustiz-Fanatikern, die Kinderschänder umbringen. und das Ganze wird dann so detailreich beschrieben, dass man sich in erster Linie fragt, welche Probleme der Autor verarbeiten möchte. Ob er einfach nur gerne Stammtischparolen von sich geben will oder tatsächlich der Meinung ist, dass es gerechte Morde gibt. Mit wem genau soll ich mich im Buch identifizieren? mit den guten doer den bösen Killern? Denn eigentlich sind ja auch die angeblich bösen Killer nichts anderes als die ungeahnten Brüder der guten Killer, aber das scheint McFadyen in seinem Blutrausch vergessen zu haben. Macht nichts, denn im Blutrausch vergisst er sowieso alles mögliche. Spannungsaufbau, zum Beispiel. Oder auch Figurenzeichnung. Oder auch einfach mal das Erschaffen von Figuren, die nicht wie aus dem Model-Katalog entstiegen sind und zur "!ich wupp das doch voll, ey"-Fraktion gehören.

Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Niemals. Im Notfall, weil niemand so furchterregend schlechte Bücher schreibt wie Mr. McFadyen.

Sonntag, 15. April 2012

Astrid Seehaus - Tod im Eichsfeld

Während eines hefitgen Sommersturms wird Georg Stahlmann auf seinem Hof in Böckelsdorf mit einer Mistgabel erstochen. Der Großbauer, der erst 1991 wieder zurück in sein Heimatdorf in der ehemaligen DDR gekommen war, hatte im Dorf eine ganze Latte an potentiellen Mördern, und der frisch von Erfurt nach Heiligenstadt versetzte Kommissar Rothe steht vor der Sysiphosaufgabe, aus dieser Liste an Verdächtigen den wahren Täter zu finden...

Ich habe das Buch kostenlos von bloggdeinbuch erhalten und ich muss wirklich sagen, dass das gut so ist. Denn, das zu Anfang, 12,00 Euro für grade mal 200 Seiten Text? Auch wenn der Sutton-Verlag, in dem das Buch erschienen ist, ein kleiner Verlag ist, der auch von etwas leben muss, das hat mich dann doch abgeschreckt. Aber der Preis ist nicht das, was mich bei dem Buch etwas unbefriedigt zurücklässt, sondern da gibt es andere Gründe.

Beginnen wir mit dem Positiven. Das Buch ist ein Lokalkrimi im besten Sinne. Es ist angesiedelt in einer bestimmten Region Deutschlands und die Geschichte der Region ist verwebt mit dem Fall. Das ist schön und erinnert ein bisschen an den guten alten "Tatort". Aber, und da stehe ich schon auf Seite 2 vor dem esten Problem, das mir das Buch bereitet, diese Verwebung ist so unglaublich platt und vordergründig. Das Vorwort macht mir nicht wirklich Lust aufs Weiterlesen, sondern da wird zum einen lang und ausführlich erklärt, was sich wo befindet und es endet mit einem moralischen Zeigefinger. Ehrlich, ich habe beim Lesen alles andere als begeistert geschaut am Ende dieses Vorworts, aber ich wollte ja endlich zum Fall gelangen.

Nun zunächst werden mal die Figuren eingeführt, allen voran Kommissar Rothe und seine im Rollstuhl sitzende Tochter. Beide Figuren sind nett, aber mir fehlt ein bisschen der Dreh an ihnen. Sie wirken - und das haben sie mit dem gesamten Personal des Buchs gemeinsam - ein bisschen weniger wie "Tatort" als vielmehr wie die Besetzung einer ZDF-Krimiserie wie "Derrick" oder "Siska". Irgendwie so gedigen altmodisch außerhalb der Zeit stehend. Ich bekomme als Leser keinen wirklichen Bezug zu ihnen, aber gut, eignetlich will ich mich ja auch nur unterhalten lassen, wer braucht da große Charakterisierung. Der Kriminalfall beginnt erst sehr viel später, bis dahin haben wir zwar das Dorf schonmal kennengelernt, aber wirklich passiert ist nichts. Erst mit dem Mord an Stahlmann nimmt die Geschichte Fahrt auf, denn man will doch endlich wissen, was die Andeutungen, die die Autorin die ganze Zeit fallen lässt, bedeuten sollen. Dummerweise gelingt ihr das nur so halb. Der Fall plätschert so vor sich hin, man bekommt etwas erzählt, aber am Ende löst Rothe den Fall im Alleingang und der Leser fragt sich nur "Häh? Wie kommt er denn jetzt auf die Lösung?" Ähnlich wie bei anderen klasssichen "Who-done-it"-Krimis gibt es dann am Ende zwar die große Ansprache des Ermittlers, in der er die Lösung des Falls vorträgt, aber irgendwie hinterlässt es bei mir halt doch eher den Eindruck, eine alte "Derrick"-Folge zu sehen, in der ich die ganze Zeit nur Zuschauer bin.

Zuschauer bin ich als Leser im wahrsten Sinne des Wortes, denn Astrid Seehaus ist eine Meisterin des Beschreibens. Da werden Gefühle beschrieben und Situationen, aber bei allen bleibe ich als Leser doch etwas distanziert. Vielleicht erwarte ich als Krimi-Leser zuviel, es ist hatl wirklich alles so gediegen und ja, auch ein wenig (ein ganz klein wenig) altbacken. Das ist ja an und für sich nichts Schlimmes, aber für ein Buch, das den Thüringischen krimipreis gewonnen hat, für mich ein wenig zu dürftig.

Was ist jetzt mein Fazit? Das Buch ist solide Kost. Es liest sich gut und unterhält. Aber es ist kein "Oh mein Gott, das MUSST du gelesen haben, warum habe ich diese Autorin nicht schon früher entdeckt?"-Buch. Alles in allem halt einfach wie Derrick: nett für mal zwischendurch.

Und als Information für alle, die es trotzdem damit versuchen wollen: "Tod im Eichsfeld" von Astrid Seehaus, direkt beim Verlag erhältlich. Dieses Buch wurde mir kostenlos zur Verfügung gestellt, ich habe es gelesen und die Rezension spiegelt meine persönliche Leseempfehlung wider.

Christopher Marzi - Lyra

Danny Darcy, Sänger udn Songwriter der grade aufstrebenden Band "Dylan's Dogs" ist am Boden: Sunny hat ihn verlassen. Sunny, seine Frau, die Liebe seines Lebens, die ihm gerade erst eröffnet hat, schwanger zu sein, ist der felsenfesten Meinung, ihn mit einer anderen gesehen zu haben. Aber Donny weiß, dass das nicht wahr ist, sondern eine gut eingefädelte Taktik seiner Mutter. Die ist eine Sherezade, eine Person, die erfundene Geschichten als Realität erscheinen lassen kann, und die alles daransetzt, die Beziehung zu zerstören. Er hat nur eine Chance, die Lüge wieder aus Sunnys Gedächtnis zu tilgen, aber dafür muss er mit ihr nach New Orleans und sich in den Bayous auf die Suche nach dem "Maison Rouge" machen, einem Ort, von dem niemand weiß, wo man ihn findet ...

Oh Mann, klang die Inhaltsangabe gut. So richtig cool nach guter neuer deutscher Phantasy (auf die ich ja seit Markus Heotz wirklich stehe). Und aus dem Grundgedanken der Sherezaden und der Kombination mit griechiscehr Mythologie kann man auch so einiges machen, wenn man sich geschickt anstellt. Aber irgendwie ... gepackt hat mich das Buch dann doch nicht. Das mag zum einen an der ziemlich blutleeren Figurenzeichnung liegen, die es mir nicht erlaubt, diesem Pärchen wirklich Gefühle entgegenzubringen. Sie sind so ... perfekt. So unendlich in ihrer Liebe. So ohne jeden wirklichen Charakter. So glatt und unüberraschend. Ähnliches ist in der Geschichte, die erzählt wird. Sie ist so schnell, so hektisch, zum Teil auch einfach aneinandergereiht, ohen dass ich wirklich verstehe, was jetzt genau los ist. Sie ist spannend, aber diese Spannung greift einfach nicht über, ich habe weitergelesen ohen wirkliche emotionale Beteiligung. Und das ist schade, weil ich einfach auf viel mehr gehofft hatte.

Stephen King - Die Arena

Chester's Mill ist eine kleine amerikansiche Durchschnittsstadt in Maine, unmittelbar neben Castle Rock im County Derry gelegen. Spätestens nach dieser Information ist für den geneigen Stephen-King-Leser klar, dass Chester's Mill mehr als nur geeignet ist, Horro zu erleben. In diesem Fall ist es ein gewöhnlicher Tag, der in Chester's Mill beginnt und sich innerhlab kurzer Zeit zum Alptraum wandelt. Denn von einer Sekunde auf die andere ist der Ort von einer unsichtbaren Kuppel eingeschlossen. Ein Fluzeug zerschellt an ihr, wer im Weg steht (und sei es ein hilfloses Murmeltier!) wird erbarmungslos geteilt und für die eingeschlossenen Bewohner beginnt ein Alptraum, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint. Es sei denn, der ehemalige Soldat Dale "Barbie" Barbara, der sein Leben als Koch im Stadtimbiss grade hinter sich lassen wurde, findet eine Lösung.

Uff, Mr.King, da haben sie sich viel vorgenommen. Erstens einen Horrorroman zu schreiben, der trotz der völlig irrealen Ausgangssituation in jedem Moment realistisch wirkt. Und zweitens einen Roman, in dem all die kleinen Geheimnisse, die den Alltag einer Kleinstadt prägen, ein Eigneleben entwickeln, das den Horro noch mehr voranträgt. Und ich muss sagen: es ist durchaus gelungen. Das erste, was mir sehr gefallen hat, ist die Figurenzeichnung. Obwohl sie ziemlich platt wirkt am Anfang (wir haben da "den Soldaten", "die graue Eminenz", "den Teenager", "den Irren", "den Stadtalkoholiker", um nur einige zu nennen), sind die Figuren trotz allem keine Abziehbilder, sondern entwickeln eine gute Eigendynamik und sind durchaus realistisch gehalten. Die Kuppel schafft eine Art Mikrokosmos der amerikanischen Gesellschaft nach dem 11.September (und wohl allein dadurch löst der Flugzeugsrash am Anfang ganz bestimmte Bilder im Leser aus), die erkennt, dass alles, worauf man bisher gebaut hat, plötzlich und auf einen einzigen Schlag zusammenbrechen kann. Unter der Kuppel beginnt es zu gären, werden all die tief versteckten Gefühle im Menschen allmählich freigesetzt - eine Extremsituation und eine Grenzerfahrung, wie sie in so vielen von Kings Romanen auftreten.

Auch wenn er Murmeltiere augenscheinlich nicht leiden kann ( :-) ), hat mir das Buch mehr als nur gefallen. Ich bin gut unterhalten worden, ich war fasziniert und völlig verwirrt, ich konnte sogar mit der etwas doofen Auflösung leben und war nciht enttäuscht. 1200 Seiten, die sich weglesen lassen wie nichts und einen dennoch den ganzen Urlaub lang beschäftigen - na bravo, Mr.King ;-)

Willkommen zurück :-)

Da bin ich wieder, frisch zurück aus dem Urlaub, gut erholt und immer noch nicht startbereit für die Schule morgen. Also alles wie immer :-)

Dublin war eine wundervolle Stadt, Büchertechnisch lief allerdings gar nichts in der Unesco-Stadt der Literatur. Verdammt, sind Bücher da teuer. ich meine, richtig, richtig teuer im Vergleich zu hier. Ein Taschenbuch mit knapp 200 Seiten für 15,95 - undd as auch noch in der schönen englischen Bindung, bei der man das Gefühl hat, ein Luftzug führt schon dazu, dass alles auseinanderfällt... Wenigstens mein Koffer hat sich gefreut, denn das führt dazu, dass ich kein Übergepäck bezahlen musste :-p

Montag, 9. April 2012

Stewart O'Nan - alle, alle lieben dich

Kim ist 18, sie will ausziehen und aufs College gehen. In drei Wochen wird es so weit sein, sie freut sich, aber ihre Eltern schauen ein bisschen sorgenvoll in diese neue Zukunft ihrer Tochter. Aber immerhin, es sind ja noch drei Wochen, noch liegt ein Sommer vor Kim und ihren Freunden. Dieser Sommer wird jedoch plötzlich zerstört, denn Kim kommt eines Tages einfach nicht nach Hause. Niemand weiß, was mit ihr passiert ist. Ist sie tot? Ist sie einfach abgehauen, weil ihr das alles zu viel wurde?

Stewart O'Nan ist ein Spezialist für Kleinstadt-Psychogramme. Dieses Mal entführt er seinen Leser in eine idyllische Kleinstadt, in der plötzlich nichts mehr so ist wie es war. Und in der das Verschwinden eines Mädchens auch Dinge ans Licht bringt, die bislang unter eienr dicken Grasdecke versteckt waren. Die Ehe der Eltern, die eignetlichs chon seit langem tot ist. Die jüngere Schwester, die immer nur im Schatten der perfekten Kim stand. Kim selbst, deren leben so gar nichts zu tun hat mit dem, was andere davon annehmen. Eine der für mich brutalsten Szenen ist die Abschiedszeremonie im Football-Stadion, so präzise wird da auf die Personen fokussiert, so detailliert beschrieben, dass man am leibsten wegschauen will, es aber einfach nicht kann. Das ist wieder mal Literatur auf sehr, sehr, sehr schönem Niveau - und das ganze schon wieder von einem Mann, der imVorwort seinem Freund Stephen King fürs Vorablesen dankt ;-)

Sonntag, 8. April 2012

Frohe Ostern!!!


Liebe Leser, ich wünsche euch allen ein wunderschönes Osterfest und viel Sonnenschein!



Quentin Crisp - I'm an English Man in New York

Wo wir gestern von homosexuellen Exzentrikern sprachen, fiel mir doch glatt das Buch ein, das ich - ihr erinnert euch vielleicht - aus der Bibliothek ausgeliehen habe, weil es einen Sting-Song als Titel trug. Ich habe mich jetzt etwas näher damit beschäftigt, was so viel heißt wie: ich habe es innerhalb eines halben Tages in mich aufgesogen.

Zunächst einfach mal etwas zu Quentin Crisp an sich, denn wenn es euch so geht wie mir, dann habt ihr von ihm noch nie zuvor gehört. Quentin Crisp wurde 1908 als Denis Charles Pratt geboren und wuchs in Sutton, einem Londoner Vorort-Stadtteil auf. Bereits in seiner Jugend war für ihn klar, dass er nicht in diese bürgerliche Welt gehörte. Dank seiner Vorliebe für Make-up und seines wahnsinnig offensiv-schwulen Auftretens in einer Zeit, in der in den meisten Ländern der Welt Homosexualität zumindest noch als Straftat gewertet wurde, war eine Karriere in einem normalen Beruf kaum möglich. Er arbeitete lange Jahre in Nebenjobs wie Friseurgehilfe, Aushilfe im Theaterfundus, etc., allerdings gab es auch durchaus Phasen, in denen er als Aktmodell an der Londoner Kunsthochschule arbeitete oder sich prostituierte. Das Faszinierende ist, so wenig öffentlich sein Leben bis dato auch war, er gilt heute als der erste Engländer, der sich tatsächlich öffentlich outete. Dadurch veröffentlichte er seine Biographie - "The naked Civil Servant" - die aber erst durch eine BBC-Verfilmung zum Erfolg wurde. Von da an war Crisp eine der Speerspitzen der englischen Schwulenbewegung, obwohl er selbst sich bis zum Ende seines lebens nie so bezeichnet hätte. 1981 zog er nach New York um, arbeitete als Filmkritiker und veröffentlichte einige Bücher und eine Show, in der er seine Bonmots zum Leben zum Besten gab. Er starb 1999 am Vorabend eines Theaterauftritts.

"I'm an Englishman in New York" ist eine Sammlung von Kurz-Essays, Bonmots und Interview-Aussagen Crisps über sein leben und alles, was damit zusammenhängt. Er erzählt von seinem Leben aber nicht auf die übliche autobiographische "Ich wurde geboren und werde dann mal sterben"-Weise, sondern sehr unterhaltsam in Anekdoten und Sätzen, die man sich gerne gerahmt auf den Schreibtisch stellen möchte: "Meine Eltern versuchten, sich dem Niveau der Nachbarn anzupassen. Erst später lernte ich, dass es billiger ist, wenn die Nachbarn sich dem eigenen Niveau anpassen müssen." Er ist irgendwie eine Art moderner Oscar Wilde, ein Mann, der Worte von sich gibt, die so philosophisch, so grundsätzlich, so wahr und trotz allem so simpel sind, dass man sich fragt, warum man selbst nicht drauf gekommen ist. Er ist ein Provokateur, der diese Rolle angenommen hat und, eben weil er sie nun hat, auch auslebt. Er ist exzentrisch, unvergleichlich, anders, seltsam, verstörend, interessant.

Vielleicht fasst das Buch am besten das ihm vorangestellte Zitat zusammen: "Mein Leben ist ein Prozess der Verfeinerung gewesen. Ich werde mehr und mehr zu mir selbst und ich wiederhole mich unablässig. Berühmte Leute tun das."

Samstag, 7. April 2012

Truman Capote - Andere Stimmen, andere Räume

Der 13jährige Joel Knox soll nach dem Tod seiner Mutter bei seinem Vater in Alabama leben. Dass der seinen Sohn noch nie gesehen und bislang auch noch nie Interesse an ihm gezeigt hat, ist bereits irritierend für Joel. Dass ihn aber mitten im südstaatlichen Nirgendwo niemand abholt, ist mehr als irritierend. Und als er danne ndlich auf dem völlig zerfallenen Anwesen ankommt, muss er feststellen, dass sein Vater gar nicht da ist. Stattdessen erwarten ihn seine Steifmutter Amy, die geistig nicht mehr ganz auf der Höhe zu sein scheint, sein Cousin Randolph, der vor allem durch seine eklatanten Versuche auffällt, den dreizehnjährigen zu verführen. Die NAchbarstochter Idabel, die sich wie ein Junge benimmt, und die tiefreligiöse Hausangestellte Zoo komplettieren die absurd-verrückte Welt, in der Joel fortan versucht, das Phantom seines Vaters aufzuspüren.

Ich habe selten ein Buch gelesen, in dem Hintergrundwissen über den Autor so von Nutzen war wie bei diesem Buch. Truman Capote wuchs bis zu seinem achten Lebensjahr bei seinen Großeltern in Alabama auf, erst dann holte ihn seine Mutter, die bis dahin geheiratet hatte, zu sich nach New York. Zeitlebens war der unbekannte Vater eine Belastung für ihn (und vermutlich eine der Gemeinsamkeiten, die er mit dem von ihm portraitierten Mörder Dick Perry hatte), die gekoppelt war an seine relativ früh von ihms elbst entdeckte Homosexualität und den Wunsch, anders zu sein als das Leben um ihn herum. Insofern liest sich "Andere Stimmen, andere Räume" nicht nur wie das Debüt eines Exzentrikers, sondern eben auch wie eine Aufarbeitung all dessen, was den damals 24jährigen Capote seit seiner Kindheit nicht loslassen konnte.

Capote zu lesen ist immer eine Herausforderung. Meine Schwester hat es mal wenig subtil formuliert (nach der Lektüre von "Sommerdiebe"): "Ich fühl mich grad echt gehirngefickt." Ich glaube, das beschreibt es wirklich ganz gut. Einen Roman von Capote zu lesen, vielleicht mti Ausnahme von "Frühstück bei Tiffany", ist etwas, das man mehrfach machen muss. Beim resten Mal steigt das Hirn nämlich irgendwann aus und sagt "Schönen Dank auch, und jetzt bitte mit weniger Bildern und Andeutungen, sondern endlich mal in Klartext". Etwa beim dritten Lesen sagt es dann plötzlich "Ui, Herr Capote, Sie sprechen ja Klartext, nur muss man die Milchglasscheibe erstmal wegnehmen, die Sie davor aufgestellt haben". Soweit sollte man es tatsächlich kommen lassen und ihn nicht einfach weglegen. Ja, am anfang ist er sperrig. Aber irgendwie ist er wie die Südstaaten in einem verdammt heißen Sommer: man will ja gerne raus, so lange man drin ist, aber wenn man sie hinter sich gebracht hat, vermisst man sie total.

Mittwoch, 4. April 2012

Der Urlaub ist gebucht

Ich komme grade aus dem Reisebüro und hab sie in der Hand: die Reiseunterlagen für unsere Hochzeitsreise. Endlich! Wir haben uns nicht für irgendein südliches Ziel entschieden, bei dem man viel Strand und endlose blaue Wasserweiten sieht, sondern wir fliegen für eine Woche nach Dublin. Im katalog gab es ein sehr schönes Angebot, bei dem man auch noch kleine Ausflüge in die Umgebung macht, das ist vor allem genau mein Ding. Ich bin der klassische Stippvisiten- oder Rundreiser, ich will möglichst viel auf einmal sehen, statt immer nur im selben Fleck zu sitzen. Von daher freu ich mich ziemlich auf die ganze Ostinsel Irlands. Undd amit ihr hier nicht darben müsst in meinem einwöchigen Urlaub, probiere ich jetzt mal die geplanten Postings aus und hoffe, dass ihr eine Woche lang versorgt werdet mit den neuesten Büchertipps ;-)

Dienstag, 3. April 2012

Charlotte Bronte: Jane Eyre


Ich habe sehr, sehr, sehr lange Jahre erklärt, ich würde mich sicher nicht zum Bronte-isten eignen. Das liegt daran, dass ich die Bronte-Schwestern (auf die Pünktchen muss ich leider verzichten, weil sich mein Computer grade weigert, sie zu fabrizieren) zunächst in einer, eignetlich wirklich guten, BBC-Verfilmung kennelernte, in denen mich dieses puritanische Pfarrhausleben der Schwestern nachhaltig verstört hat. Dazu kam, dass ich einen ersten Versuch mit "Sturmhöhe" wagte, den ich abbrach und entscheid, es doch lieber mit Jane Austen zu versuchen. Tatsächlich habe ich seitdem festgestellt, dass es auf dieser Welt entweder Austen-isten oder Bronte-isten gibt, ich habe noch niemanden kennengelernt, der tatsächlich beide Autorinnen (die Brontes fasse ich heirfür mal als eine Person zusammen) gleichermaßen mag. Nun, mein Ausflug in die Welt Jane Austens war hübsch, aber ich fühlte mich einfach nicht gesättigt - sollte in mir doch ein Bronte-ist schlummern? Ich wagte mich also noch einmal an "Sturmhöhe" und, obwohl ich das Buch diesmal zu Ende las, war ich ... abgeschreckt ist ein zu mildes Wort. Was gingen mir diese Leute allesamt auf den Keks!

Lange hat es gedauert, bis ich mich dann daran wagte, einer anderen Bronte-Schwester Lesezeit einzuräumen. "Jane Eyre", das war doch diese angestaubte Geschichte von der Gouvernante, die dann am Edne froh sein muss, dass sie einen reichen blinden abkriegt ... Genau die Lektüre also, die man sich erwartet von einer unverheirateten Jungfer, die im Pfarrhaus lebt.

Verdammt seist du, Vorurteil!

Ja, "Jane Eyre" ist im Prinzip eine klassische Liebesgeschichte. Er, sie, unüberwindbare Hindernisse, düstere englische Moorlandschaften (wir sind bei den Brontes, nach Schmetterlingen zu fragen, hätte bei Cahrlotte vermutlich einen Herzanfall ausgelöst!), Happy-End, ding-dong, Kirchenglocken. Naja, ganz so ist es doch nicht. Denn erstaunlicherweise finde ich "Jane Eyre" extrem vielschichtig. Vor allem in der Charakterzeichnung. Diese Jane ist kein naives Ding, das sich in den Hausherren verknallt, sondern eine junge Frau, die vor allem eins will: ihre Unabhängigkeit. Dass das ind ihrer Zeit eigentlich nur dann möglich ist, wenn sie als Gouvernante arbeitet, vergessen wir heutigen Leser ganz gerne mal. Und dass Jane eigentlich ziemlich moderne Ansichten an den Tag legt in Bezug auf Ehe und Kindererziehung, geht in den meisten Verfilmungen unter. Ihr ungutes Gefühl in Bezug auf die Eheschließung mit Mr.Rochester ist vor allem dadurch verursacht, dass sie eben nicht Teil der klasssichen Versorger-Ehe werden will, sondern beispielsweise selbst Geld verdienen und dadurch unabhängig sein möchte. Dass Rochester das nicht einsehen will und erst sehr, sehr tief fallen mss um zu erkennen, dass eine Ehe immer ein Geben und Nehmen ist, schafft Charlotte Bronte zwar nur mit einem sehr tiefen Griff in die verstaubte Kiste der Klischees, aber tatsächlich werden sich die beiden am Ende ebenbürtig. Ich glaube wirklich, Cahrlotte Bronte wollte einen alternativen Lebensentwurf schreiben, den sie aber nur unter dem Deckmantel des Liebes- und Schauerromans veröffentlichen konnte, denn ansonsten ist das ja wohl gesellscahftlicher Sprengstoff, was hier und da in Jane Eyre auftaucht: eine Frau, die nicht nach einem Mann sucht, sondern zunächst mal für sich selbst einstehen möchte. Und die sagt, was sie denkt, wenn auch immer noch sehr dezent und sympathisch. Jane ist keine Helding im Austen-Format, sie ist einfach nur Jane Eyre - und ich muss sagen, mich hat sie erwischt.

Ich bin doch Bronte-ist.