Samstag, 28. Dezember 2013

[Rezension] Jussi Adler Olsen - Erwartung

Marco ist um die vierzehn Jahre alt und schlau. Viel zu schlau für die Bande von Taschendieben und Einbrechern, der er seit seiner Kindheit angehört. Als er endlich die Chance zur Flucht nutzt, ist es fast zu spät, doch er schafft es, seinen Verfolgern zu entkommen. Dabei stolpert er jedoch über eine verwesende Leiche. Einige Zeit später hat sich Marko ein neues Leben aufgebaut und findet eine Vermisstenanzeige für einen verschwundenen Beamten. In ihm glaubt er die Leiche zu erkennen - und bevor er seinen nächsten Schritt planen kann, wird er von seinen Verfolgern entdeckt. Plötzlich scheint die ganze Welt hinter ihm her zu sein, denn Marko ist ohne es zu wollen in einen ausgeklügelten Plan gestolpert, in dem es um Unterschlagung von Entwicklungszuschüssen und andere krumme Geschäfte geht ...

Merkt ihr was? Man kann das gesamte Buch zusammenfassen, ohne ein einziges Mal die Ermittler des Sonderdezernats Q erwähnen zu müssen. Dabei haben wir hier Band 5 der Serie vorliegen und dieses Mal war ich während des Lesens einfach extrem enttäuscht. Mein Verdacht ist wirklich, dass Adler Olsen nicht eingefallen ist und er deshalb in einen existierenden Romanentwurf zu einem normalen Action-Thriller einfach gelegentlich eine Passage geschrieben hat, in der mal die Namen von Morck, Assad und Rose fallen. Effektiv tun die drei in diesem Fall mal so gar nichts - und das liegt nicht nur daran, dass sie dank eines Personalwechsels in der Chefetage plötzlich mit deutlich mehr Gegenwind zu rechnen haben als bisher. Zentrale Hauptfigur dieses Buchs ist eindeutig Marko, der aber trotz allem irgendwie merkwürdig glatt und bilderbuchmäßig die Rolle des geläuterten Jungen spielt, der ein neues Leben beginnen will. Aber gut, darüber könnte man noch hinwegsehen, wenn es für den Leser ein wenig Rätselmöglichkeiten gäbe und man selbst herausfinden könnte, warum die alle hinter ihm her sind. Doch Adler Olsen hat sich dafür entschieden, den Leser von Anfang an über alles zu informieren. So folgt man denn erst einmal einer Handlung in Afrika und im Ministerium, die einem sehr genau über sämtliche Vergehen informiert. Das würde bei einem normalen Thriller bestimmt gut funktionieren, bei einem Krimi, der eben auch auf der Frage nach dem "Warum?" fußt, führt es aber dazu, dass das Buch sehr schnell langweilig wird, weil ich als Leser zu viele Informationen habe. Was ich an denen zu viel habe, habe ich dafür an eigentlichen Hauptfiguren rund um das Kommissariat zu wenig. Mit dem "Spion" gibt es zwar eine nette neue Figur, die insgesamt aber auch blass bleibt, und ein wenig lüftet sich das Geheimnis um Assad (aber ganz ehrlich, das ist dann doch ein wenig sehr unrealistisch geraten!) - aber verdammt, ich will den Adler Olsen der ersten drei Bände zurück, in denen er sich selbst weniger ernst genommen hat und seine Figuren wirklich gezeichnet hat, statt sie einfach nur von Abziehbildern zu kopieren. Das Buch ist gut gewollt und leider weniger gut gekonnt - schade. Lassen Sie sich mehr Zeit, Herr Adler Olsen, Ihre Leser werden gerne warten, wenn sie dafür mit stärkeren Büchern entlohnt werden ...

Dienstag, 24. Dezember 2013

[Rückblick] Meine Bücher 2013


So, das Jahr neigt sich dem Ende zu und damit ist es an der Zeit, einen Rückblick zu starten. Das Lesejahr 2013, was habe ich daraus mitgenommen?

Erst einmal, dass ich dieses Jahr doch gar nicht so viele Krimis gelesen habe, wie ich dachte - mich aber dennoch übersättigt fühle. Deshalb werde ich nächstes Jahr auch definitiv eher meinen SUB abbauen als an anderen Challenges teilzunehmen (obwohl, so ein paar habe ich im Hinterkopf). Was mich ehrlich freut: ich habe es geschafft, zu nahezu jedem Buch eine Rezension zu verfassen oder sie zumindest schon geplant zu haben, ein paar Bücher fehlen einfach noch. Wenn ihr das Dashboard dieses Blogs sehen könntet, ihr würdet weinen, was noch auf euch zukommen soll :-p

Insgesamt waren es in diesem Jahr (bislang) 106 Bücher, eventuell wird noch "Eichmann in Jerusalem" als 107. Buch dazukommen. Das sind zwanzig Bücher weniger als letztes Jahr - ich merke wirklich, dass ich inzwischen einen normalen Beruf habe und wenig Zeit zu lesen.

Highlights in diesem Jahr waren irgendwie sehr spärlich gesät, aber ein absolutes war definitiv "Der Kinderdieb" von BROM, die Peter-Pan-Variation, die mich immer noch beeindruckt. Nicht zuletzt auch wegen der großartigen Illustrationen des Autors. Auch andere, hier besprochene Bücher, waren großartig, alle aufzuzählen wird schwer. Ich danke jedenfalls den Herren Hjorth und Rosenfeldt dafür, einen schwedischen Krimi zu erzählen, der nicht die Schlechtigkeit Schwedens und der Welt im Allgemeinen in den Mittelpunkt rückt, sondern den Mut hat, einen Unsympathen zur Hauptfigur zu machen.

Schlimmer waren da diese Tiefpunkte zu verkraften, allen voran "Das fremde Haus" von Sophie Hannah - auf diese Rezension dürft ihr euch freuen, versprochen, da wachse ich grade über mich hinaus, je öfter ich das Buch anschaue. Den Cody hat sich die Autorin redlich verdient!

Das Lesejahr 2014 soll bitte genauso spannend, überraschend und enttäuschend werden wie dieses Jahr, das ist mein größter Wunsch!

Frohe Weihnachten!!!

Genießt die Feiertage, verbringt Zeit mit allen, die ihr um euch habt, und kommt im nächsten Jahr wieder. Fröhliche Weihnachten!!!

Marko Leino - Wunder einer Winternacht

Bis ungefähr vor vier Jahren (als meine Nichte alt genug wurde Weihnachten bewusst zu erleben), lief das Weihnachtsfest in meiner Familie sehr einfach ab: Wir aßen Bratwurst und Sauerkraut, spülten gemeinsam ab, betraten das Wohnzimmer und öffneten unter dem Christbaum die Geschenke. Soweit, so normal. Aber seit meine Schwester und ich aus dem Playmobil-Alter waren, saß die gesamte Familie nach dem Auspacken auf dem Sofa und las in den neuen Büchern. Ja, Leseleidenschaft wird durch Vorbilder verstärkt. Kein Wunder, dass ich Bücher automatisch mit Weihnachten assoziiere und so gibt es heute am Weihnachtstag denn auch ein Weihnachtsbuch vorgestellt: "Wunder einer Winternacht" von Marko Leino.

Das Buch handelt vom kleinen Nikolas, der mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester Ada in einem winzigen Dorf am Polarkreis lebt. Eines Tages kommt seine Familie bei einem Wintersturm ums Leben und die Dorfbewohner stehen vor der schweren Frage, wohin mit Nikolas. Sie beschließen, dass er fortan jeweils ein Jahr bei einer Familie leben und immer am Weihnachtsabend in die nächste weiterreisen soll. Auf die Weise kümmert sich das ganze Dorf um ihn und Nikolas zeigt seine Dankbarkeit, indem er fortan an jedem Weihanchtstag den Kindern der Familie, die ihn aufgenommen hatte, kleine Holzfiguren hinterlässt. Nach sieben Jahren kommt er in die Lehre zu dem verschrobenen und unfreundlichen Tischler Isakki. Der möchte seinem Lehrling gerne verbieten, die blödsinnigne Geschenke zu verteilen, doch letztendlich packt er gmeinsam mit ihm den Schlitten voll...

Das Buch ist eine wunderbare Weihnachtsgeschichte. Sie ist herzerwärmend, ohne kitschig zu werden - denn dafür hat sie zu viele gute versteckte Nebengags dabei, die einen beim Lesen Schmunzeln lassen. So etwa der lange weiße Bart, der Nikolas im Laufe seines Lebens wächst. Oder die Tatsache, dass das Buch in 24 Türchen aufgeteilt ist, die das Lesen noch interessanter machen. Wie ein Adventskalender macht es Stück für Stück mehr Lust auf Weihnachten - und wer es durchhält, das Buch nur kapitelweise zu lesen, der hat eine wunderschöne Vorweihnachtszeit. Das Buch ist trotz der teilweise wirklich traurigen Geschichte unglaublich humorvoll, sehr warmherzig und irgendwie duftet es im Zimmer nach Zimt, ohne dass man weiß, warum. Das liegt nicht zuletzt an der Sprache, die sehr einfach, dafür aber immer mit den richtigen Worten daherkommt, die den Leser einfach mitnimmt in diese Welt am Polarkreis, in der so ein Wunder in der Weihnachtsnacht bestimmt möglich ist, wenn man nur fest genug dran glaubt.
Für das nächste Weihanchten empfehle ich daher einen kleinen Besuch beim Buchhändler, eine warme Decke, eine weiche Couch und heiße Schokolade. Das stimmt mit Sicherheit auf den Abend ein.

Donnerstag, 19. Dezember 2013

J.R.R. Tolkien - Der kleine Hobbit

In einem Dorf neben einem Berg, da lebte ein Mädchen. Es war ein kleines Dorf, in dem sich die Menschen kannten, und das Mädchen wusste eines genau: da draußen gibt es noch anderes. Warum es das wusste? Weil es las. Es las sich fest an Büchern, die es in fremde Welten entführten, ihm Gestalten zeigten, die nie jemand sich hätte vorstellen können. In einem dieser Bücher fand es eine Höhle mit einer runden Tür. Es war eine gemütliche Höhle und in ihr wohnte ein Hobbit. In diesen Hobbit verliebte sich das kleine Mädchen und wäre am liebsten immer bei ihm geblieben. Doch je älter es wurde, desto seltener suchte es den Hobbit auf, weil es immer mehr dieser fremden Welten fand und immer seltener das Buch des Hobbits zur Hand nahm.
Doch dann, eines Dezembertags entschied das Mädchen, das inzwischen eine Frau geworden war, dass es dem Hobbit einen Besuch abstatten musste. Und kaum hatte sie das Buch betreten, da fühlte sie sich wie ein Kind und entdeckte in dem alten Buch so viele neue Dinge, dass es beschloss, von nun an wieder ganz regelmäßig einen Tee mit Bilbo Beutlin zu trinken. Das war der Name des Hobbits.

Ich kann nicht objektiv sein, wie ihr seht. Dieses Buch ist Schuld daran, dass ich lese. Und auch, wenn ich heute sagen würde, dass es gelegentlich ein wenig zu kurz ist, dass so viele Dinge nur angedeutet sind - das würde ich nie laut sagen. Ich kann immer noch - so wie zweimal letzte Woche - ins Kino gehen und mir "Smaugs Einöde" ansehen (der nebenbei, ganz subjektiv, großartig ist und den ich immer und immer sehen will!), wenn ich noch mehr Details haben möchte. Ich danke Peter Jackson, dass er Tolkiens Werk mit meinen Bildern gefüllt hat, und ich danke Tolkien selbst, dass er geschrieben hat und mir ermöglich hat, in diese Welt zu gleiten. Wenn ich jemals als Romanfigur geboren werden sollte - dann bitte im Auenland, lässt sich das einrichten?

Montag, 16. Dezember 2013

Lucinda Riley - Das Orchideenhaus

Achtung, die folgende Rezension enhält diverse Spoiler!!!

Ich hatte am Wochenende sehr viel Zeit, denn schließlich nahen die Ferien, und so dachte ich, ich greife doch endlich mal zu einem Buch vom SUB und sorge für seinen Abbau. Auf Krimis hatte ich keine Lust, auf hohe Literatur auch nicht, also ein Roman, der seit fast zwei Jahren bei mir liegt und den ich immer in der Hand hatte, dann aber doch wieder weggelegt habe. Ich muss eine Vorahnung gehabt haben, dass das Schicksal der dunkelgelockten mandeläugigen Julia Forrester nicht so das Wahre ist. Doch der Reihe nach.

Wir begegnen am Anfang des Romans einer gebrochenen Julia. Einsatz tragische Klaviermusik  Warum sie gebrochen ist, erfahren wir nicht so richtig, irgendwie aus dem Zusammenhang schließen wir, dass jemand in ihrer näheren Verwandtschaft gestorben sein muss. Deshalb wohnt Julia jetzt in einem zugigen Cottage - das aber als Ferienhaus vermietet wurde - irgendwo in England. Ihre Schwester Alicia kümmert sich rührend um sie und päppelt sie, ganz wie es die "große-Schwestern"-Tradition will, hoch. Deshalb fährt sie mit Julia auch nach Wharton Park. Dort lebten ihre Großeltern Elsie und Bill, der als Gärtner für die Orchideenzucht der Hausherrin verantwortlich war. Die beiden Schwestern hatten früher die Ferien dort verbracht, aber nur Julia hatte wirklichen Bezug zu ihrem Großvater und seinen Blumen. Doch nun wird das Anwesen verkauft und die Inneneinrichtung versteigert - ideale Möglichkeit, ein Geburtstagsgeschenk für den Vater zu finden. Alicia erwirbt eine Vase und Julia trifft auf Kit. Kit, eigentlich Christopher, ist der Besitzer des Anwesens und bereits beim ersten Treffen blinkt das unsichtbare "Achtung, Seelenverwandte!" über die Buchseiten. Klavier nun leicht und beschwingt  Sie mögen sich so sehr, dass Kit kurze Zeit später vor Julias Tür steht, um ihr ein Buch zu überreichen. Das alte Tagebuch fand er bei den Renovierungsarbeiten am Gärtnerhaus unter den Bodendielen - es scheint von Julias Großvater zu stammen. Nun also entbrennen beide in unendlicher Liebe zueinander, die sie sich aber nicht eingestehen. Kit halt so nicht, Julia, weil sie ja immer noch ihren Schicksalsschlag zu verarbeiten hat. Jetzt erfahren wir auch: ihr Mann und ihr Sohn starben vor einem Jahr bei einem Autounfall. Julia hat ihre Karriere als Konzertpianistin nahezu aufgegeben und sich zurückgezogen. Erste tragische Rührung des Lesers vorprogrammiert.

Doch nun ist es erst einmal an der Zeit, die Oma zu besuchen und mit dem Tagebuch zu konfrontieren. Kaum hat Julia deren Haus betreten, plappert die alte Dame auch schon los wie ein Wasserfall und erzählt die Geschichte von Olivia. Olivia ist ein junges Mädchen, das 1939 kurz vor dem Ausbruch des Kriegs in die Gesellschaft eingeführt wird. Ihre Eltern sind Bekannte der Besitzer von Wharton Park und hier lernt Olivia Harry kennen, den Sohn des Hauses. Ach ja, Olivia ist natürlich eine Seele von Emanzipation und Klassenirritation, welch Überraschung. Bitte ein bisschen Swing, nicht zu viel, nur dezent.  Nach einigen Bällen dann treffen sich Olivia und Harry auf einem Ball in Wharton Park wieder und er küsst sie. Olivia entbrennt in Leidenschaft und verbringt den Sommer dort. Immer wieder möglichst dramatische Closeups auf Olivia.  Harry ist sehr distanziert, aber nachdem er dann mit seiner Mutter gesprochen hat, macht er Olivia einen Heiratsantrag, weil sie doch so gut nach Wharton Park passt. Doch das junge Glück erlebt eine Trübung. Zunächst, weil Harry nicht mit seiner inzwischen Angetrauten schlafen will. Und schließlich als Olivia ihn in leidenschaftlicher Umarmung mit einem Dichterfreund trifft. Abspann Lindenstraße!!!  Ich sollte erwähnen, dass man diese Entwicklung ab Auftreten des Dichterfreundes bereits vor sich sieht. Aber nun gut, zunächst schmollt Olivia, bis Harry dann am Strand eine großartige Beichte ablegt, die mit "ich bin nicht schwul, nein, ich wollte testen, ob ich tatsächlich nicht schwul bin!" zusammengefasst werden kann. Olivia wird daraufhin schwanger, Krieg bricht aus, Harry kommt zum Militär. All dies, nebst sämtlicher Gefühlslagen Olivias erfahren wir also aus dem Mund von Julias Oma - wieso? Hätte Kit nicht einfach Olivias Tagebuch finden können? Aber dann hätte man ja nicht die Oma nach zehn Jahren mal besuchen fahren können.

Meine Lieblingsstelle folgt jedoch erst jetzt. Oma will nicht weitererzählen, weil sie erst das Tagebuch lesen will - aber sie verrät schonmal, dass es ein Familiengeheimnis gibt, das nicht nur Julias Familie betrifft. Huch, wer könnte da nur in Frage kommen? Julia fährt nach Hause und von einer Sekunde auf die andere erkrankt die Arme an der schwersten Grippe aller Zeiten. Kit steht plötzlich im Cottage. Die Szene ist wirklich genial! Wie würdet ihr reagieren, wenn ein quasi Fremder plötzlich in eurem Haus stünde? Klar, ihn zum Bleiben einladen! Also pflegt Kit Julia aufopferungsvollst und wird vom Arzt tüchtig gelobt. Dieses Gespräch wirkt wie direkt aus dem "Kleinen Lord" reinkopiert vor lauter "Eure Lordschaft" hier und "Sir" da. Und nun entbrennt auch Julia in Liebe. Doch kurze Zeit später sieht sie ihren Angebeteten mit einer Hochschwangeren. SchockschwerenotSteigerung der dramatischen Musik, Zoom auf Julias entsetztes Gesicht! Aber nein, es ist nur ein Missverständnis. Es ist nur eine alte Freundin, der Kit "ich rette sie alle" beisteht. Übrigens, auch Kit hat bereits jemanden verloren, seine drogensüchtige Exfreundin, um die er sich aufopferungsvoll kümmerte, dafür sein Studium der Medizin vernachlässigte Einsatz der Geígen!  woraufhin er nach ihrem tragischen Tod als Retter um die Welt zog, nepalesischen Waisen das Lesen beibrachte, Brunnen grub und ein Heilmittel gegen Aids entwickelte  Ein so guter Mensch muss einfach belohnt werden und so zieht Julia bei ihm ein in Wharton Park. Das steht immer noch zum Verkauf und bröckelt so vor sich hin. Aber hey, beide fühlen sich dem Gebäude soooooooooooooooo verbunden!

Mach belanglosem "allmählich öffne ich mich einem anderen Mann"-Seiten taucht endlich Oma wieder auf und erzählt nahtlos weiter. Der Krieg ist vorbei. Harry sitzt in Thailand, wo er sich von der Kriegsgefangenschaft erholt. Und er trifft Lidia. Lidia, die junge Thailänderin, seine große Liebe. Hier bitte wieder Geigen, aber mehr lieblich.  Harry wird Buddhist, Harry lernt Orchideen kennen und Harry will Lidia heiraten - aber ach, er ist gebunden! Welche Tragik! Also fährt er nach England und will Papi vor vollendete Tatsachen stellen. Adieu, Herrenhauserbe. Adieu, England. Adieu, Olivia. Ich bleib in Thailand. Gut, könnte man auch brieflich vorankündigen, aber dann entfällt doch die dramatische Überraschung zu Hause. Denn der Plan klappt nicht so ganz. Papi ist todkrank, der einzige potentielle Erbe erst zwei Jahre alt - und so leidet Harry lieber vor sich hin und schreibt reizende Briefe nach Bangkok. Bis diese nicht mehr beantwortet werden, weil Lidia verschwunden ist. Der kluge Leser rechnet an dieser Stelle die vergangenen Monate nicht nach, um sich die Überraschung zu erhalten!  Also wird Bill, der Wundergärtner nach Thailand geschickt, die verschwundene Geliebte zu finden. Und Blumenzwiebeln zu kaufen, kein Witz. Er findet nicht nur eine gar seltene Orchidee, sondern auch Lidia, die grade ein Kind entbunden hat und vermutlich im Sterben liegt. *zack* schon fährt er mit dem Kind im Gepäck zurück nach England, Elsie ist total begeistert - Bill kann nämlich keine Kinder zeugen - und Olivia bekommt die ganze Geschichte raus. Ihr erstes Kind hat sie verloren, das zweite Kind stirbt kurz nach der Geburt und als lauter Frust und Wut hat sie nie wieder Sex mit Harry. Der übrigens nichts von seinem Kind im Gärtnerhaus ahnt und dann mit Ende 40 stirbt. Erneuter Closeup auf Julias Gesicht!  Oho, welch Überraschung! Julia, die Tochter des unehelichen Kindes, ist die wahre Erbin des alten Kastens. Na bloß gut, dass Kit sie sich geangelt hat!

Aber halt, treuer Leser, noch liegen 150 Seiten Buch vor dir. Was könnte hier denn noch geschehen? Weitere dramatische Verwicklungen? So ungefähr. Oma Elsie teilt Julias Vater dann doch mal mit, dass ihre Tochter Jasemine nicht ihre Tochter war, der Vater nimmt es ... auf. Und wieder verabschiedet sich die Oma mit der Andeutung eines düsteren Familiengeheimnisses. (Julias Schwester ist adoptiert, hat also kein Anrecht auf Wharton Park) Ich sehe vor meinem inneren Augen bereits Raben, die sie umflattern, und den Sturmwind, der ihr Kleid aufbauscht ... Julia fährt erstmal nach Frankreich. Weil es jetzt an der Zeit ist, sich endlich mal mit dem Tod von Mann und Kind zu beschäftigen und das Haus zu verkaufen. Da sitzt sie jetzt also, als die Terrassentür sich öffnet und ....

Preisfrage: Was könnte nun geschehen?

a) Kit steht im Raum und entpuppt sich - den Andeutungen in der Krankenszene folgend - als frauenmordender Psychopath
b) die thailändische Oma kommt rein und Julia erfährt, dass sie außerdem die Enkelin des thailändischen Königs ist
c) ihr toter Ehemann steht im Zimmer, weil er gar nicht gestorben ist, sondern sich ein Jahr lang auf einer Apfelplantage in Italien aufgehalten hat

Die korrekte Lösung lautet: c. Der gefeierte Pianist Xavier kehrt zurück. Der Sohn ist leider immer noch tot und im Autowrack verbrannt, aber Xavier hat überlebt. Von Gram gebeugt, weil er den Unfall verursachte, versteckte er sich vor der Welt in Italien. Doch nun, genesen von allen körperlichen und seelischen Wunden, ist er wieder da, beruft eine Pressekonferenz ein und macht mit Julia im trauten Familienleben weiter. Ja, wie, fragt sich der Leser, und was ist mit Kit? Der edle Engländer gibt Julia frei. Ganz ohne Gespräch, denn er reagiert einfach nicht auf ihre Anrufe. Zicke! Julia ist irgendwie ... halt in Frankreich und lässt Xavier dann über sich rüberrutschen, weil sie ja verheiratet sind und so und überhaupt ... Fehlt euch da eine Emotion? So was wie Wut, weil sich dein Mann ein Jahr nicht bei dir meldet? Oder blanker Hass dafür, dass er seinen Tod vorgetäuscht hat? Doch nicht bei Julia. Zum Glück entpuppt sich der lebende Tote als egoistisches, alkoholkrankes Arschloch, das den Unfall im Suff gebaut hat, sodass Julia beruhigt wieder zu Kit zurückkehren könnte. Aber zuerst fliegt sie nach Bangkok, denn inzwischen hat Oma Elsie noch etwas gebeichtet: Lidia ist gar nicht tot, sondern sozusagen eine Brieffreundin von Oma. Also treffen sich Thailandoma und Julia und stellen fest: Ui, wir sehen uns ja total ähnlich! Und weil Julia ihrer Mutter so ähnlich sieht, ist klar, dass auch die aussehen muss wie Lidia. Und jetzt sind wir bei der spannenden Frage: wieso kam weder Lidia noch irgendjemand in Wharton Place auf die Idee, dass Lidia vielleicht nicht die Tochter von Elsie und Bill ist, wenn sie so thailändisch aussah wie hier glaubhaft versichert wird? Schwamm drüber, Hauptsache, die Thaioma kennt jetzt die Enkelin. Und weil sie so unendlich viel Geld inzwischen hat, kauft sie mal eben Wharton Park und schenkt es Julia und Kit. Ultimate Happy End, großer Geigeneinsatz!!!! 

Das ZDF würde diese Schnulze vermutlich ablehnen. Zu unrealistisch sind die Figuren, zu lächerlich die Story, zu unglaubwürdig das Ende. Selbst Rosamunde-Pilcher-Regisseure haben ihren Stolz. Und ich hoffe, dass Schauspieler sich weigern würden, diese schmalzigen Sätze von sich zu geben, die Lucinda Riley aus der Schreibmaschine getropft sind. Jede Seite des Buchs liegt begraben und einer halben Tonne seufzenden Schleims, die noch dazu fürchterlich schlecht übersetzt wurden. Wenn sogar ich das bemerke, dann will das was heißen!!! Dass bei all dem die Figuren so farblos bleiben wie eine frischgekalkte Wand, und so natürlich reagieren wie eine Kernschmelze ist fast schon erfrischend an diesem Buch.

Sonntag, 15. Dezember 2013

Ariana Franklin - Die Teufelshaube

Henry II. hat ein Problem. Da hat er endlich den englischen Bürgerkrieg beendet, seien Eleonore nach England gebracht und Kinder gezeugt - da wird eines Tages seine Geliebte, Rosamun Cliffdord, vergiftet. Ist es ein Mordanschlag der eifersüchtigen Gattin? Ein Versuch, erneut für Unfrieden zu sorgen und Henry zu stürzen? Herausfinden soll das Adelia, die Totenleserin, die inzwischen mit ihrem unehelichen Sohn in England angesiedelt ist und als Heilerin arbeitet. Und so setzt der König ausgerechnet Adelias früheren Geliebten Rowley darauf an, die Totenleserin zu ihm zu bringen und sich auf die Suche nach dem Täter zu machen ...
 
Ja, ja, historische Krimis sind ein Genre für sich. Und nur selten gehen sie so in die Hose wie dieses Buch. Ehrlich, ich hatte nach Lesen der letzten Seite nicht einmal mehr eine genaue Vorstellung davon, was in dem Buch genau passiert ist. Irgendwie war das alles so ... uninspiriert. Diese gesamte Verschwörungstheorie hat mich so alles andere als überzeugt und wurde auch nicht dadurch besser, dass es so irrsinnig blutleer erzählt wurde. Da war keine wirkliche Spannung, man ahnte worauf es rausläuft und es war denn auch so. Viel schlimmer war, dass hier nicht einmal das altbekannte "starke emanzipierte Frau in frauenfeindlicher Umgebung"-Motiv bedient wurde, das so viele Mittelalterromane ausmacht. Nein, stattdessen hätte man Adelia auch quasi gleich zur Seite stellen können. So passiv, so blutleer, so langweilig war nur selten eine weibliche Hauptfigur. Dieses Buch war einfach nur doof!

Samstag, 14. Dezember 2013

Annika Thor - Eine Insel im Meer

Wien, 1939. Die zwölfjährige Steffi und ihre kleine Schwester Nelli leben als Kinder einer assimilierten jüdischen Familie in der Stadt und erleben den aufkeimenden Nationalsozialismus nach dem Anschluss Österreichs. Um ihre Kinder zu schützen, entschließen sich die Eltern dazu, Steffi und Nelli mit einigen anderen Kinder nach Schweden zu schicken. Noch in diesem Jahr, das ist das feste Versprechen, wollen sie nachkommen und im Norden ein gemeinsames Leben starten. So landen die beiden Mädchen in einem Land, dessen Sprache sie nicht sprechen, und werden in zwei Gastfamilien untergebracht. Während Nello bei Tante Alma sehr schnell Anschluss an die zahlreichen Kinder findet und immer mehr schwedisch spricht, klammert sich Steffi an die Hoffnung, ihre Eltern bald wiederzusehen. Nicht zuletzt, weil sie bei Tante Märta, einer sehr verschlossenen und strengen Frau, lebt, die nur schwer ihre Gefühle zeigen kann. Steffi fühlt sich einsam und weiß mit ihrer Wut und Angst nicht umzugehen. Erst nach fast einem Jahr verbessert sich das Verhältnis zu Märta, und schließlich schlägt Steffis Lehrerin vor, dass das Mädchen auf das Gymnasium nach Göteborg geschickt werden soll. Aber wer soll das bezahlen - und lohnt es sich, wenn doch die Eltern bald nachkommen werden?

Ich habe das Buch dank der SZ-Jugendbibliothek kennengelernt und war schwer beeindruckt davon. Annika Thor hat einen großartigen Erzählstil gefunden, um bereits Zwölfjährigen den Zugang zum Themenbereich des Nationalsozialismus und Fluchterfahrung zu ermöglichen. Sie verwendet keinen Holzhammer, zeigt aber sehr deutlich die Schrecken, die Steffi und Nelli bisher erfahren haben. Besonders beeindruckend sind die Szenen zwischen den Geschwistern, als sie sich langsam in Schweden einleben. Steffi, die alles daran setzt, die Erinnerung wach zu halten - und Nelli, die ihre Tante Alma irgendwann Mamma nennt, weil das die anderen Kinder im Haus doch auch alle tun. Auch die allmähliche Annährung Steffis an ihre Pflegemutter, das langsame Sich-zu-Hause-fühlen der beiden Mädchen werden gut dargestellt. Das Buch lädt dazu ein, sich in Steffi hineinzuversetzen und sich zu fragen, wo man selbst hingehört oder was ein Zuhause eigentlich ausmacht. Ich würde sagen, hier ist ein sehr empfehlenswertes Buch, das auch noch drei Folgebände hat, an die ich mich bei Gelegenheit mal setzen möchte ;-)

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Jennifer Teege - Amon. Mein Großvater hätte mich erschossen

Jennifer Teege ist die Tochter einer Deutschen und eines Nigerianers. Die Eltern trennen sich noch vor ihrer Geburt und mit wenigen Wochen landet Jennifer im Kinderheim, wo sie von einer Pflegefamilie aufgenommen und im Alter von sieben Jahren adoptiert wird. Der Kontakt zu ihrer Mutter und ihrer Großmutter wird abgebrochen. Sie wächst mit zwei Brüdern in einem Münchner Vorort auf, doch ihre doppelte Außenseiterrolle - adoptiert und dunkelhäutig - führt bei der sensiblen jungen frau letztlich zu Depressionen. Mit Mitte dreißig, verheiratet, Mutter von zwei Söhnen und erfolgreich im Beruf, glaubt sie, diese Vergangenheit aufgearbeitet zu haben, als sie ein neuer Schock ereilt. In der Bibliothek stößt sie auf ein Buch, das ihre leibliche Mutter erst wenige Jahre zuvor veröffentlich hat - und Jennifer erfährt, dass ihr leiblicher Großvater niemand anders ist als Amon Göth, der Leiter des Konzentrationslagers Plaszow. Jennifer Teege steht irgendwo zwischen Schock und Wahnsinn, denn die Frage bleibt: wie stellt man sich mit ihrer bisherigen Lebensgeschichte dieser Familienvergangenheit?

Das Buch lebt natürlich zunächst einmal von dieser unvorstellbaren Erkenntnis, die Jennifer Teege zu Beginn des Buchs ausführlich schildert. Gemeinsam mit ihrer Co-Autorin gelingt es ihr jedoch, den Leser nicht einfach nur eine Lebensbeichte erfahren zu lassen, sondern gleichzeitig eine tiefere Ebene anzusprechen. Ausgehend von Jennifer geht das Buch der Frage nach, wie sehr die Deutschen tatsächlich die NS-Vergangenheit ihrer Familien verarbeitet haben. Nein, nicht jeder steht vor der Tatsache, einen eindeutig zuordenbaren Kriegsverbrecher in der Familie zu haben, aber im Buch wird immer wieder auf Studien verwiesen, die doch spannende Ergebnisse haben. Nazis, so das Gefühl, gab es innerhalb der eigenen Familie eigentlich nicht. Vielleicht einen Mitläufer, aber einen hundertprozentigen? Doch nicht mein Opa! Die geschilderte Reaktion von Jennifer Teeges Adoptivvater auf ihre Eröffnung ist da sehr bezeichnend: er flüchtet sich in wissenschaftliche Betrachtungen. Parallel zu Jennifer Teeges persönlicher Auseinandersetzung wird von Nikola Sellmair die historische und psychologische Sachebeen beleuchtet. So erhält man kurze Informationen über amon Göth, über Reaktionen von Familie und Freunden auf Jenniger Teege, über psychologische Effekte durch Schweigen. Darin liegt allerdings ein wenig das Problem, das ich mit dem Buch hatte, denn diese Passagen kommen einfach immer so mitten ins Buch rein, sind ein so völlig anderer Stil, und schaffen es leider auch, dass der in Ich-Form geschriebene Bereich des Buches blasser wird, weil man immer wieder raus aus Jennifer teeges Gedankenwelt gerissen wird. Darüber hinaus finde ich diese Sahpassagen relativ kurz und zum Teil ein wenig unpräzise, ein bisschen merh Fülle hätten ihne gut getan. Das Buch schwankt dadurch immer ein wenig am Rand von "Schiksalsreportage" statt Sachbuch und Familienauseiandnersetzung zu sein. Schade eigentlich, dass die Ausfürung so holprig ist ...

Dienstag, 10. Dezember 2013

Paul Maar - Kartoffelkäferzeiten


Februar 1948. In einem kleinen fränkischen Dorf lebt Johanna. Sie ist fast 13 und ihre Lebenswelt ist geprägt von den Alltagssorgen der Nachkriegszeit. Lebensmittel sind knapp, die Männer - auch Johannas Vater - zum Teil immer noch in Kriegsgefangenschaft, und die beengten Wohnverhältnisse in der Dorfwirtschaft, die die Familie führt, sorgen oftmals für Streit. Johanna lebt zusammen mit Mutter, Tante und den beiden Großmüttern, ein Fünffrauenhaushalt, in dem unterschiedliche Erziehungs- und Lebensstile aufeinander prallen. Dazu kommt die dörfliche Angewohnheit, Fremdes abzulehnen - wie etwa Johannas Freund Emmanuel, ein uneheliches Kind - und die unangesprochene jüngste Vergangenheit des Nationalsozialismus und des Krieges. Johanna wächst hier allmählich zu einer jungen Frau heran, die sich die Frage stellen muss, ob Erwachsen werden nicht auch bedeutet, altes zu hinterfragen ...

Paul Maar kennt man eigentlich vor allem durch die "Sams"-Bücher (die mich ehrlich gesagt nie interessiert haben, so dass ich sie nie gelesen habe). Dass er aber auch sehr einfühlsame und unterhaltsame Jugendromane schreiben kann, zeigt er mit "Kartoffelkäferzeiten". Ich habe mich in Johanna gut hineinversetzen können, sie ist eine sehr stark gezeichnete Figur mit Ecken und Kanten, die im Laufe der Geschichte erwachsener im Denken wird. Auch gefallen hat mir, dass Maar relativ wenig mit dem Holzhammer arbeitet. Das Leben in der Nachkriegszeit und im beginnenden Wirtschaftswunder wird realistisch dargestellt ohne dabei aber zu sehr Leiden oder Entbehrung in den Mittelpunkt zu stellen. Viele Themen werden nur angedeutet oder nicht völlig ausgebaut, das passt aber ziemlich gut zum Setting des Buchs. Für mich ein wirklich gutes Jugendbuch, das eine spannende Geschichte mit historischen Details verbindet.

Katherine Webb - Das verborgene Lied

Zach Gilchrist ist Mitte dreißig und steht gerade in den Bruchstücken seines Lebens. Seine Exfrau wird mit der gemeinsamen Tochter in die USA ziehen, seine Galerie läuft in etwa so gut wie eine Saunalandschaft mitten in der Wüste Gobi - und dann sitzt ihm auch noch sein Verleger im Nacken, dem Zach seit einem Jahr ein Buch über den Maler Charles Aubrey verspricht. Dieser hat in den Dreißigern für Furore gesorgt - sowohl in der Kunst- als auch in der Damenwelt, denn trotz seiner zwei reizenden Töchter und der Dauergeliebten Céleste war er ein notorischer Fremdgänger, bis er nach einem Schicksalsschlag 1939 freiwillig in den Krieg zog und dort ein Jahr später starb. Zach macht sich auf nach Dorset, wo Aubrey mit seiner Familie seine letzten drei Lebensjahre verbacht hat, und hofft, dort irgendein neues Detail im Leben seines Lieblingsmalers zu finden, das die Biografie verkaufen kann. Dort trifft er in einem kleinen Dorf auf Dimity Hatcher. Diese war 1939 nicht nur die beste Freundin von Delphine Aubrey, der älteren Tochter, sondern auch eine von Charles Musen, die er in verschiedenen Skizzen und Gemälden festgehalten hat. Die alte Frau wohnt völlig abgeschieden in einem verfallenen Cottage und schon bald ist Zach überzeugt: hier verbirgt sich ein Geheimnis ...

Ich habe das Buch wirklich innerhalb eines Tages ausgelesen, denn es ist extrem nett geschrieben und führt den Leser sehr schnell in die Handlungsebenen ein. Die Geschichte wird parallel 1938/39 und 2012 erzählt, wobei ich die Überleitungen nicht immer geglückt finde, es also nicht immer einen Anlass zu geben scheint, genau jetzt in die Vergangenheit zu springen. Die Story hat sehr viel Tempo und natürlich will man wissen, was sich hinter den Andeutungen verbirgt - wie gesagt, ich hab das Buch wirklich verschlungen. Dennoch gibt es zwei Gründe, die mich nicht völlig vom Buch haben überzeugen können. Zum einen: einen deutlichen Abzug bekommt Katherine Webb für die Figurenzeichnung, denn außer Dimity und in Ansätzen Zach bleiben die Figuren extrem blass und für mich in ihren Handlungen nicht immer nachvollziehbar. Dimity selbst ist, vor allem in jungen Jahren, sehr gut gelungen, die vierzehnjährige Außenseiterin des Dorfes mit einer Mutter, die sich aus purer Not heraus prostituiert. Als alte Frau ist sie ein wenig zu blass, ein wenig zu abgedreht ohne dass man genau nachvollziehen kann, warum sie so wunderlich geworden ist. Delphine dagegen war für mich die gesamte Zeit über ein völlig gesichtsloses Persönchen, auch Charles Aubrey ist nicht in allen Aspekten nachzuvollziehen (z.B. fand ich die Entwicklung am Ende sehr überzogen). Und damit sind wir bei Punkt zwei, der mir nicht gefallen hat. Ich finde das Ende an den Haaren herbeigezogen und zu sehr auf zufällige Offenbarungen gemacht. Die Idee ist nett, aber die Ausführung gefällt mir absolut nicht - das Problem hatte ich bei Katherine Webbs Erstling ja auch schon, und allmählich glaube ich, dass sie es einfach wirklich nicht schafft, ein Ende zu erfinden, dass nicht so übertrieben wirkt, sondern trotz allen Zufällen glaubwürdig bleibt. Da zieht sie die Schraube des "düsteres Familiengeheimnis"-Romans einfach einen Ticken zu fest an, was schade ist. Denn bis auf die letzten etwa fünfzig Seiten ist das Buch nämlich wirklich toll.

Montag, 9. Dezember 2013

Katie Roiphe - Rätselhafte Alice

Jeder, der sich auch nur im Ansatz mal mit "Alice im Wunderland" beschäftigt hat, kennt die Entstehungsgeschichte dieses Buchs. Ein dreißigjähriger Hobbyfotograf und Mathematik-Tutor aus Oxford erzählt der zehnjährigen Tochter des Dekans während eines Bootsausflugs eine Geschichte über ein weißes Kaninchen, schreibst sie auf und das Buch wird zu einem Klassiker der absurden Kinderliteratur. Diese Ausgangsbasis ist auch in "Rätselhafte Alice" Startpunkt für einen Roman über die Entstehung des Romans aber auch die Frage, warum drei Jahre später der Kontakt zwischen Alice Familie und Lewis Carroll vollständig eingestellt wird. War er verliebt in Alice? Oder hat er ihrer älteren Schwester einen Heiratsantrag gemacht, der von den Eltern nicht akzeptiert wurde? War Carolls Interesse an Alice mehr als nur der eines Fotografen am Modell? Diese Fragen wirft Katie Roiphe auf, beantwortet aber leider keine einzige davon. Naja, könnte man jetzt einwerfen, man weiß es ja bis heute nicht, deshalb will die Autorin nicht spekulieren? Wieso schreibt sie dann aber überhaupt einen Roman, frage ich mich. Sie selbst scheint darauf auch keine wirkliche Antwort zu haben, denn dieses Buch wirkt auf mich extrem inspirationslos und nervtötend langatmig. Es passiert einfach mal so gar nichts, das aber sehr ausufernd - ich habe beim Lesen noch nie so oft gegähnt wie hier. Ich bin ja nicht unbedingt der riesige Fan von "Alice im Wunderland" aber ich hätte doch gedacht, dass ein Buch über genau dieses Buch sehr viel mehr Eindruck bei mir hinterlassen würde.

Freitag, 6. Dezember 2013

Michael Robotham - Todeswunsch

Eines Nachts klopft es an der Tür von Joe O'Loughlins Ehefrau. Die blutverschmierte Sienna Hegarthy steht davor. Sie ist vierzehn Jahre alt, die beste Freundin von Joes Tochter Charlie, und wie sich herausstellt, hat sie gerade die Leiche ihres Vaters gefunden. Die Polizei verdächtig bald Sienna selbst, die Täterin zu sein, doch die kann sich an nichts erinnern. Hat sie wirklich den jahrelangen Missbrauch durch ihren Vater gerächt und ihn erstochen? Joe O'Loughlin will ihr beistehen und findet schon bald heraus, dass noch einige andere Menschen ein Motiv für einen Mord haben. Parallel ist seine Ex-Frau Julianne als Übersetzerin in einem spektakulären Prozess tätig. Eine russische Familie wurde bei einem Brandanschlag fast komplett getötet und der einzige Belastungszeuge schwebt in Lebensgefahr. Sollen die Geschworenen tatsächlich manipuliert werden? Die beiden Fälle scheinen sich zu überschneiden ...

Ich hatte ja schon den ersten Band mit Joe McLoughlin irgendwann mal vorgestellt jetzt habe ich also zufällig Band 5 in die Hände bekommen. Es ist zwar hilfreich, schon ein bisschen was zu wissen, aber ich fand die Geschichte der Protagonisten jetzt nicht so extrem im Vordergrund, so dass man auch ohne Vor- und Zwischenwissen gut reinkommt. Insgesamt hat mir dieses Buch deutlich besser gefallen als der erste Band, was vermutlich vor allem daran lag, dass ich ihn realistischer bzw. nachvollziehbarer fand. Gut, einen kleinen Abstrich möchte ich machen, denn diese Verbindung zwischen den beiden Fällen fand ich persönlich ein wenig zu viel, vor allem, was daraus dann letztlich im Finale resultiert. Dennoch war das spannend und ich bin Robotham gerne in die Geschichte gefolgt. Das liegt vor allem daran, dass auch dieses Mal die Figuren sehr lebenswirklich gehalten sind und ihre Ecken und Kanten ausleben und einfordern. Ich werde die Serie jetzt zwar nicht brennend erwarten, aber wenn mir wieder einer über den Weg läuft, greife ich gerne zu ;-)

Sonntag, 1. Dezember 2013

Barbara Robinson - Hilfe, die Herdmanns kommen

Die Herdmann-Kinder sind in der Nachbarschaft bekannt wie bunte Hunde. Völlig verwahrlost, immer mit einem Bein bei der Jugendfürsorge oder im Gefängnis, streit- und rauflustig und mit einem Mundwerk, das den anständigen puritanischen Kindern die Schamesröte ins Gesicht treibt. Als sie erfahren, dass es beim alljährlichen Krippenspiel Gratisessen gibt, ist für die Herdmanns klar, dass sie dabei sein werden. Dass ihre religiöse Erziehung ein wenig vernachlässigt wurde und Weihnachten für sie bislang „das Fest des Gratsischinkens von der Fürsorge“ war, stört die Hermanns – im Gegensatz zur Sonntagsschullehrerin – eher wenig. Mit Drohungen und Handgreiflichkeiten besetzen die sechs Herdmanns dann auch noch die Hauptrollen im Stück und für alle ist klar: dieses Jahr wird das Weihnachtsspiel ein echtes Herdmann-Desaster.

Natürlich kommt es nicht so weit. Hey, wir lesen hier ein Weihnachtsbuch, in dem der Geist der Weihnacht gefeiert wird. Und der Chaostruppe gelingt es zumindest, die bedeutendsten Elemente der Geschichte auf die Bühne zu bringen: eine Familie, die sich auf der Flucht befindet, drei Weise, die Herodes vermutlich aus purer Lust am Fiessein verraten, wo Jesus geboren wurde, ein Engel, dessen „Hey! Euch ist ein Kind geboren!“ die Hirten verdammt schnell in die Puschen kommen lässt – in der Quintessenz ist das Stück vermutlich näher dran an den Ereignissen als die Bibel. Und gerade das ist eigentlich so herzerwärmend schön an diesem Buch, dass man weiß, wie es alles enden wird, einem dabei aber dennoch die Gefühle aufgehen. Das ist mehr, als manch anderes Buch kann ;-)