Samstag, 21. November 2015

[Buchgedanken] Lucinda Riley - Das Mädchen auf den Klippen

Ich war so aufgeregt, als ich dieses Buch in der Stadtbibliothek gefunden habe. Schließlich hat doch bereits "Das Orchideenhaus" gezeigt, welch unermesslicher Quell der abstrusen Konflikte und elementaren Logikschlenker Bücher von Lucinda Riley zu sein vermögen. Und so habe ich das Buch ausgeliehen mit dem festn Vorsatz, nicht aufzugeben, sondern mich ganz von der Geschichte leiten zu lassen. Und so findet ihr auch in diesem Fall vor der Rezension weder meine obligatorische

SPOILERWARNUNG!!!!
Die folgende Rezension enthält genaue Verläufe der Buchhandlung und wird auch nicht davor zurückschrecken, das Ende zu verraten!!!

Gut, jetzt seid ihr gewarnt. Begleitet mich also nach Irland ...

Dort treffen wir, idyllisch auf einer irischen Klippe positioniert, Grania. (Bei der Auswahl von Heldinnen-Namen immer darauf achten, dass der Name maximal individuell klingt. Er muss dabei weder zur Herkunft der Person passen noch zum Nachnamen.) Grania leidet. Woran sie leidet, das erfährt der Leser in quälend langen Passagen, die er sich selbst zusammenreimen muss. Anscheinend war Grania schwanger und hatte eine Fehlgeburt. Ja, das ist tragisch. Doch Grania packte daraufhin sofort die Koffer, verließ ihren Psychologen-Lebensgefährten in New York und kehrte zu ihren Eltern zurück. In das irische Provinznest an den Klippen, aus welchem sie im zarten Alter von achtzehn entfloh. Aber egal. So ein bisschen Landluft schadet ja nicht.

Sinnierend steht Grania also an der Klippe, als sie auf Aurora trifft. Aurora ist nicht nur bezaubern und traumatisiert und zehn Jahre alt, sie ist auch, wie sich im Laufe der Handlung herausstellen wird, die eigentliche Erzählerin der Geschichte - was erklären könnte, warum sich das Buch streckenweise so spannend liest wie ein "Mein schönes Ferienerlebnis"-Aufsatz. Darüber hinaus ist sie altklug bis zum Gehtnichtmehr - also genau das Mädchen, mit dem man sich anfreunden will, oder?  Grania zumindest will das, obwohl ihre Mutter das total doof findet.

Grania-Herzchen jedenfalls besucht Aurora im Herrenhaus und auch Papa Alexander (also Granias Papa) findet das voll dufte, dass da plötzlich so eine dahergelaufene New Yorker Künstlerin im Haus rumschwirrt. Denn schließlich ist Aurora ja traumatisiert von Mamas Tod und Alexander eigentlich auch, deshalb holen wir doch mal die Künstlerin als Gouvernante ins Herrenhaus. Fühlt sich noch jemand ein wenig an die Brontes erinnert?

Und weil es sich jetzt anbietet, taucht Mama auf und liefert ein paar Briefe ab, damit Grania erkennt, wie böse die Lisles sind. Für die hat nämlich mal Granias Uroma Mary gearbeitet. Und dann wird sie zum Kindermädchen der neugeborenen Anna, die das Familienoberhaupt mal so eben aus Russland mitgebracht hat, schließlich schreiben wir 1914 und ihre Mutter, selbstverständlich Primaballerina, und ihr Vater, irgendein anonymes verheiratetes Mitglied der Zarenfamilie, haben ihn gebeten, sich um das Mädchen zu kümmern. Also wird Anna erzogen und stellt sich schon bald als eine so bezaubernde, so gute, so gütige und so tanztalentierte Ersatztochter heraus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis das Schicksal zuschlägt. In diesem Fall durch eine böse Stiefmutter, die - welch Graus!!! - Mary entlässt und Anna auf ein Internat schickt, wo sie - Schockschwerenot! - die Hausarbeit für ihre Stiefschwestern erledigen Lacrosse spielen muss tagein und tagaus.
Deshalb fakt Mary also mal kurz Annas Tod (drunter macht es Lucinda Riley einfach nicht!) und die Lisles verlassen die Handlung des Romans. Anna und Mary leben alsdann in der wundervollen Eintracht von Mutter und Tochter, und dann wird sogar geheiratet - ein (ebenso wie Anna) stotternder kriegsheimkehrer, der sich nach Werben und Heirat als reicher, ach was, als stinkreichster Erbe Londons entpuppt. Hurra, hurra, hurra.

Doch auch dieses Glück währt nicht lange. Anna, die aufkommende Primaballerina, und ihre Mutter überwerfen sich und Mutti und kleine Schwester ziehen um nach Irland, nachdem Papi Selbstmord begangen hat (versthe irgendjemand, wieso er den Selbstmord begeht, nachdem ihm mitgeteilt wird, dass seine Invalidenrente erhöht worden ist???). und ja, diese ganze Entwicklung wir genau so hopplahopp geschildert wie der Absatz hier, mit Figurenentwicklung und nachvollziehbaren Motiven hält sich Lucinda einfach nicht auf.

Zurück zu Grania. Inzwischen ist schon fast ein Jahr vorbei (hat Mama echt so lange erzählt? Nein, natürlich nicht, ich raffe jetzt hier ein wenig). Granias Ex hat seine Ex geschwängert - oder auch nicht, der Leser ahnt bereits durch subtilste Andeutungen ("Oh, ich kenn dich, ich hab dich doch im Krankenhaus in der Abteilung für künstliche Befruchtungen gesehen!"), dass hier ein Betrug versucht wird. Die nächsten Seiten lesen sich dann, ungelogen folgendermaßen:
 "bla bla bla -... oh Grania, ich liebe meine verstorbene Frau so sehr, wenn ich nur wüste, warum sie so ein Psycho war, dass wir sie in die Klapse haben einweisen müssen, ach ja, pass mal wieder auf meine Tochter (inwzischen nicht mehr traumatisiert, denn sie hat - oh Wunder - Ballettstunden genommen) auf, während ich in die Schweiz gehe, oh komm bitte auch in die Schweiz, heirate mich, ich habe übrigens einen inoperablen Gehirntumor und werde in zwei Wochen sterben, hier, du erbst mein gesamtes Vermögen, bis Aurora 21 ist".

Wie bei Reich und Schön. Dramatische Großaufnahmen inklusiv. grania kommt also als reiche Erbin zurück zu Mami. Übrigens weiß Aurora nicht, dass ihr Vater tot ist, das wird dem kleinen Mädchen erstmal verschwiegen, und dass er und grania gehiratet haben, kriegt sie am telefon mitgeteilt - na, wenn das nicht pädagogisch geschickt eingefädelt ist!

Für den Leser, der hier noch nicht im Schmalz erstickt ist, folgt noch rasch die eingeschobene Erklärung, wie es mit Anna weitergeht (sie heiratet den Bruders des Mannes, der siwe damals aus Russland geholt hat, wird damit also zu Granias Großtante und kriegt ein Kind, das ist Auroras Mutter, und die wird mit 17 von ihrem Stiefbruder vergewaltigt, es wird aber Granias geisig behindertem Onkel in die Schuhe geschoben, deswegen is Auroras Mutter auch so traumatisiert ...) und Aurora haut ab zu granias Ex, damit der nach irland kommt und er und Grania sich heiraten ...

Boah, nee ey. Und wenn man dann denkt, es kann nicht noch schlimmer kommen - dann stellt sich heraus, dass Aurora, die uns das Buch jetzt erzählt, Leukämie hat und stirbt (die Familie ist echt anfällig in dem ganzen Buch wird so oder so gestorben wie in einem Dickens-Roman, ich wudnere mich, dass sie kein Opfer der Spanischen Grippe mit eingebracht hat, das hätte sich doch angeboten ...), so dass Grania wieder einmal am Rande der Klippe steht und siniert.

Dieses Buch war ... nein, nicht ganz so grausam wie "Das Orchideenhaus". Aber grauenvoll auf einer ganz anderen Ebene. Da werden alle Konflikte mit einer hand Schmalz abgerieben und das Ganze dann so grauenhaft erzählt, dass man nicht einmal drüber lachen kann.

Ich freue mich auf das nächste Werk.

Donnerstag, 19. November 2015

[Buchgedanken] Nina Sedano - Die Ländersammlerin

Reisen, das ist Nina Sedanos große Leidenschaft. Und nach dem Scheitern ihrer Ehe fasst sie einen Entschluss. Sie spart Geld an, gibt ihren Job auf und bereist alle 193 UN-Staaten ...

Ich hatte dieses Buch vor über einem Jahr gekauft, weil ich mich spontan in das Titelbild verliebt hatte. Es sieht aber auch toll aus, verspricht Luftigkeit und Reiselust und eine angenehme Atmosphäre beim Lesen. Also eigentlich ideal, um diesen Monat eine der Aufgaben zu erfüllen, nämlich das Buch, in das man sich spontan verliebt hat.

Leider hält das Buch dieses Titelbildversprechen mal so gar nicht ein.

Es begann so auf Seite 20, dass ich mich zum ersten Mal fragte, was genau Frau Sedano dazu getrieben hat, ein Buch zu schreiben, wenn sie es letztlich nur mit zwei Dingen anfüllt: mit Lamenti über ihre pösen, pösen Mobber-Kollegen und mit vollkommenen Banalitäten über die bereisten Länder. Allein das Kapitel über Großbritannien, das sie erstmals mit 13 im Schüleraustausch besucht, ist ja wohl ein Witz - der Informationswert beschränkt sich auf "die Engländer essen Toast, der labbrig ist". Na, was für ein Glück, dass Sie darauf hinweisen! Man erfährt so gut wie nichts über die einzelnen Länder, hingegen viel darüber wie nervig sie den deutschen Reisepass findet, sie Tiere so sehr mag, wie sie ihre Visa besorgt, oder wie mutig sie doch ist, da sie in den doch so gefährlichen südamerikanischen Ländern ihre Kamera auspackt und ihrgendwelche Statuen fotografiert, obwohl ja überall die böse Drogenmafia sein könnte. Und zu dem Kontinent Australien fällt ihr EINE Seite ein. Eine einzige Seite, die efektiv völlig emotionslos erzählt wird und in die mal so alles reingequetscht wird. Dabei ist bereits der Einstieg ein Higlight der Literatur.

"Beef or chicken? Hühnchen oder Rind?" Ich entscheide mich für "Hühnchen, bitte"! Der kleinen Sitznachbarin und ihrer Mutter wünsche ich "Guten Appetit!". "Danke, gleichfalls!" kommt es freundlich zurück.

So toll. Ja, der "Chicken or Fish"-Witz kursiert bei meinen Schülern, die mit mir in Neuseeland waren, immer noch, aber das ist ein Insider, den man effektiv kaum versteht, wenn man nicht mal einen Langstreckenflug gemacht hat. Übrigens spielen diese Sitznachbarn keine weitere Rolle, sie dienen nicht einmal dazu, ins Nachdenken und Plaudern zu kommen - es ist einfach nur eine total belanglose Szene, die total belanglos erzählt wird.

Weitere so unglaubliche Reisetipps, mit denen das Buch aufwarten kann, sind "Besorgen Sie sich rechtzeitig ein Visum" und "Achten Sie darauf, dass Ihr Reisepass nicht abläuft". Heidewitzka, jetzt kann ich ja auch Weltreise gehen, ohne diese wertvollen Insiderinformationen wäre ich ja total aufgeschmissen! Am peinlichsten fidne ich ja, dass am Ende eines jeden Kapitels dann nicht einmal fünf kursive Zeilens ind, in denen die Autorin ihre persönlichen Geheimtipps oder ihre Gedanken zum Kapitel äußert ...

Interessantere Informationen über die Finanzierung einer solchen jahrelangen Weltreise, die Möglichkeiten zu Urlaubsammeln, Sabbajahren und dergleichen mehr vermisst man in dem Buch vollständig. Kunststück, wenn manr echerchiert, erfährt man im Internet, dass sie das alles mit Hilfe einer Erbschaft finanziert hat, wäre ja auch mal schön gewesen, das in einem Nebensatz zu erwähnen. Aber mein Gott, ein Buch, in dem die spannedeste Schilderung die ist, wie sie in einer Jugendherberge beinahe in ein Spinnennetz läuft, hat vermutlich andere Prioritäten als dem Leser zu zeigen, wie man beim Reisen glücklich wird.

Diese Banalitäten werden dann verpackt in eine Schreibweise, die selbst meine Fünftklässler besser bewältigen. Da "wurschtelt" man sich halt so durch, "latscht" zum Sightseeing-Objekt, verliert sich in Satzreihen und beschreibt faszinierende Landschaft mit derselben Emotionalität wie einen Zahnarztbesuch ohne Bohren.  Die Kapitel werden mit Überschriften wie "Die Qual der Wahl" spannend angekündigt und enttäuschen spätestens zehn Zeilen später. Frau Sedano hat nämlich hier die Wahl, ob sie über einen Zaun klettert oder unten durchkriecht, um eine Sehenswürdigkeit zu sehen. An dieser Stelle würde ich gerne Hansi Kraus in den pauker-Filmen zitieren: "Man fasst es nicht."

Hat sie eigentlich irgendetwas au fihren Reisen gelernt, wenn sie in Ländern mit Armut oder Gewalt oder Dingen, die wir einfach nicht kennen, konfrontiert wurde? Reflektiert sie auch nur einmal, welche unglaubliche Chance sie hat? Nö. Stempel abholen und zack, weiter im Text. Ich reise so gerne, ich habe mir erhofft, jemanden in dem Buch zu finden, dem es geht wie mir, der Fernweh hat und dieses Fernweh in bessere Worte fassen kann als ich. Aber denkste.

Reisen bildet? Dann sollte Frau Sedano vielleicht noch einmal loslegen. Diesmal mit weniger Gemoser im Gepäck. Dafür aber mit offenen Augen - und mehr mitnehmen als nur einen Stempel im Reisepass.

Montag, 16. November 2015

[Rezensionsexemplar] Riad Sattouf - Der Araber von morgen

Arabischer Frühling, Bürgerkriege und Terrorismus - wohl nie war ein Buch so aktuell wie gerade heute. Der französisch-syrische Cartoonist Riad Sattouf legt hier ein Werk vor, das in der tradition von "Persepolis" steht - die Geschichte einer Kindheit zwischen den Kulturen.

Riad Satouf wird 1978 as Sohn eines Syrers und einer Bretonin geboren. Nicht nur, dass ihm das als Kind die goldigsten Haare der Welt beschert, macht es aus ihm eine spannende Mischung. Sein Vater, der als Student nach Paris kommt, ist ein begeisterter Vertreter des Panarabismus, der in Gaddafi, Saddam Hussein und al-Assad die Retter Arabiens sieht, die endlich dazu in der Lage sein werden, Arabien zu vereinen und als Gegenentwurf zum Westen aufzubauen.

Dabie ist er nicht etwa radikaler Islamist, wie man jetzt sofort geneigt ist anzunehmen, oder vielleicht doch? Die Figur des Vaters ist extrem spannend in diesem Buch, der ständig wechselt zwischen westlicher Modenität und dann andererseits rassistische und anti-feministische Sprüche reißt und immer wieder zeigt, dass er nicht aus seiner Haut kann, in der er früher erzogen wurde. Sattouf selbst stellt fest, das sein Vater besessen davon ist, "den Araber von morgen" zu erziehen, der in seiner Vorstellung ein gebildeter Mensch ist, der gleichzeitig Arabien und Westen in sich vereint.

Dabei stößt der Vater selbst aber immer wieder an seine Grenzen, obwohl er, nachdem die Familie erst nach Libyen und dann nach Syrien ausgewandert ist, alles daran setzt, die negativen Seiten des Panarabismus zu ignorieren. In sehr einfachen Bildern, ind enen wenig Details zu sehen sind, sondern der Leser sehr oft einfach mit Farbzuordnungen und erklärenden Texten geleitet wird, begleitet man die Familie Sattouf durch zwei Länder, in denen die Grenze zwischen Diktatur und Demokratie so ganz anders gezogen wird als in unseren westlichen Köpfen.

Ich bin extrem gespannt auf den zweiten Teil, der auf französisch vorliegt, und habe mich wahnsinnig gefreut, dieses Buch zu lesen. Sowhl inhaltlich als auch zeichnerisch auf preiswürdigem Niveau und eine echte Empfehlung ;-)

[Rezensionsexemplar] Edo Popovic - Anleitung zum Gehen

Die Welt ist so schnell geworden. Wir alle hetzen und lassen uns hetzen. Wir sprechen nicht mehr miteinander, sondern allerhöchstens nebeneinander her - diese düstere Beschreibung steht am Beginn dieses doch recht ungewöhnlichen Buches, das ich mir im Bloggerportal ausgesucht hatte. "Anleitung zum Gehen" ist weniger ein philosophisches Sachbuch über Entschleunigung, wie ich es erwartet hatte, als ein sehr bildgewaltiges und sprachfabulierendes Werk über die Schönheit, die man im Langsamen findet.

Genau das hat es mir aber auch recht schwer gemacht, mich hier fallen zu lassen. Besonders die ersten Seiten waren für mich so das übliche Gesellschafts-Lamento, wie schlimm doch die neue technisierte Welt ist und wie wenig achtsam wir mit unserer Umwelt umgehen. Das war so viel Altbekanntes, so viel Schwelgen in der Schlechtigkeit der Welt, dass ich um ein Haar aufgegeben hatte, weil ich dachte, ich kann jetzt genau sagen, worauf das Buch hinausläuft. Aber dann wurde ich doch eines besseren belehrt. Dann kamen da eben auch wunderschöne Betrachtungen über das Wandern, unterlegt mit großartigen Fotos, in denen manchmal Details festgehalten wurden, an denen man sonst vorbei gelaufen wäre.

Das Buch ist kein Sachbuch. Es ist Lyrik in Prosaform - daran muss man sich gewöhnen. Edo Popovic schwelgt in Betrachtungen und einer sehr philosophisch-lyrischen Sprache. Aber nach zwei Stunden Lesen, wenn man dem Buch ein wenig Zeit gewidmet hat, merkt man, wie sehr man beim Lesen selbst entschleunigt hat. Und das ist doch eigentlich ganz schön :-)

Sonntag, 15. November 2015

[Buchgedanken] Kevin Wilson - Die gesammelten Peinlichkeiten unserer Eltern in der Reihenfolge ihrer Erstaufführung


Caleb und Camille Fang sind Konzeptkünstler und in ihrer Kunst kompromisslos. Ihre Happenings, mit denen sie ihre Umwelt in chaotische Situationen stürzen und die Reaktionen heimlich filmen, haben sie in den Siebziger und Achtziger Jahren bekannt gemacht. Vor allem, nachdem sie begannen, Kind A und Kind B mit in ihre Vorstellungen einzubeziehen. Kein Wunder, dass Annie und Buster, die beiden inzwischen Endzwanziger-Sprösslinge, psychisch nicht mehr so ganz belastbar sind. Buster, der zwei Romane veröffentlich hat, hält sich inzwischen bei einem Männermagazin über Wasser, wo er über spannende Dinge wie den größten Gangbang der Welt berichten muss. Und Annie hat zwar eine Oscarnominierung in der Tasche, dafür aber jetzt einen Nackbildskandal am Hals. Als dann auch noch Buster einen Unfall mit einer Kartoffelkanone hat, beschließen die beiden, dass es Zeit für einen Besuch bei Mama und Papa ist - nichtsahnend, dass sie damit das Chaos der Familie Fang nur noch vergrößern ...

Ich hatte das Buch ja effentiv nur wegen des Buchtitels gekauft - und ich bin nicht direkt enttäuscht worden. Die Geschichte ist ziemlich rasant, absolut abgedreht und schwer verrückt. Was mir besonders gefallen hat, war die Abwechslung zwischen der vorangehenden Geschichte und der Schilderung der Happenings, die sehr schnell zeigen, wie letztlich respektlos Camille und Caleb mit den Gefühlen ihrer Kinder umgehen. Kevin Wilson erzählt in einem sehr lustigen, manchmal ein wenig atemlosen Ton, der mich sofort in die Geschichte gezogen hat. Dabei vernachlässigt er aber für meinen Geschmack ein wenig zu sehr die Entwicklung der Figuren, viele ihrer Handlungen kann ich nicht ganz nachvollziehen. Mir war das Buch schlicht zu kurz, weniger, weil ich mir noch mehr Verrücktheiten gewünscht hätte, als vielmehr, weil ich mir wünschen würde, mehr über das Verhältnis der Kinder zu ihren Eltern zu erfahren.

Klar, man kann sagen, das steht alles im Roman und ich muss nur die Leerstellen füllen - aber de facto bleiben vor allem Caleb und Camille ziemlich blass und schwer greifbar. Extrem gut gefallen haben mir die Diskussionen, die im Buch angestoßen werden. Was ist Kunst, was darf Kunst und wie weit kann Kunst gehen - immer wieder zeigen die Happenings der Fangs nichts anderes als genau diese Frage. Einen Verstoß gegen das Konventionelle, ein Verstoß gegen das, was wir gewohnt sind. Diese Schilderungen lesen sich erst einmal ziemlich absurd und mir haben die Kinder dabei oft ein wenig Leid getan. Dass die beiden Eltern es schaffen, wirklich jedes Ereignis zu einem Fang-Happening zu machen und dabei immer wieder die Demütigung ihrer halbwüchsigen Kinder zu riskieren, hat schon weh getan.

Alles in allem ein Buch, das unterhält und durchaus Stoff zum Nachdenken bietet, trotz der fehlenden Figurentiefe :-)

[Buchgedanken] Cornelia Funke - Reckless. Lebendige Schatten

Nur mit Hilfe der dunklen Fee hatte Jacob Reckless seinen Bruder Will retten können. Doch dafür muss er einen hohen Preis zahlen. Auf seiner Fee ist das Zeichen des Feenfluchs zurückgeblieben, eine Motte, die sich irgendwann lösen und ihm das Leben kosten wird. Gemeinsam mit seiner Gefährtin Fuchs versucht Jacob, ein Heilmittel zu finden, doch das einzige, was noch helfen könnte ist die Armbrust eines Hexenjägers, hinter der aber auch ein Goyl her ist. Eine Hetzjagd quer durch die Spiegelwelt ist die Folge, in der Jacob Reckless immer mehr die Zeit davonzulaufen droht ...

Ich hatte den ersten Band schon vor einer gefühlten Ewigkeit gelesen und war damals nur mäßig begeistert. Kein Wunder, dass ich den zweiten Teil dann nur eingepackt habe, als ich zufällig in der Bibliothek darüber gestolpert bin. Insofern war die erste Herausforderung für mich, mich wieder daran zu erinnern, was im ersten Band passiert ist - dank Wikipedia war es dann auch schnell klar, sodass ich mich voll auf dieses Buch konzentrieren konnte.

Ich mag Cornelia Funke ja eigentlich total gerne. Umso schlimmer ist es für mich, dass die Reckless-Reihe so grandios in die Hose gegangen zu sein scheint. Dieses Buch, das als Positives vorneweg, hat wieder sehr schöne Zeichnungen von der Welt hinter dem Spiegel, die Illustrationen ziehen mich in die Geschichte. Aber eben der Rest nicht. Die Geschichte ist schon sehr stark am altbewährten Märchenstrickmuster ausgerichtet, aber das wäre schön, wenn sie sich dann wenigstens Zeit nehmen würde, mich diese Welt mal wirklich atmen zu lassen. Das passiert aber nicht, stattdessen zieht sich diese Schatzsuche in ziemlich bedrückender Langeweile. Ich habe mich so oft dabei erwischt, wie ich die Worte nur noch oberflächlich wahrgenommen und dadurch Handlungen einfach überlesen habe - warum? Die Spannung wird immer nur so oberflächlich gehalten, ich leide nie wirklich mit den Figuren mit, egal, wie oft sie mir erzählen, wie schlecht es ihnen geht. Ein gutes Beispiel dabei ist die Szene mit dem Blaubart, da soll Fuchs Angst in Flaschen gesammelt werden. Und ja, die Flaschen laufen voll, aber mich nimmt das überhaupt nicht mit.

Bin ich zu alt für Cornelia Funke? Niemals. Aber anscheinend ist das Buch einfach zu sehr darauf geschrieben, irgendwann verfilmt zu werden und spart sich schon einmal vorsichtshalber, mir Bilder zu vermitteln.

Mittwoch, 11. November 2015

[Rezensionsexemplar] Susanne Beyer/Martin Doerry (Hrsg.) - "Mich hat Auschwitz nie verlassen."

Auschwitz is nicht einfach nur der Name einer polnischen Stadt. Auschwitz ist ein Synonym für geplanten und fabrikmäßigen Massenmord. Und wohl niemand dürfte durch seine Schuljahre gegangen zu sein, ohne nicht das Bild des Tores oder die Schienen in das Lager gesehen zu haben. Die Erforschung des Holocaust und des Vernichtungssystems wird immer noch betrieben, vor allem Zeitzeugen sind dabei eine wichtige Quelle. Doch je länger deer Nationalsozialismus her ist, desto mehr Zeitzeugen sterben und desto mehr angewiesen ist man auf die Aufzeichnungen, die diese hinterlassen haben.

Für den SPIEGEL wurden im Rahmen einer Titelgeschichte Interviews geführt mit Überlebenden, die hier in diesem Buch noch einmal alle versammelt sind. Sie sind über achtzig, haben als Kinder oder Jugendliche den Holocaust erlebt. Die Auswahl ist dabei sehr spannend, sowohl berühmte Menschen als auch "Normalbürger". Es kommen neben Juden auch Sinti und Roma zu Wort, die Gründe für ihren Transport sind vielfältig (sei es die direkte Verhaftung oder der Weg durch verschiedene Lager). In vielen Fällen sind die Erinnerungen sehr ähnlich, immer wieder wird erzählt von der Selektion an der Rampe, von den Lebensumständen in den Baracken, von Krankheiten und Tod. Für mich spannend waren die Unterschiede, die sich in den Geschichten zeigen. Dadurch wird eutlich, wie perfide durchgeplant das System letztlich war, wie unterschiedlich Auschwitz auch innerhalb der Kriegsjahre bewertet wurde. Die einzelnen Interviews werden dabei nicht im tyxpischen Frage- und Antwort-Stil gehalten, sondern mit einer Einleitungsfrage begonnen, woraufhin der Zeitzeugentext einfach nur erzählt. Nachfragen, die der Interviewer vielleicht gestellt hat, bleiben ungenannt, sodass der Leser wirklich nahezu überrollt wird von den Details, die er hier erfährt.

Was ich mir deshalb vielleicht gewünscht hätte, wäre ein kurzer Überblick über die Geschichte von Auschwitz gewesen oder ein kurzes Glossar der wichtigsten Abkürzungen und Begriffe. ich denke, das würde jüngeren Lesern, die noch nicht viel Ahnung haben, einige Einordnungen erleichtern, um mit diesem Buch umgehen zu können.

Jedes Interview wird begleitet von Portraitfotos der Interviewten sowie zum Teil Originalfotos aus der Zeit des Nationalsozialismus, oftmals ist auch die in den Arm eintätowierte Nummer zentraler Bestandteil eines Bildes. Jedes einzelne Bild ist dabei zurückhaltend und stimmungsvoll (was für ein doofer Ausdruck letztlich bei einem solchen Buch) und machen die Zeitzeugen nie zu einer Art vordergründigem "das Gesicht des Überlebens". Dafür hat das Buchfdefinitiv ein Lob verdient, es ist trotz aller Grausamkeit und aller Schrecken eine extrem würdevolle Darstellung, in der der Leser trotz aller Distanz an Jahren und Erfahrungen sehr genau vor Augen geführt bekommt, dass Auschwitz sich nicht einfach vergessen lässt.

Montag, 9. November 2015

[Rezensionsexemplar] Jory John / Mac Barnett - Miles und Niles

Ausgerechnet in das Kuh-Kaff Yawnee Village müssen Miles Murphy und seine Mutter ziehen. Schlimm genug, dass man also den ersten Schultag damit verbringen muss, seine Rolle für das kommende Schuljahr zu finden. Aber dann muss Miles auch noch feststellen: in Yawnee Village gibt es bereits einen Trickser, einen König der Streiche. Und dabei war das doch immer Miles' Metier! Als sich dann auch noch überraschend herausstellt, dass ausgerechnet der Schulhelfer und Lehrerliebling Niles Sparks als dieses Genie entpuppt, ist für Miles eines klar: ein Krieg um den Thron muss entbrennen!

Ich fand das Titelbild und den Klappentext ganz ansprechend und habe mich deshalb um dieses Rezensionsexemplar beworben. Und ich glaube, das Buch wird meine Klassenbibliothek total bereichern und geliebt werden von allen - und dennoch werde ich jedes Mal daneben stehen und denken: "Lest doch mal was Anständiges."

Woran liegt das nur? Eigentlich hat das Buch alle Zutaten zu einem modernen Kinderbuch. Anarchischer Humor, eine moralische Botschaft ohne erhobenen Zeigefinger, und viele Bilder und schräge Illustrationen. Besonders die eingefügten interessanten Fakten über Kühe sind ganz witzig. Aber irgendwie hat mich das Buch unbefriedigt zurückgelassen. Die Figuren sind kaum ausgeführt oder einfach nur gnadenlos überzeichnet - insbesondere Miles ist letztlich, wenn man drüber nachdenkt, ein ziemliches Arschlochkind. Die Streiche, die er spielt, sind weniger witzig als vor allem fies und letztlich auch ziemlich verletzend. Insofern gut, dass er mit Niles einen Gegenspieler bekommt, der eine moralische Haltung an den Tag legt und diese von allen Tricksern der Welt einfordert.

Was mir am Buch einfach aufstößt, ist die Sprache. Irgendjemand muss den Autoren gesagt haben, dass Zehnjährige keine Nebensätze verstehen, anders kann ich es mir nicht erklären, dass hier einfach nur ein Hauptsatz an den anderen gereiht wird und das mit so einer hohen Wiederholung an Wörtern und Formulierungen, dass sich mein Rotstift sträubt. Ja, ja, Gregs Tagebuch hat es vorgemacht, und frei nach dem Motto "Lesemuffel dort abholen, wo sie stehen" ist das Buch ganz up to date - aber wenn meine Schüler vorzugsweise solche Bücher lesen, wundert es mich da wirklich noch, wenn ich Aufsätze in genau diesem Stil vorgelegt bekommen? Wo ist eigentlich in heutigen Kinderbüchern die Lust am Erzählen geblieben? Ich finde es ziemlich schade, dass sich Autoren darauf konzentrieren, möglichst schnell zu schreiben - diese Geschichte hat so viel Potential, und all das wird verschenkt durch einen ziemlich nervigen Satzreihen-Stil.

Sonntag, 8. November 2015

[Hörbuch] William Buter Yeats - Gedichte/Poems (verschiedene Sprecher)

William Buter Yeats. Ire. Liternaturnobelpreisträger. Und der Mann, der sich immer wieder von den Sagen und Mythen seiner Heimat inspirieren lässt, um einen romantisch-verklärten, sprachgewaltigen Eindruck auf seinen Leser wirken zu lassen.

Kein Wunder, dass ich mir dieses Hörbuch als Rezensionsexemplar habe schicken lassen. Die CDs haben mich auf meinen täglichen Fahrten zur Arbeit begleitet und auch, wenn Poesie am Morgen manchmal etwas schwer verständlich ist, war ich zumindest sehr gefesselt davon.

Zunächst einmal war ich von der sehr schönen Aufmachung des Hörbuchs angetan, das beigelegte Booklet enthält eine Übersicht aller Sprecher und die wichtigsten Stationen von Keats abwechslungsreichem Leben, das vor 150 Jahren begann. Dass dann auch noch drei Gedichte auf CD 1 nicht einfach nur von Yeats geschrieben, sondern auch von ihm vorgetragen werden, war allerdings wirklich toll. Ich liebe ja Autorenlesungen, denn wer, wenn nicht der Autor weiß, wie er Betonungen gesetzt haben möchte. Allerdings muss man vorgewarnt sein, diese Aufnahmen sind aus den Dreißigern und dementsprechend leicht verrauscht.

Die Idee, die Gedichte nicht nur im Original oder nur in Übersetzung zu präsentieren, gefällt mir wahnsinnig gut. Das lädt einfach zu einem Vergleich ein, wenn man in der Lage ist, Yeats Lyrik auf Englisch ohne Textvorlage zu folgen. Was ich nicht ganz so gut finde, ist die Tatsache, dass CD 1 nur Originalsprache und CD 2 nur Übersetzungen beinhaltet, ich hätte es schöner gefunden, die Gedichte sozusagen zu kontrastieren, dadurch hätte man dann auch mal vergleichen können, wie viel man versteht, ohne hin und herzuspringen.

Insgesamt finde ich die CDs wirklich großartig. Vielen Dank, dass ich sie ausprobieren durfte, für mich ein totales Hör-Highlight dieses Jahr.

Mittwoch, 4. November 2015

[Rezensionsexemplar] Teresa Simon - Die Frauen der Rosenvilla

Anna Kepler, die Erbin einer alten Dresdener Schokoladen-Dynastie, hat gerade ihre zweite Choclaterie in der Elbstadt eröffnet und widmet sich voller Inbrunst der Renovierung der alten Familienvilla. Der Rosengarten ist dabei ihre besondere Leidenschaft, den sie ganz mit den ursprünglich vorhandenen Sorten füllen will. Dabei findet sie eine alte Schatulle, die mit Erinnerungsstücken vollgestopft ist - und mit Tagebuchseiten, die von drei verschiedenen Frauen stammen, die einst in der Rosenvilla lebten. Emma begibt sich auf Spurensuche und stößt auf ein lange verdecktes Familiengeheimnis ...

Hach ja, da ist es wieder. Mein Genre. Düstere Familiengeheimnisse, die ans Tageslicht drängen. Kein Wunder, dass ich mich für dieses Buch als Rezensionsexemplar entschieden habe, es klang wirklich gut. Allerdings hat sie mich einfach nicht packen können, diese Geschichte aus der Vergangenheit. Das liegt an zwei großen Kritikpunkten.

Das eine ist die Geschichte an sich, die so unglaublich viele Zufälle aufeinander häuft, bis man sich fühlt wie bei einer Runde mit diesem Holzturm, aus dem man Klötzchen nimmt, um sie oben wieder drauf zu setzen. Die Glaubwürdigkeit der Handlung finde ich wahnsinnig unbefriedigend, sie ist löchrig wie meine heißgeliebten Kuschelsocken. Als dann auch noch Phil die Bühne betrat, war es für mich einfach vorbei - ab da war die Geschichte für mich sowas von vorhersehbar und belanglos plätschernd. Insgesamt wirkten viele der Figuren auf mich nicht ausgebaut, sondern nur deshalb in den Roman eingebaut, weil sie die Geschichte voranbringen mussten. Das sind vor allem Jan und Hanka, zwei eigentlich ganz interessante Figuren, die aber so plakativ nach Klischee schreien, dass man es sich nicht vorstellen kann.

Viel mehr gestört hat ich aber das so schwach spürbare Erzähltalent dieser Autorin, hinter deren Pseudonym sich eine namhafte Autorin verstecken soll. Für mich wurde gerade in den Tagebuchpassagen kaum die Zeit wirklich zum Leben erweckt - nur ein bisschen geschraubtes Deutsch reicht für mich nicht. Ich habe diese Zeit einfach nicht schmecken oder fühlen können, das war so blass und aufgesetzt. Genauso wie ich die natürlich vorhandene Nationalsozialismus-Geschichte als extrem klischeehaft empfunden habe. Mensch, da hat man schon eine Geschichte, die in Dresden spielt, warum dann nicht mal DDR-Geschichte mit einbringen? Nur so als Idee ... aber dann hätte man ja nicht in die Klischeekiste greifen können. Das ganze wurde dann noch gepaart damit, dass Zeilen gradezu geschunden werden, indem wir Anna immer wieder bei der Pralinenherstellung zuschauen dürfen. Es ist mir persönlich als Leser relativ wumpe, mit wieviel Liebe sie Schokolade (oder Schoko, wie ja permanent im Buch auftaucht - eine der wenigen Abkürzungen, bei der sich mir echt die Zehennägel aufrollen) in Tüllen träufelt und zärtlich einschmilzt für die perfekte Praline. Übrigens ist "Elbfeuer" ein ziemlich doofer Name für eine Praline auf Rosenbasis. Was genau ist feurig an Rosenlikör?

Ihr seht schon, ich werde langsam etwas ungerecht. Mich haben die letzten fünfzig Seiten einfach echt genervt, weil da dann so extrem auf die Kitschdrüse gedrückt wurde, dass sie mir das ganze Buch vermiest haben. Schade eigentlich, das Buch hätte so viel schöner sein können ...

[Buchgedanken] Suzanne Collins - Die Tribute von Panem. Gefährliche Liebe

Katniss Everdeen hat die Hungerspiele gewonnen, aber um welchen Preis? Zwar lebt ihr Distrikt jetzt zumindest ein Jahr in relativem Wohlstand und ihre Mutter und ihre Schwester sind gut versorgt, aber dafür hat sie sich das Kapitol zum Feind gemacht, als sie es vor aller Öffentlichkeit herausgefordert hat. Und dann kommen auch noch Gerüchte auf, dass es in anderen Distrikten zu Aufständen gekommen sein soll. Katniss ahnt, dass ihre Gegner nicht so einfach aufgeben - und tatsächlich haben sie einen perfiden Plan ersonnen. Die 75. Hungerspiele werden zu einem Best-Off gemacht, die Tribute der letzten Jahre treten gegeneinander an. Und so sieht sich erneut Katniss gemeinsam mit Peeta in der Arena, in der es diesmal nicht nur darum geht, zu überleben, sondern vielelicht einen Hoffnungssschimmer für alle zu setzen ...

Wow, ich bin beeindruckt. Der zweite Band der Tribute-Serie glänz zunächst eimal mit einer konsequenten Entwicklung dessen, was Katniss mit ihrem Verhalten im ersten Band angerichtet hat. Und immer wieder sind im Roman Szenen, in denen kleine Entscheidungen in einer Situation Auswirkungen auf die spätere Handlung haben werden. Das ist durchdacht und gut komponiert, hat mir wirlich gefallen. Ein Wiedersehen mit sehr vielen der alten Charaktere ist natürlich auch gegeben, und insbesondere die Szenen mit Präsident Snow sind gruselig und wenig unterhaltsam, sondern vor allem zum Luft schneidend spannend.

Was mir allerdings ein wenig auf den Senkel ging, ist diese doofe "Mädchen zwischen zwei Jungen"-Komponente, die der Geschichte vermutlich zusätzlich Würze verleihen soll, auf mcih einfach extrem langweilig wirkt. Es wäre an sich schon spannend genug, wie Katniss immer wieder versuchen muss, ein Verhältnis mit Peeta aufzubauen, da braucht es den (meiner Meinung nach) stinklangweiligen Gale nicht noch als Gegenspieler. Aber das ist vermutlich einfach dem teenager-Publikum gesxchuldet, für die das Buch erstmal gedacht war. Von daher ein kleiner Punktabzug, insgesamt aber eine spannende Geschichte und ein guter Start in den November.

Montag, 2. November 2015

[Buchgedanken] Hjorth & Rosefeldt - Die Menschen, die es nicht verdienen

Als in einer Schule während der Sommerferien eine Leiche entdeckt wird, steht schnell fest: dieser Mörder ist nicht wie andere. Denn bei dem Opfer handelt es sich um den Teilnehmer einer Realityshow, an seinen  Rücken getackert ist ein Test mit sechzig Fragen der Allgemeinbildung - mit niederschmetterndem Ergebnis. Als dann eine zweite und dritte Leiche auftauchen, sehen sich Sebastian Bergman und das Team der Reichspolizei einem Täter gegenüber, der ein klares Ziel verfolgt: die Ausrottung der Dummheit. Statt Berühmtheit um jeden Preis erreichen zu wollen, soll sich die Gesellschaft wieder konzentrieren lernen auf die wahren Werte. Auf Bildung. Auf Anstand. Auf die Lust nach Wissen. Aber zählt das in einer Gesellschaft, in der dank Google und Wikipedia Wissen schnell erreichbar ist und man stattdessen eher lernen sollte, dieses Wissen zu suchen statt stur auswendig zu lernen?

Wow, mit diesem Buch haben sich die Autoren auf ein ziemlich spannendes Gedankenspiel eingelassen, das mich als Leser extrem gefesselt hat. Ich merke es ja bereits bei meinen Schülern, die mich immer anschauen, als wäre ich vom Himmel gefallen, weil ich aus dem Stehgreif Fragen beantworten kann, die für mich eigentlich ziemliches Allgemeinwissen sind. Und bereits da komme ich dann manchmal ins Grübeln, ob ich jetzt einfach nur wahnsinnig intelligent bin und viel weiß, oder ob ich halt in der Lage bin, das, was ich weiß, zu übertragen, bei Trivial Pursuit aber genauso schnell an meine Grenzen gerate. Insofern war die gesamte Idee hinter dem Buch für mich sehr stimmig und gut durchdacht, ich werde als Leser selbst dazu aufgefordert, mir Gedanken zu machen. Dementsprechend zieht der Fall diesmal seine Spannung, zumindest für mich, weniger aus der Suche nach dem Mörder, sondern aus den Überlegungen zum Umgang mit einem solchen Täter.

Was natürlich bei den Büchern der Herren Hjorth und Rosenfeldt viel wichtiger ist, ist die Auflösung des letzten Cliffhagers. Der hatte es ja ziemlich in sich, wurde hier doch bei einem der Teammitglieder eine Neigung offenbart, die Böses ahnen lässt. Und ja, auch diesmal dreht sich im Buch sehr viel um die Beziehungen im Team, das nach den Offenbarungen um Sebastian vor einer Zerreißprobe steht. Mit dem Auftauchen einiger Verstrickungen und Verwicklungen endet das Buch dann wieder mit einem ... nein, weniger ein Cliffhanger als einer Wegkreuzung, die jetzt entweder dazu führt, dass die Serie im nächsten Band beendet wird oder völlig neu wiederaufersteht. Zu wünschen wäre ihr beides, denn Hjorth und Rosenfeldt gehören zur Zeit zu den spannenden skandinavischen Autoren. Ich freue mich richtig drauf, was hier noch passieren wird.