Sonntag, 8. April 2012

Quentin Crisp - I'm an English Man in New York

Wo wir gestern von homosexuellen Exzentrikern sprachen, fiel mir doch glatt das Buch ein, das ich - ihr erinnert euch vielleicht - aus der Bibliothek ausgeliehen habe, weil es einen Sting-Song als Titel trug. Ich habe mich jetzt etwas näher damit beschäftigt, was so viel heißt wie: ich habe es innerhalb eines halben Tages in mich aufgesogen.

Zunächst einfach mal etwas zu Quentin Crisp an sich, denn wenn es euch so geht wie mir, dann habt ihr von ihm noch nie zuvor gehört. Quentin Crisp wurde 1908 als Denis Charles Pratt geboren und wuchs in Sutton, einem Londoner Vorort-Stadtteil auf. Bereits in seiner Jugend war für ihn klar, dass er nicht in diese bürgerliche Welt gehörte. Dank seiner Vorliebe für Make-up und seines wahnsinnig offensiv-schwulen Auftretens in einer Zeit, in der in den meisten Ländern der Welt Homosexualität zumindest noch als Straftat gewertet wurde, war eine Karriere in einem normalen Beruf kaum möglich. Er arbeitete lange Jahre in Nebenjobs wie Friseurgehilfe, Aushilfe im Theaterfundus, etc., allerdings gab es auch durchaus Phasen, in denen er als Aktmodell an der Londoner Kunsthochschule arbeitete oder sich prostituierte. Das Faszinierende ist, so wenig öffentlich sein Leben bis dato auch war, er gilt heute als der erste Engländer, der sich tatsächlich öffentlich outete. Dadurch veröffentlichte er seine Biographie - "The naked Civil Servant" - die aber erst durch eine BBC-Verfilmung zum Erfolg wurde. Von da an war Crisp eine der Speerspitzen der englischen Schwulenbewegung, obwohl er selbst sich bis zum Ende seines lebens nie so bezeichnet hätte. 1981 zog er nach New York um, arbeitete als Filmkritiker und veröffentlichte einige Bücher und eine Show, in der er seine Bonmots zum Leben zum Besten gab. Er starb 1999 am Vorabend eines Theaterauftritts.

"I'm an Englishman in New York" ist eine Sammlung von Kurz-Essays, Bonmots und Interview-Aussagen Crisps über sein leben und alles, was damit zusammenhängt. Er erzählt von seinem Leben aber nicht auf die übliche autobiographische "Ich wurde geboren und werde dann mal sterben"-Weise, sondern sehr unterhaltsam in Anekdoten und Sätzen, die man sich gerne gerahmt auf den Schreibtisch stellen möchte: "Meine Eltern versuchten, sich dem Niveau der Nachbarn anzupassen. Erst später lernte ich, dass es billiger ist, wenn die Nachbarn sich dem eigenen Niveau anpassen müssen." Er ist irgendwie eine Art moderner Oscar Wilde, ein Mann, der Worte von sich gibt, die so philosophisch, so grundsätzlich, so wahr und trotz allem so simpel sind, dass man sich fragt, warum man selbst nicht drauf gekommen ist. Er ist ein Provokateur, der diese Rolle angenommen hat und, eben weil er sie nun hat, auch auslebt. Er ist exzentrisch, unvergleichlich, anders, seltsam, verstörend, interessant.

Vielleicht fasst das Buch am besten das ihm vorangestellte Zitat zusammen: "Mein Leben ist ein Prozess der Verfeinerung gewesen. Ich werde mehr und mehr zu mir selbst und ich wiederhole mich unablässig. Berühmte Leute tun das."

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