Sonntag, 29. September 2013

Michael Schulte - Krumm gelaufen


Vermutlich hat jeder schon einmal von den großen Ganoven gehört, die in den USA ihr Unwesen getrieben haben. Seien es Billy the Kid oder John Dillinger, beide haben sich ihre Berühmtheit in der Illegalität erarbeitet. Aber da gibt es eben noch die anderen, diejenigen, die genauso berühmt werden wollen – und dann an den Widrigkeiten des Lebens, den Qualitäten der Polizei oder einfach an der eigenen Dummheit gnadenlos scheitern. In diesem Buch sind sie alle versammelt, der Leser ist fasziniert bis fassungslos, wie krumm manches krumme Geschäft tatsächlich laufen kann. Diesen geplagten Ganoven möchte Michael Schulte hier ein Denkmal setzen, ob ihm das gelingt, ist allerdings nicht in allen Fällen zu bejahen.
Meine Probleme mit diesem Buch sind nicht etwa dem geschuldet, dass ich zumindest bei Bonnie und Clyde erheblichen Einspruch einlegen möchte (warum, werdet ihr noch erfahren) ,sondern vor allem, weil das Buch ziemlich USA-zentriert ist. Ich hätte es besser gefunden, mehr "einheimische" Ganoven kennen zu lernen, oder auch Ganoven, die nicht alle zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelebt haben. Dementsprechend war ich beim Lesen ein wenig enttäuscht, da ich mir mehr erwartet hatte. Gut, dafür kann Schulte nur bedingt etwas, aber trotzdem finde ich es schade. Ich muss gestehen, das mir aus dem Buch recht wenig an Fakten in Erinnerung geblieben ist, obwohl es bei True-Crime-Büchern eigentlich meistens alles im Gedächtnis behalten ,um meine Umwelt mit absurden, schockierenden oder auch einfach nur interessanten Informationen zu versorgen. Aus diesem Buch habe ich nichts davon mitgenommen,  dieses Qualitätsmerkmal wurde einfach nicht erfüllt .dementsprechend ist das Buch auch eher nicht so atemberaubend komisch, wenn man bei dem Titel und den Versprechungen des Klappentextes vielleicht erwarten würde. Eigentlich schade, aber was soll's. Zumindest unterhält es während des Lesens einigermaßen, für lange Bahnfahrten dürfte es dementsprechend geeignet sein.
 

 

 

Heinz Strunk - Fleisch ist mein Gemüse

Heinz ist 17 und aus Harburg - mit diesen sechs Wörtern kann man das gesamte Elend des Knaben zusammenfassen. Harburg, das ist halt der falsche Stadtteil von Hamburg, wenn man in den Achtzigern groß rauskommen möchte, wenn man Erfolg haben möchte, wenn man alles außer Spießer sein will. Heinz einzige Hoffnung ist seine musikalische Grundausbildung, hat er doch so ziemlich alles an Blasinstrumenten parat - und das will er nutzen. Also steigt er bei "Tiffanys" ein, der angesagtesten Combo für Vereinsfeiern und Schützenfeste. Doch die Band ist nicht gerade der Reißer, sondern führt allzu oft zu langen Gesichtern im Publikum. Das kann vielleicht daran liegen, dass man das verdiente Geld in erster Linie für Fleischorgien opfert, die nach dem Auftritt gefeiert werden. Oder daran, dass die Mitglieder außer Heinz mit ihrem Schicksal bereits abgeschlossen haben. So begleiten wir als Leser eins durch dieses Tal der Depressionen und Spielsucht ,in das der Weg ins Erwachsenenleben nun einmal führt ...
Ich kann mir nicht helfen, aber als ich dieses Buch gelesen habe, war ich immer wieder versucht, an den Verlag zu schreiben und ihn zu fragen, was genau in dazu bewogen hat, Heinz Strunk zu veröffentlichen. Ich habe selten ein Buch gelesen, das so gut beworben worden, dessen Klappentext so viel versprechend klang, und das sich dann als ein solcher Reinfall entpuppt hat. Es ist nicht einmal so, dass das Buch schlecht wäre, sondern das große Problem ist, dass Heinz Strunk sich um jeden Preis bemüht, nur nicht einfach nur komisch zu sein, sondern zu der Art Leute gehören zu scheint, die so „indie„ sein wollen, dass ein einfacher Witz nicht genügt. stattdessen ist das Buch eine einzige Ansammlung Teichs ekliger teils extrem langweiliger Szenerien. Wer das Bedürfnis hat, seitenweise Informationen über den Inhalt der Eiterpickel von Heinz Strunk zu erhalten, oder alte Schlagertexte zu lesen die eins zu eins über mehrere Buchseiten geschrieben werden, der ist hier mit Sicherheit gut aufgehoben. Das Problem ist tatsächlich, das Buch ist einfach nicht lustig. Es ist weder anarchisch wie Helge Schneider – was es vermutlich sein soll – es ist auch nicht obszön – was vermutlich Strunks Intention war – und es ist nicht komisch – was der Verlag vermutlich gehofft hat. Es ist einfach nur langweilig, und das ist vermutlich das Schlimmste was man über ein Buch sagen kann, dass ein Skandal sein will. Verdammt, man hätte echt was draus machen können, aber das ist hier leider nicht geschehen.

Donnerstag, 26. September 2013

Elisabeth Herrmann - Das Dorf der Mörder

Die junge Streifenpolizisitn Sanela Beara wird zum Schauplatz eines brutalen Mordes gerufen. Ausgerechnet im Berliner Tierpark wurde ein Mann betäubt und den Schweinen zum Fraß vorgeworfen. Als Sanela im Tierpark nach Kaffee sucht, lernt sie Charlotte kennen, die in der Futtertierzucht arbeitet und gerade Ratten tötet. Charlie ist nett und erzählt von ihrem Beruf - deshalb kann Sanela es nicht fassen, als sie schließlich im Krankenhaus zu sich kommt, weil Charlie sie niedergeschlagen hat. Ihre neue Bekannte wurde für den Mord im Tierpark verhaftet, doch Sanela kann nicht daran glauben. Auch der Psychologe Jeremy Saaler, der Charlie für die Gerichtsverhandlung untersuchen soll, hegt Zweifel an ihrem Geständnis. Unabhängig voneinander glauben beide, dass die Wahrheit hinter dem Mord in Charlies Heimatdorf in der Brandenburgischen Provinz zu suchen ist ...

Ich habe selten ein Buch gelesen, bei dem ich auf der letzten Seite so hin- und hergerissen war, ob mir das jetzt gefallen hat oder nicht. Fangen wir mal mit dem Positiven an: ich finde das Buch deutlich spannender als das letzte, das ich von der Autorin gelesen habe. Diesmal ist die historische Ebene nicht Spionage in der DDR, sondern das langsame Ausbluten der Dörfer im ehemaligen DDR-Gebiet nach der Wende. Und was mir sehr gut an Herrmanns Stil gefällt: sie schafft es, dieses Dorf lebendig werden zu lassen. Die Bücher wirken zunächst einmal sehr dicht und man taucht ganz ab, kann sich die Umgebung gut vorstellen, fühlt den Wind, riecht die frischen Pflaumen ... erzählen kann sie also. Darüber hinaus hat sie einen sehr interessanten Plot geschaffen, bei dem man gerne mitfiebert. Die lang anhaltende Ungewissheit, ob Charlie tatsächlich die Mörderin ist oder nicht, hält mich am Ball.
Und dennoch bin ich nicht zufrieden mit dem Buch. Das liegt vor allem daran, dass hinter dieser sehr hübschen atmosphärischen Kulisse ein Lektorat steckt, das den Namen nicht verdient hat. Das fängt bei Kleinigkeiten an wie der Tatsache, dass das Wirtshaus "Zur Linde" mit einem Baum gesegnet ist, der Wahlweise Kastanie, Buche oder Eiche ist, aber mit Sicherheit keine Linde. Viel schwerwiegender für mich sind aber die Schnitzer in Bezug auf Psychiatrie und Psychologie. Hier wird einfach alles durcheinander geschmissen und irgendwie verwurstet, aber wirklich Ahnung scheint die Autorin nicht gehabt zu haben bzw. auch nicht den Willen eine kurze Recherche durchzuführen. Es gibt nun mal einen Unterschied zwischen Psychologen und Psychiatern und der beginnt bereits bei der Ausbildung. Solche Fehler bereiten mir beim Lesen keinen Spaß, sondern fast schon Schmerzen, und das kann ich nicht ab. Andererseits hat der Lesegenuss in beschreibenden Passagen nicht gelitten und so ist das Buch halt genau wieder Smilie: indifferent. Wer möchte, sollte es lesen, dabei aber sein Wissen ein bisschen ausschalten ;-)

Mittwoch, 18. September 2013

Wohnen im Norden: Miniaturwunderland Hamburg

Vor drei Wochen haben mein Mann und ich nicht nur eine Hafenrundfahrt gemacht, sondern auch noch den Ort besichtigt, in den wir beide schon ewig mal reinschauen wollten. Wir waren im Minaturwunderland Hamburg.

Die meisten werden davon sicher schon gehört haben, aber dennoch folgt hier jetzt der ultimative Werbespot - ich war nämlich wirklich begeistert! Das Miniaturwunderand ist eine Ausstellung von sehr begeisterten Modelleisenbahnfreunden. Über drei Etagen in der Hamburger Speicherstadt ziehen hunderte von Modellbahnen in verschiedenen Themenbereichen, die nach Ländern sortiert sind. Zur Zeit gibt es Gegenden aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Skandinavien (Schweden, Dänemark und Norwegen) und den USA zu besichtigen. Wobei, besichtigen trifft es nicht so richtig.
Tatsächlich ist diese Ausstellung ein einfach nur spannendes Suchen nach Details, nach kleinen und großen Ideen in einer unglaublich detailliert ausgearbeiteten Welt. Hier drüben seht ihr z.B. einen Blick in die Schweiz, die Alpen im Hintergrund gehen noch eine Etage höher. Überall, wo man läuft, fahren Züge, selbst die Treppenstufen sind zur Zeit mit Plexiglas ausgekleidet, so dass man die Züge auf dem Weg zurück ins Depot verfolgen kann.
Ins Auge fallen natürlich zuerst einmal die ganzen großen Anlagen, die sich durch die Ausstellung ziehen und mehrere Quadratmeter groß sind. Wobei wir bei einer "Hinter-die-Kulissen"-Führung beteiligt waren und gelernt haben, dass der größte Teil der Schienen nicht zu sehen ist, weil sie hinter den Anlagen verlaufen und die Züge wieder zurück zu ihrem Startpunkt bringen. Zur Zeit entsteht eine neue Anlage, die sich Italien widmet und noch im Rohbau steht. Aber auch hier durften wir mal genauer hinschauen und haben so nicht nur gelernt, dass hinter all den akkuraten Arbeiten erst mal detaillierte Planungen stehen, die die Schienen exakt verlegen und daran dann die Landschaft ausrichten. Danach werden Miniaturen der Ausstellungsplanung angefertigt, um herauszufinden, ob die Planung so funktioniert und wie alles aussieht. Und dann geht es ans Werken. Die Eröffnung für Italien ist für etwa 2014 geplant, in der offenen Werkstatt kann man auch zur Zeit ein bisschen sehen, wie das alles aussehen wird. Ein Teil Riminis ist schon fertig, aber es soll auch noch die Toskana dazukommen, der Vesuv und Pompeji (sowohl neu als auch alt) und  Rom, inklusive ausgewählter Sehenswürdigkeiten.

Mein Mann war in erster Linie begeistert von den Bahnen und ganz ehrlich, bei den mehrheitlich männlichen Besuchern hört man sehr oft den Satz "Das Gebäude hab ich auch zu Hause". Das aber gepaart mit leuchtenden Augen und einem Krieg um die Knöpfe, die die Spezialeffekte in Gang setzen. Da sind dann kleine Szenen, die zum Leben erwachen, sei es eine missglückte Baumfällaktion, eine runterfallende Schranke am Flughafenparkhaus oder ein Ritterturnier.
Und dann ist da natürlich noch der Flughafen. Es fahren nicht etwa nur Eisenbahnen, sondern es heben auch Flugzeuge ab. Die Abteilung Hamburger Flughafen ist wirklich dicht belagert, es ist aber auch echt krass, weil man das nicht mal so eben zu Hause bastelt. Genauso wie in Skandinavien Schiffe in echten Wasserbecken fahren. Der technische Aufwand ist enorm und selbst ich als Technikunbegeisterte stand fasziniert davor. Aber die Frage ist, ob die Ausstellung auch was für Leute bietet, die keine Modellbahn zu Hause haben und da kann ich nur sagen: ja, das tut es! Da sind ja nicht einfach nur ein paar Bahnen, die im Kreis fahren, sondern man kann total abtauchen in die kleinen Details. Mich hat vor allem eine Sonderausstellung begeistert, die eine Straße in Berlin ab 1945 zeigt. In mehreren Glaskästen war immer derselbe Straßenzug im Laufe der Jahre zu sehen. Von den Kriegszerstörungen hin zur allmählichen Teilung der Straße in Ost und West bis zum Mauerbau und endlich der Wiedervereinigung.

Diese kleinen Szenerien sind unglaublich detailliert. Im Kino laufen aktuelle Spielfilme, die Figuren sind arrangiert als würden sie miteinander interagieren. Beim Diorama zum Mauerbau ist sogar diese berühmte Szene vom Mauersprung mit eingebaut. In der DDR ist ein Pittiplatsch-Handpuppentheater zu finden, es gibt  eine Techno-Disco und wer weiß was ich noch alles übersehen habe :-)
Ihr merkt, ich war begeistert und ich vermute, ich werde noch öfter auftauchen und mir das alles anschauen. Denn auch wenn wir vier Stunden dort verbracht haben (vom Ende der Hafenrundfahrt bis zum Schließen der Ausstellung), irgendwann ist man gar nicht mehr aufnahmefähig. Außerdem muss ich definitiv noch Fotos in Skandinavien und in den USA machen - da hat dann die Kamera gestreikt. Komisch, waren doch nur 1587 Fotos, die wir gemacht haben ;-)



 
 

Dienstag, 17. September 2013

James Roy - Town. Irgendwo in Australien

Es gibt Tage, an denen trifft man die Liebe seines Lebens - -und verliert sie nur kurze Zeit später durch widrige Umstände. Es gibt Tage, da steht man einem Wendepunkt - und entscheidet sich für den richtigen Weg. Es gibt Tage, da nimmt man seinen Ruf selbst in die Hand, statt ihn durch andere verwenden zu lassen ... All diese Tage und noch viele mehr geschehen überall auf der Welt und so auch in Australien. In einer anonymen Kleinstadt leben die Protagonisten von Roys Kurzgeschichtensammlung. Gelegentlich kreuzen sich ihre Wege, man kennt sich vom Sehen und von der Schule, und dennoch führt jeder ein eigenes Leben mit eigenen Problemen und Freuden.

Die Geschichten sind monatsweise geordnet und, was mir sehr gut gefällt, sie nehmen gelegentlich Bezug aufeinander, eine Figur aus Geschichte A taucht in Geschichte H wieder auf und dergleichen mehr. Insgesamt sind es sehr unterschiedliche Geschichte über Teenager, die versuchen, ihren Alltag zu meistern. Einige stammen aus zerbrochenen Familien, andere haben Probleme mit sich selbst, manche erleben Ungerechtigkeiten, andere rebellieren. Gemeinsam ist ihnen allen, dass simple Ereignisse ihre Welt plötzlich ein wenig oder sehr stark auf den Kopf stellen und die Jugendlichen versuchen, damit umzugehen. Das alles wird von James Roy in sehr verschiedenen Erzählweisen berichtet, immer angepasst an seinen Helden, und dadurch wirkt die Geschichte so realistisch. Seien es Adams Flirtversuche am ersten Schultag oder Lees Slangausdrücke, die Figuren sind überzeugend und man folgt ihnen gerne beim Lesen. Ich hatte streckenweise großen Spaß (die Geschichte der Chemiestunde), teilweise war ich fasziniert von der Sektion alltäglicher Grausamkeiten (wie die der Beinahe-Vergewaltigung), die Roy an den Tag befördert. Das Buch ist wirklich empfehlenswert und ich danke dem Zufall, der es mir ins Bücherkörbchen befördert hat ;-)

Amy Tan - Das Tuschezeichen

Ruth Young ist Amerikanerin mit chinesischen Wurzeln. Das Land ihrer Mutter ist ihr in den Familientraditionen geläufig, doch viel mehr fühlt sie sich zu Hause in den USA, wo sie mit ihrem Lebensgefährten und dessen zwei Töchtern lebt und als Ghostwriter Selbsthilfebücher schreibt. Sie ihr ihrer Mutter entwachsen und gleichzeitig kommt sie nicht los von der Frau, die sich in letzter Zeit immer seltsamer benimmt. Als der Arzt bei LuLing Alzheimer diagnostiziert, beschließt Ruth, sich um ihre Mutter zu kümmern. Das Verhältnis der beiden war schon immer angespannt, LuLings "chinesische" Einstellungen und Ruth "amerikanischer" Lebensstil schienen so gar nicht zusammen zu passen. Als Ruth dann jedoch in der Wohnung ihrer Mutter ein altes Manuskript mit chinesischen Schrifteichen findet, taucht sie ein in das Leben ihrer Mutter im vorrevolutionären China, in dem LuLings Familie mit der Produktion von Tusche zu Ruhm und Ehre gelangte. Und sie beginnt allmählich, das Verhalten ihrer Mutter zu verstehen ...

Amy Tan bin ich zufällig über die Schreibfeder gelaufen, damals war ich vierzehn oder fünfzehn und habe einen Auszug aus "Töchter des Himmels" gelesen. Sehr lange habe ich nie wieder daran gedacht, bis ich dann "Das Tuschezeichen" gefunden habe und sofort begeistert war. Der Roman ist nicht nur eine sehr spannende Familiengeschichte, sondern variiert in einem sehr angenehmen Erzählstil die Suche nach sich selbst, die man nur dann beenden kann, wenn man seine Vergangenheit annimmt. LuLings Geschichte selbst ist eine Geschichte um ein gut gehütetes Familiengeheimnis, dessen Lösung dann auch Ruth Leben beeinflussen wird. Das alles wir in einem ruhigen, fließenden Ton erzählt, der mich sofort gefangen genommen hat. Ich habe einfach nur immer weiter gelesen und war völlig fasziniert von den Schilderungen des Lebens in China und der Tuscheherstellung. Es war wunderbare Lektüre zum Eintauchen und Wiederlesen :-)

Herbstzeit ist Challenge-Zeit

Grade eben bin ich bei der Bücherphilosophin über eine großartige Challenge gestoßen, die ich mir setzen möchte: Die Lieblingsbücher-Challenge.



Wem geht es als passioniertem Leser nicht so? Der Stapel mit "oh ich würd gern noch"-Literatur wächst immer mehr an und im Schrank werden liebevoll abgestaubte Exemplare abgelegt der Bücher, die das Herz erobert haben. Aber vor lauter neuen Büchern fristen die alten dann doch ein Schattendasein im Herzen - und damit ist jetzt Schluss. Zwölf Monate, zwölf bewusst ausgewählte Lieblingsbücher, die rezensiert werden und gelesen werden, um endlich wieder einmal gelesen zu werden. Da bin ich natürlich dabei ;-)

Wer teilnehmen möchte, kann sich im Blog der Bücherphilosophin einfach per Kommentar anmelden - tut es, eure Bücher werden euch dankbar sein ;-)

Die Frage ist natürlich, was möchte ich mal wieder lesen? Ich stelle grade auf meiner Challenge-Seite eine Liste zusammen nach sehr individuellen Gesichtspunkten. Schaut doch mal vorbei!
 

Montag, 16. September 2013

Camilla Grebe / Asa Träff - Bevor du stirbst

Eine kalte Winternacht in Stockholm. Eine junge Frau auf dem Nachhauseweg durch einen menschenleeren Park. Plötzlich Schritte, die immer näher kommen. Gerade als sie sich verloren glaubt, fällt ein Schuss, ihr Verfolger stürzt zu Boden und bleibt tödlich verwundet liegen. Fünf Jahre später findet die Psychotherapeutin Siri Bergman in alten Kisten ihres ersten Mannes Stefan eine merkwürdige Notiz, die auf genau diesen Mord hinweist. Gibt es etwa einen Zusammenhang zwischen dieser grauenhaften Tat und Stefans Entscheidung, sich nur wenige Wochen danach das Leben zu nehmen? Der Gedanke lässt Siri nicht mehr los, sie fragt sich, ob sie ihren Mann jemals gekannt hat ...

Das ist er also, der dritte Band. Ich dachte ja bereits nach dem zweiten, es könne nicht mehr schlechter werden - habe mich aber gründlich geirrt. Wenn schon die ersten beiden Bücher eher auf der Messerschneide der Glaubwürdigkeit einen formidablen Seiltanz hingelegt haben, in diesem Band wird sie aufgegeben zugunsten noch nervigerer Personencharakterisierungen als in den Vorgängern.
Beginnen wir doch mal mit Siri - "mein Ehemann war ein Engel" ist ihr zweiter Vorname und diese Verklärung Stefans zum Idealgatten ist langsam aber sicher ein wenig abgenudelt. Wieso genau macht Markus das eigentlich mit ihr mit, der immerhin ihr neuer Mann ist, der Vater ihres Kindes? Die Antwort ist vermutlich "weil er halt muss, sonst würde er im Buch nicht auftauchen". Siri ist dermaßen auf sich selbst fixiert, dass ich mich frage, ob sie eignetlich jemals selbst eine Therapie gemacht hat? Hat sie nicht, wie wir aus den Vorgängern wissen, und genau deshalb ist sie einfach nur eine psychotische Diva geblieben, die sich in ihrem unendlichen Leid suhlen will. Ihr Ex-Mann ist - Überraschung - natürlich kein Heiliger, sondern hatte ein gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz dunkles Geheimnis (Überraschung, Überraschung) und deshalb gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz schwere Depressionen und hat Selbstmord begangen. Irgendwie zieht dieses Motiv bei mir aber nicht so ganz, was vielleicht auch daran liegt, dass ich im gesamten Buch nur vier Seiten tatsächlich mal in Stefans Gefühlswelt eintauchen kann und mir die völlig fremd bleiben. Ich hatte das Gefühl, die Autorinnen selbst sind auch nicht so wirklich weitergekommen mit den Ideen und haben mal drauflos geschrieben. Ich habe selten so uninspirierte Entwicklungen gelesen, die gleichzeitig so wenig zu den Personen passen, denen sie angedichtet werden.

Insgesamt hat mich das Buch nicht gefesselt, sondern vor allem genervt und ehrlich: Band vier darf ohne mich auskommen.

Sonntag, 8. September 2013

Joy Fielding - Am seidenen Faden

ACHTUNG, SPOILERGEFAHR!!!!!

Kate Sinclair ist Familientherapeutin und lebt ein entzückendes Leben. Ein liebender Ehemann, regelmäßig Sex, boomende Praxis, zwei nette Töchter ... es könnte so schön sein. Doch von dem Tag an, als ihre jüngere Schwester verkündet, einen mutmaßlichen Serienmörder heiraten zu wollen, geht irgendwie alles schief. Ihre ältere Tochter wird zum aufmüpfigen Teenager, ihr Mann verbringt immer mehr Zeit auf dem Golfplatz, ihre Mutter zeigt die ersten Anzeichen von Alzheimer und zu allem noch der Super-GAU: Die Wechseljahre setzen ein.

Ungelogen, das ist die Zusammenfassung dieses Buchs. Klingt das nach einem Thriller? Nein, tut es nicht. Es klingt wie ein Frauenroman von Hera Lindt. Da Joy Fielding aber Thriller schreibt, muss jetzt nach dreißig Kapiteln also doch noch irgendwie ein Thrill her. die letzten fünfzig Seiten bricht also der werte Herr Schwager aus und bedroht Kate und ihre Töchter. Zuvor hat er noch die Schwester umgebracht, kriegt man aber auch erst am Ende mit. Kates Mutter knockt ihn aus, Buch Ende. Und ich als Leser fasse mir an den Kopf und frage mich: Was war DAS denn?

Ich habe dieses Buch aus zwei Gründen gelesen. Erstens, weil ein Herz vorne drauf war, und zweitens, weil ich "Schlaf nicht, wenn es dunkel wird" großartig fand. Überraschend, spannend und irgendwie cool. Also dachte ich, ich kann hier nichts falsch machen. Das erste Kapitel beginnt auch gut: Kate muss aus irgendwelchen Gründen für die Polizei einen Fall schildern, etwas muss geschehen sein, das sich im Laufe der Geschichte herausstellen soll. Aber darauf wartet man dann halt wirklich ungelogen bis fünfzig Seiten vor Ende und muss sich in der Zwischenzeit mit Kate Gejammer, Genörgel und "hach, soll ich meinen Mann betrügen"-Gewissensbissen herumschlagen. Der Klappentext spricht von einem fiesen Plan, der in der Strafanstalt geschmiedet wird - wo ist der? Diese gesamte Handlung um den Serienmörder ist sowas von ... belanglos, so bescheuert gezeigt, dass ich mich richtig verarscht gefühlt habe. Das ist so tief aus dem psychologischen Klischeetöpfchen gegriffen und so unrealistisch, ich kann es gar nicht beschreiben. Noch schlimmer für mich war nur noch diese Küchenpsychologie rund um sexuellen Missbrauch, diese Sätze klangen so nach Angelika Kalwass, ich war kurz davor, loszulachen. Insgesamt finde ich, dass der psychologische Faktor in diesem Buch so gar nicht nach etwas klingt, was eine Psychotherapeutin sagen würde, sondern mehr nach "aus irgendwelchen Selbsthilfebüchern" abgeschrieben. Kate agiert sowas von unreflektiert und unglaubwürdig in ihrer Rolle, dass ich mich frage, ob Fielding tatsächlich recherchiert hat oder doch nur schnell in die Tasten getippt und veröffentlicht hat, um möglichst den nächsten Coup zu landen. Keine der Figuren läd wirklich dazu ein, sich zu identifizieren oder sie als Person anzunehmen, es sind seltsame, krude Charaktere, die nicht zusammenpassen und mich im Laufe der schleppenden Handlung mehr und mehr nerven. In diesem Fall baut sich keine Spannung auf, die muss grade Urlaub machen. Ich hoffe, der tut ihr gut und sie kommt zurück - in diesem Buch wird sie schmerzhaft vermisst!

Linda Castillo - Tödliche Wut

Polizeichefin Kate Burkholder befindet sich auf abendlichem Streifendienst, als sie zu einer Teenagerschlägerei gerufen wird. Zwei Mädchen, die sich wegen eines Jungen prügeln - nichts Ungewöhnliches eigentlich, wäre da nicht die Tatsache, dass es sich bei einer der beiden um ein amisches Mädchen handelt. Sadie ist die Nichte von Kates Schwager und grade in ihrer Rumspringa, in der Phase, in der sich amische Teenager vor ihrer Taufe ausprobieren dürfen und auch einmal gegen die Ordnung verstoßen dürfen. Kaum hat sie Sadie auf der Farm ihrer Eltern abgeliefert, bekommt Kate einen Anruf. Agent Tomasetti bittet sie, als Beraterin tätig zu werden, denn er ermittelt im Fall von mehreren verschwundenen amischen Jugendlichen. Als dann auch noch Sadie verschwindet, stehen Kate und Tomasetti vor einem weiteren Fall, der sie in die Abgründe der Menschen blicken lässt ...

Warum schreibe ich diese Vorschau so spannend? Die Frage schoss mir grade durch den Kopf, denn ehrlich gesagt war dieser Thriller alles andere als wirklicher Thrill. Das begann meiner Meinung nach schon damit, dass Linda Castillo die 340 Seiten des Buchs immer noch nach altbewärtem Muster füllt, das mich dieses Mal extrem genervt hat. Kate reflektiert permanent alles, was geschehen ist in einem Tonfall, als würde sie gerade auf der Couch bei einem Psychologen liegen. So kriegen wir also schon wieder die Geschichte aus Teil 1 serviert, wir erfahren auch, dass sie ja die Geschichte aus Teil 2 sehr mitgenommen hat, und Teil 3 war ja auch so schlimm ...  es ist, als müsste Castillo ihren Leser ständig wieder daran erinnern, wie ungeheuer schlimm es doch um Kate steht. Wenn sie das wenigstens mal durch Kates Handlungen zeigen würde! Aber nein, viel einfacher ist es doch, immer wieder mit denselben belanglosen Sätzen vom menschlichen Abgrund zu kommen ... Das ist jetzt Band 4 und ehrlich gesagt, diese immer gleiche Leier langweilt mich immer mehr. Ich würde in Castillos Büchern gerne mehr das sehen, was sich im ersten Band gezeigt hatte, eine Einsicht in amisches Leben und die Probleme durch diesen extremen Gegensatz. Aber die Amischen treten immer mehr zurück und verkommen zu ein bisschen folkloristischer Staffage (mal hier eine Kapp, mal da ein Pennsylvaniadeutsch-Sprüchlein), die viel zu konventionelle Krimikost übertünchen soll.

ACHTUNG!!! Hier folgt der ein oder andere Spoiler!!!!


Darüber hinaus hat mich auch noch anderes an diesem Thriller gestört. Zunächst einmal war für mich die zweihundert Seiten lang eingeschlagene Suche nach Verdächtigen einfach unlogisch. Ich hatte das Gefühl, auch die Autorin wusste anfangs noch nicht so richtig, wen sie präsentiert und hat dann halt mal tief in die Klischeekiste "Verdächtige" gegriffen und die üblichen Exemplare herausgezogen. Für mich war effektiv von Beschreibung der verschwundenen Mädchen an klar, dass hier jemand gesucht werden muss, der die Ordnung vertritt ... aber nein, Tomasetti und Kate wissen es besser und labern die ganze Zeit über einen ehemaligen Amischen, der den Rumspringern bei einem Austritt aus der Gemeinde hilft. Denn, so der Gedankengang, eigentlich will er sie ja der Gemeinde wieder zuführen ... Die Logik muss mir bitte nochmal genau erklärt werden. Dementsprechend landet Kate dann (wie immer *gähn*) wieder mal allein und schutzlos beim tatsächlichen Mörder und muss schon wieder um ihr Leben kämpfen.
Darüber hinaus war mir dann eins wirklich zu viel des Guten: Himmel, kann die Frau nicht ein einziges Mal nicht persönlich in einen Fall involviert sein?!? Irgendwann ist doch auch mal gut, irgendwann sind die Zufälle doch wirklich erschöpft, irgendwann langweilt diese Vorhersehbarkeit. Jetzt also Sadie, die Nichte des Schwagers ... Vielleicht wäre ein längerer Urlaub für Kate ganz gut, oder eine Fortbildung zum Thema "gesunde Distanz".

Also, insgesamt ist das leider ein Buch, das mich genervt hat beim Lesen. Es liest sich schnell und es ist sicher nicht schlecht, aber es ist im Vergleich zu anderen aus der Reihe schlechter und setzt die seit letztem Band bereits ersichtliche Abwärtsspirale noch weiter in Gang. Schade eigentlich.

Samstag, 7. September 2013

Alan Bradley - Flavia de Luce. Mord im Gurkenbeet

Bishop's Lacey, ein idyllisches Dörfchen in England. Hier lebt Familie de Luce in einem heruntergekommenen Herrenhaus. Die Familie, das sind Colonel de Luce, passionierter Briefmarkensammler und Witwer, nebst seinen drei Töchtern. Deren jüngste ist Flavia, eine elfjährige Hobbychemikerin, die eines Morgens im Gurkenbeet über eine Leiche stolpert. Die kleine Nervensäge beschließt, diesem Mord auf den Grund zu gehen, was noch verschlimmert wird, als ausgerechnet ihr Vater als Mordverdächtiger in den Fokus der Polizei gerät ...

Ich habe diese Buch ja als Gewinn beim Welttag des Buches verlost und jetzt gibt es auch endlich die dazugehörige Rezension ;-) Anfangs war ich von dem Buch nicht so sehr begeistert, das lag einfach daran, dass ich so irritiert war von den Vorschusslorbeeren. Der englische Verlag hatte die Rechte am Buch aufgekauft, nachdem Bradley erst das erste Kapitel geschrieben hatte, deshalb hatte ich erwartet, einen absoluten Kracher serviert zu bekommen. Den liefert dieses Kapitel aber so gar nicht, sondern führt einfach nur Flavia ein, die eine durchaus interessante Hauptfigur ist. Ihre Neugier, ihr Forschergeist und ihr ständiger Clinch mit den älteren Schwestern - das hat durchaus etwas zum Wiedererkennen, sie steht an der Schwelle zur Pubertät und geht anderen Leuten gelegentlich ziemlich auf den Keks. Gleichzeitig ist sie eine passionierte Chemikerin und nutzt ihre Kenntnisse auch durchaus zu Racheplänen, was im Roman allerdings weniger gemein als einfach nur sehr skurril wirkt. Dass sie auf dem Titelbild so stark an Wednesday Adams erinnert - ich weiß nicht genau, was ich davon halten soll. Ein bisschen stimmt es natürlich, aber für mich ist Flavia dann doch in vielen Wesenszügen so anders. Was aber passt, das ist der morbid-charmante Flair, den die Adams-Familie verströmt und der sich auch in diesem Buch einfach wiederfindet. Wer diese Mischung zu schätzen weiß und es bisher noch nicht getan hat, der muss unbedingt auch mal in das Haus de Luce schauen ;-)

Christoph Schlingesief - So schön wie hier kann's im Himmel gar nicht sein! Tagebuch einer Krebserkrankung

Wie ihr seht, ist diese Rezension ein wenig anders als alle anderen auf diesem Blog. Das liegt vielleicht vor allem daran, dass es dieses Buch einem sehr schwer macht, einfach nur zu sagen "dieses Buch ist super, lest es".

Ich habe das irritierende Glück gehabt, Christoph Schlingensief kennenzulernen. Nein, wir waren keine besten Freunde oder dergleichen, aber ich habe zumindest ein paar nette Anekdoten, die ihn einschließen, und mit ihm mehr als einen Satz gewechselt. Das alles war nur kurz vor seiner Krebserkrankung und vielleicht habe ich deshalb sehr lange einen Bogen um dieses Buch machen müssen, weil ich es so persönlich finde und das Gefühl hatte, nicht das Recht zu haben, in sein Leben so einzudringen. Das klingt vielleicht komisch, wenn man bedenkt, dass er das Buch schließlich veröffentlich hat, aber es war einfach ein seltsames Gefühl, das Buch letztlich in die Hand zu nehmen.

"Tagebuch einer Krebserkrankung", das klingt so nach Selbsthilfebuch. Nach "der große Schicksalsroman", der in der Frau im Spiegel wochenweise veröffentlich wird. Wer so etwas erwartet, wird hier ein wenig enttäuscht werden. Im Gegenzug zu allen Erwartungen ist das kein Buch, bei dem sich ein Aktionskünstler in den Mittelpunkt stellt, sondern eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit der Diagnose Krebs. Es ist ein Wüten und Toben, ein Fluchen und Schreien - und gleichzeitig immer wieder ein Lachen und Leben. Es ist der Versuch, weiterzumachen und sich mit diesem Krebs auseinanderzusetzen. Schlingensief hadert mit seinen Glauben, ohne sich zum neuen Hiob zu stilisieren. Er bleibt er selbst und trotzdem merkt man eine Veränderung an ihm. Während er am Anfang noch "Kunst" aus der Krankheit zu machen versucht, wird es im Laufe des Buchs immer mehr zu einem Teil seiner selbst und ist dann sehr viel kürzer und "normal" in Sätzen wie "Ich will nicht so jung sterben." Denn genau darum geht es, diese Angst vor dem Sterben. Das klingt jetzt deprimierend, dabei ist es das Buch gar nicht. Es ist bewegen und erschütternd, vielleicht auch gerade, wenn man vor Augen hat, dass all dies letzten Endes nichts genutzt hat, sondern Schlingensief ein Jahr nach Veröffentlichung doch gestorben ist. Ich wollte jetzt schreiben "dem Krebs erlegen" - aber genau das ist er nicht. Vielleicht ist das die beste Lehre, die man aus diesem Buch ziehen kann, dass man nicht erliegt, sondern es sich trotz allem einfach lohnt, weiterzuleben mit all seinem Hader, all seinen Ängsten und all seinen Leidenschaften. Was soll man also zu so einem Buch in nur einem einzigen Satz schreiben, wenn es schon so viele Buchstaben braucht, nur einen kurzen Einblick zu geben?

Eoin Colfer - Artemis Fowl. Das Zeitparadox

Artemis Fowl steht im sechsten Band von Eoin Colfers Reihe vor einem ganz gewaltigen Problem. Seine Mutter ist an einer tödlichen Umweltseuche erkrankt. Um das einzige Heilmittel zu produzieren, ist eine ganz bestimmte Lemurenart vonnöten, die jedoch vor einigen Jahren erfolgreich ausgelöscht wurde - von niemand anderem als Artemis selbst. Mit Hilfe seiner Freunde aus dem Erdreich reisen Artemis, Butler und natürlich Holly Short zurück in die Vergangenheit, um den zehnjährigen Artemis Fowl zu stoppen. Was sie nicht ahnen: ausgerechnet Erdlands größte Verbrecherin Opal Koboi, ist ebenfalls auf der Suche nach den Lemuren. Und damit beginnt eine völlig paradoxe Reise durch die Zeit, die das Leben aller Beteiligten verändert haben werden soll ...

Ich liebe die Artemis-Fowl-Bücher wegen ihres doch sehr absurden Humors und vor allem dieser völlig skurrilen Technik-Elfenwelt, die Colfer kreiert hat. Das gepaart mit Artemis, dem einerseits größten Meisterdieb der Welt und andererseits dem vermutlich von der Familie am meisten abgelenkteste Teenager überhaupt, ist einfach eine Kombination, die mir beim Lesen Spaß macht. In diesem Ban prallt jetzt meine Begeisterung auf so ziemlich das, was ich an Romane fast gar nicht abkann: Zeitreisen. Ich bin geistig einfach nicht in der Lage, Zeitreisen zu erfassen und hasse die goldene "verändere nichts"-Regel, denn schließlich veränderst du ja bereits durch dein bloßes Zurückreisen eigentlich das, was passieren würde, würdest du es nicht tun ... Ach, ich weiß auch nicht, ich mag Zeitreisen einfach nicht so. Hier im Buch ist es ganz nett gelöst, weil die anderen Bücher effektiv nur auf diesen gewartet haben, um überhaupt existieren zu können, auch wenn man sich das bisher nicht hat vorstellen können. Die Geschichte fügt sich nahtlos in die Vorgänger (die ja eigentlich sozusagen Nachfolger sind) ein. Mir kommen aber diesmal irgendwie die typischen Artemis-Momente ein bisschen zu kurz, ich hatte beim Lesen weniger oft mein Grinsen auf dem Gesicht, das ich bei den Vorgängern getragen habe. Von daher: klar, man sollte das Buch lesen, wenn man die Reihe logisch fortsetzen will, als Einstieg ist es aber nicht geeignet, weil einem dafür ein bisschen zu viele Zusammenhänge fehlen

Mittwoch, 4. September 2013

Hjorth & Rosenfeldt - Die Frauen, die er kannte

In Stockholm werden Frauenleichen gefunden. Alle Frauen wurden in ihrem Haus überfallen, vergewaltigt und ermordert. Der Mörder hatte ihnen altbackene Nachthemden angezogen und jeder, der auch nur kurz bei der Polizei ist, erinnert sich automatisch an Edward Hinde, den Serienmörder, der vor zehn Jahren Stockholm in Angst versetzte. Doch Hinde sitzt in seiner Einzelhaft und hat keinen Kontakt nach draußen. Als sich herausstellt, dass das letzte Opfer nur kurz vor ihrem Tod einen One-Night-Stand mit Sebastian Bergmann hatte, kommt der Reichsmordkommission eine Idee: handelt es sich etwa tatsächlich um eine Racheaktion Hindes an Sebastian, der ihn damals hinter Gitter brachte?

Vom ersten Roman war ich ja ziemlich begeistert und auch der zweite war, meiner Meinung nach, sehr gut. Wenn auch nicht mehr ganz so gut wie der Vorgänger, denn die Privatgeschichten der Figuren machen hier jetzt doch einen ziemlichen Anteil am Buch aus. Beeindruckt hat mich dabei allerdings, dass die Autoren es wagen, die Figuren weiterzuentwickeln. Billy z.B. wird durch seine neue Freundin ermuntert, seinen Platz im Team zu erweitern, was natürlich Auswirkungen auf die Beziehungen zu seinen Kollegen hat. Auch Sebastians Charakter wird stärker entwickelt, seine manipulative Seite kommt stark heraus. Sebastian hat es sich in den Kopf gesetzt, seine Tochter, von der er am Ende des ersten Bands erfahren hat, mit ihm zusammenzuführen und einen Keil zwischen sie und ihren Vater zu treiben. Dabei geht er im Notfall über Leichen, so will es scheinen, und manchmal weiß man als Leser wirklich nicht, ob man ihn auch nur noch im geringsten bedauern kann für sein Trauma. Eher wirkt es so, als würde er seine tote Tochter Sabine gegen seine neue Tochter austauschen wollen - ob die will oder nicht. Rücksichtslos, egoistisch und verletzend geht er vor, kann man diesem Mann auch nur etwas Positives abgewinnen? Vielleicht, denn er ist auch durchaus in der Lage, nett zu sein, er übernimmt Verantwortung und versucht alles, um Hinde zur Strecke zu bringen und andere zu schützen. Dieser Mann ist tief gespalten, das macht das Buch so spannend!

Dienstag, 3. September 2013

Willi Fährmann - Es geschah im Nachbarhaus

Das Rheinland um 1880. Als der kleine Jean ermordet wird, ist man ist in der Statd schnell einig, wer der Mörder ist. Es muss einfach der Viehhändler Waldhoff gewesen sein. Der ist doch sowieso Jude und dementsprechend ist ihm alles zuzutrauen. Während Waldhoffs Familie immer mehr ausgegrenzt wird, steigen die antisemtischen Vorurteile in der Stadt immer mehr an - bis Karl Ulevis, der Schulfreund des Sohnes Wahlhoff, völlig allein auf der Seite der Waldhoffs steht ...

Willi Fährmann legt seinem Buch einen realen Fall aus dem Rheinland zugrunde und entwirft tatsächlich ein sehr stimmiges Sittengemälde. Was ich jedoch nicht so gut fand am Buch, war die Tatsache, dass er diese historischen Abhandlungen schon sehr plakativ wirken lässt. Die Suche nach dem Mörder ist spannend gedacht, wird jedoch wirklich betulich erzählt und dadurch geht einiges an Spannung verloren. Als Buch über die Funktion von Sündenböcken mag es interessante Anreize bieten, als spannendes Jugendbuch habe ich bereits besseres gelesen.

Wohnen im Norden - Hamburger Hafenrundfahrt

Kommt man eigentlich darum herum, wenn man in den Norden zieht? Ich glaube nicht, deshalb war es für mich und meinen Mann fast logisch, mich Landmurmeltier zu einer Seeratte zu machen und den Hamburger Hafen zu erkunden. Es hat sich gestern angeboten, dass das Miniatur-Wunderland ein Sonderangebot hatte, bei dem Ticket für die Hafenrundfahrt, Eintrittskarte zu den Modelleisenbahnen und Sonderführungen im Wunderland eingeschlossen waren :-)

Das Wetter sah erstmal alles andere als gut aus, ich hatte ziemlich Panik, jetzt eine Stunde auf diesem Kutter ausharren zu müssen. Ich habe sehr gerne festen Boden unter den Füßen und mag Wasser einfach nicht so sehr. Pünktlich zum Ablegen brach dann jedoch die Sonne durch und es wurde ein unglaublich schöner Abend im Hafen, der uns von unserem Kapitän ziemlich kurzweilig gestaltet wurde. Fast eineinhalb Stunden lang schipperten wir über die Elbe und bekamen erstmal ziemlich alle Informationen über Containerumschlag, Werften und Schleusen. Außerdem über sündhafte Quadratmeterpreise in Hafen-City und stillstehende Bauten wie die Elbphilharmonie. Notiz an mich: enthalte dich in Zukunft jeglichen Kommentars über diese Gebäude, das ist ein Politikum sonders gleichen. Ein wenig bearbeitet sieht das Foto von ihr aber gar nicht schlecht aus ;-)

Ein besonderes Highlight: die Queen Mary lag grade mal wieder vor Anker. Neben so einem Riesen fühlt man sich auf einem Touristenboot noch unsicherer und hofft, dass es keinerlei Wellenbewegung mehr gibt. Das Auslaufen haben wir diesmal ausgelassen, werden es aber irgendwann nachholen. Ich liebe nämlich Feuerwerk ;-)









Montag, 2. September 2013

Elisabeth Herrmann - Zeugin der Toten

Judith Keppler ist Tatortreinigerin. Ihre Aufgabe besteht darin, die Schauplätze von Verbrechen wieder zu säubern und die Spuren der Toten zu beseitigen. Eines Tages stößt sie bei einem Arbeitseinsatz auf einen seltsamen Fund. Es ist ihre eigene Akte aus dem Kinderheim, in dem sie gelebt hat, und die angeblich nicht mehr auffindbar ist. Wie kommt der unbekannte Tote an das Schriftstück? Judith beginnt mit Nachforschungen und stolpert schon bald in eine Geheimdienstaffaire, die ihren Ausgangspunkt 1985 auf Rügen genommen hat ...

Ich bin mit diesem Buch einfach nicht warm geworden. Das lag einerseits daran, dass mir Judith als Figur relativ egal bis unsympathisch war und ich keine Beziehung zu ihr aufbauen konnte. Viel schlimmer war jedoch, dass mich der Klappentext des Buchs völlig im Unklaren darüber gelassen hat, dass ich hier einen Spionageroman lese. Ich war eingestellt auf einen Krimi mit Ausflügen in die DDR-Geschichte, letztlich war es aber ein ziemlich verwirrender Agentenroman, in dem ich mich dann wirklich verloren gefühlt habe. Die Auflösung erschien mir unlogisch und wenig nachvollziehbar, was auch einfach nur daran liegen kann, dass ich wirklich vor lauter Springen in den Zeitebenen und verschiedenen Agenten durcheinander gekommen bin. Für mich als Buchfan alles Dinge, die nicht unbedingt dazu führen, dass ich ein Buch gerne lese oder nochmal lesen will, denn hier verpufft die Spannung einfach zwischen kompliziertem Aufbau. Ich mache mir auch grade Sorgen, ob andere Bücher von ihr auch so sind, denn zwei weitere habe ich hier noch stehen ...

Sonntag, 1. September 2013

Hjorth & Rosenfeldt - Der Mann, der kein Mörder war

In Västerås sucht die Polizei dilettantisch nach einem verschwundenen Teenager - und kurz darauf stolpern Pfadfinder über dessen Leiche. Er wurde erschlagen und sein Herz herausgerissen - ein Ritualmord? Die Reichsmordkommission unter Führung von Torkel Höglund soll den Fall übernehmen und reist in die schwedische Provinz. Dort taucht ein alter Bekannter auf. Ausgerechnet Sebastian Bergmann, Kriminalpsychologe und Arschloch par excellence. Seit er sich vor einigen Jahren aus der aktiven Polizeiarbeit zurückgezogen hat, hatte Torkel keinen Kontakt mehr zu seinem alten Bekannten. Doch plötzlich steht der bei ihm im Büro und bittet darum, ihn mitarbeiten zu lassen. Dass Sebastian eigentlich ganz andere Dinge im Sinn hat, als einen Mörder zu stellen, ahnt die Kommission nicht, Torkel gibt ihm eine Chance. Und obwohl Sebastian wohl sämtliche Ermittlungsgrundsätze als Teppichersatz verwendet, wird er schon bald wichtig für die Suche nach einem Mann, der kein Mörder war ...

Chapeau, die Herren Hjorth und Rosenfeldt. Ich habe einen Thriller noch nie so gerne gelesen, obwohl ich von seiner Hauptfigur so abgestoßen war. Mit Sebastian Bergmann wurde eine Figur geschaffen, die in allem, was sie tut, unsympathisch und arschig handelt, gleichzeitig aber in den Motiven durchaus nachvollziehbar gestaltet ist. Sebastian trägt ein ziemlich dickes Bündel an psychologischen Problemen mit sich herum, die von den Autoren aber nie als Entschuldigung herangezogen werden. Er ist einfach ein Arsch und benimmt sich so rückhaltlos egoistisch wie keine Figur vor ihm. Auch die übrigen Personen der Ermittlergruppe sind glaubwürdig gezeichnete Menschen mit Charakterschwächen und Persönlichkeit. Egal, ob es der geschiedene Torkel mit seiner Affäre Ursula, die ehrgeizige Vanja oder der zurückhaltende Billy sind, sie alle sind ein eingespieltes Team, das in diesem Buch funktioniert und den Leser interessiert. Dazu kommt eine wirklich gut ausgedachte Geschichte, die am Ende mit einer sehr anderen Auflösung aufwartet, als am Anfang gedacht. Der Cliffhanger am Ende macht Lust auf den zweiten Teil, den ich euch diese Woche noch vorstellen werde. Alles in allem ein Buch, das wirklich Begeisterung bei mir ausgelöst hat und trotz des skandinavisch-depressiven Untertons ganz anders ist als z.B. ein Wallander-Roman ;-)

David Safier - Mieses Karma

 Kim Lange ist erfolgreiche Fernsehmoderatorin, verheiratet und hat eine kleine Tochter. Nach außen hin eigentlich ein perfektes Leben, doch tatsächlich knirscht es gewaltig im Gebälk. Ihr Ehemann will sie verlassen, die Tochter kennt sie nur vom Bildschirm, und als sie endlich den Deutschen Fernsehpreis erhält, wird sie auch noch von den Überresten einer russischen Raumstation erschlagen. Doch es gibt Hoffnung. Kim wird wiedergeboren, doch ihr Karmakonto ist tief in den roten Zahlen und so findet sich Kim in einer Kolonie von Sechsbeinern wieder, die einen dicken Hintern haben und Kuchenkrümel schleppen. Ein Leben als Ameise kann sie sich allerdings nicht vorstellen, allein schon, weil sie in dieser Größe kaum verhindern kann, dass ihr Mann sich mit einer neuen Gattin tröstet. Also muss sie Karmapunkte sammeln, auf Wiedergeburt hoffen und so ihr altes Leben irgendwie regeln. Dass ihr dabei ausgerechnet ein gewisser Giacomo Casanova hilft, vergrößert das Chaos eher ...

Ja, was soll man sagen? Die Ausgangsbasis des Buchs ist, wie immer bei Safier, extrem lustig. Und diesmal schafft er es auch eher, ein lustiges Buch zu schreiben, allerdings hält er das nicht lange durch. Etwa ab der Hälfte wird die Geschichte einfach immer dünner und flacher, auch Casanovas Fußnoten reißen da nicht mehr viel raus. Der Witz versickert irgendwo in diesen Seiten, weil sich sehr viel wiederholt. Darüber hinaus schafft Safier es einfach nicht, seine "die inneren Werte zählen"-Botschaft so zu verpacken, dass sie nicht übergestülpt wirkt. Kim ist das gesamte Buch über eine unsympathische, egoistische Meisterzicke, und ehrlich, ich gönne ihrem Mann die Neue an seiner Seite ganz extrem. Das Buch kann ganz witzig sein in einer Situation, in der man nicht großen Wert auf Tiefsinn liegt und es im Notfall auch nicht weiter mit sich herumschleppen will. Ein typisches Strandbuch, meiner Meinung nach, das dem Hirn nicht so weh tut wie andere des Autors ;-)