Donnerstag, 8. Dezember 2016

[Rezensionsexemplar] Fiona Palmer - Das Glück der roten Erde

Isabelle Simpsons größter Wunsch ist es, eines Tages Gumlea, die Farm ihrer Familie, zu übernehmen. Doch anstatt seiner Tochter eine Chance zu geben, macht ihr alternder Vater den undurchsichtigen Nachbarssohn Tim Simmons zu seiner rechten Hand. Tief verletzt kehrt Isabelle ihrem Zuhause den Rücken. Erst als eine Tragödie die Zukunft von Gumlea bedroht, erhält sie endlich die Gelegenheit, sich zu beweisen. Doch bei ihrer Heimkehr muss Isabelle erkennen, dass ihre Welt nicht mehr die ist, die sie einmal war …

Hach ja. Manchmal muss es bei mir einfach auch mal richtig seicht im Lesestoff zugehen und ich brauche Herzschmerz, Dramatik und möglichst einen exotischen Schauplatz. Dementsprechend glücklich war ich, als ich beim bloggerportal diesen Roman als ebook bekommen habe, um mich damit mal einen Tag auf die Couch zu verziehen. Und ja, ich gebe zu, diese Liebes- und Familiengeschichte rund um Izzy hat mir schon irgendwie das erkaltete Herzchen gewärmt, das war nett gemacht und erfrischend unrührselig erzählt. Hochklassige Dialoge muss man jetzt nicht erwarten, aber ich fand die gesamte Autorenstimme deutlich besser als bei anderen vergleichbaren Romanen. Allerdings war mir in dem Buch dann doch ein wenig zu viel Info über Farmleben in Australien - dass die Autorin hier diesen Background hat und sich auskennt, hat man echt gemerkt. Nach der Hälte hatte ich das Gefühl, selbst ich könnte jetzt Gumlea übernehmen, wenn ich mir einen Penis wachsen lasse :-p

Fazit: Es hätte kitschig werden können, das schafft die Autorin allerdings zu umschiffen. Nicht immer elegant zu umschiffen, sondern mehr wie mit einem schwer steuerbaren Floß, aber man kriegt einen netten Roman für einen schönen Herbsttag auf der Couch. Was will man manchmal mehr ;-)

[Buchgedanken] Ellen Alpsten - Weiße Schuld

Nach einer für sie sehr schmerzhaften Trennung hat sich die Journalistin Charlotte Frank von Deutschland nach Kenia entsenden lassen. Hier will sie für einen kleinen Fernsehsender in Nairobi arbeiten. Schon kurz nach ihrer Ankunft gerät sie versehendtlich in einen der größten Slums der Stadt und wird Zeugin, wie ein Albino fast zerstückelt wird. Diesesn wir in Kenia magische Kraft nachgesagt und ihre Körper sind wertvolle Bestandteile für schwarze Magie. Auf eigene Faust beginnt sie, die Hintermänner dieser Taten zu suchen ...

Ach, ich weiß auch nicht. Die paar Rezensionen auf amazon überschlagen sich vor Begeisterung, aber ich kann die einfach nicht nachvollziehen. Für mich war das Buch nicht wirklich spannend. Die Figuren erstickten geradezu in Klischees, effektiv war dadurch auch schon sehr schnell für mich klar, wohin der Hase läuft. Grade am Ende hatte ich spontan diese Szenen aus dem zweiten Indiana-Jones-Film vor Augen, wenn der nette Maharadscha-Knabe plötzlich das Herz des Archäologen rausreißen will. Das war mir dann doch zuviel Schwarzer Zauber und zu wenig glaubwürdige Beschreibung. Aber vor allem dieses permanente Gut-Sein von Charlotte, der Kämpferin für die Unterdrückten, ging mir nach einigen Seiten bereits gehörig auf den Senkel. Mein Gott, dieses ständige Betonen ihrer Kinheitstraumata, dank derer sie sich so gut hineinversetzen kann in die Unterdrückten dieser Welt ...#

Sehr viele Szenen waren für mich einfach auch extrem unrealistisch (zum Beispiel dieses spontane Anfreunden auf der Toilette!) und ich habe beim Lesen wirklich hin und wieder die Augen verdreht, bis mein Freund mich mal fragte, was mit mir los sei. Gestört hat mich darüber hinaus, dass man hier kaum etwas über kenianische Kultur erfahren kann, sondern es wurde Kenia quasi als Ort des Schreckens definiert, der nur dank der hehren Bemühungen der Weißen Kultur und Ordnung erfährt, während die Schwarzen hier prinzipiell die Bösen oder die Angestellten waren. Nee, irgendwie war das Buch nichts für mich und ich rate echt nicht zum Lesen. Schade, aber was will man machen.

[Buchgedanken] Riad Sattouf - Der Araber von morgen Band 2

Riad Sattouf ist wieder da. Ich hatte, nachdem ich über das Bloggerportal schon den ersten Band lesen durfte, nur darauf gewartet, den zweiten Band der Kindheitserinnerungen im graphic novel Formal aufschlagen zu können :-)

Immer noch ist der kleine Riad das blondgelockte Kindchen, das von seinem arabischen Vater und der französischen Mutter zwei verschiedene Welten vermittelt bekommt. In diesem Band ist es ebenfalls wieder die Figur des Vaters, die bei mir Beklemmungen ausgelöst hat. Einerseits ein studierter Mann, der im Westen gelebt hat und eine Frau geheiratet hat, die westliche Erziehungsideale hat und nur wenig arabisch spricht, und andererseits ein furchtbarer Sturkopf, der um jeden Preis zu den in diesem Fall syrischen Eliten gehören will und dafür dazu bereit ist, alle westlichen Einstellungen fallen zu lassen. Sei es in Bezug auf Kindererziehung, schulische Ansprüche oder dem Umgang mit Frauen - hier prallen Welten aufeinander, die den Leser immer wieder fordern.

Schlucken musste ich vor allem auch, wenn ich sehe, wie wenig Riads Mutter anscheinend Konter gibt. Sie lässt sich von ihrem Mann einspannen, wichtige Persönlichkeiten (beziehungsweise deren Ehefrauen) zu hofieren, sie lässt die strenge Erziehung der Kinder ohne Widerspruch zu, sie ist quasi auch nichts weiter als ein Einrichtungsgegenstand der für den Haushalt notwendig ist. War das wirklich so, ist das das Empfinden von Sattouf oder künstlerische Freiheit? ich weiß es nicht, bin aber wirklich neugierig, was da noch passiert in den Folgebänden ...

Auch diesmal ist die Farbgestaltung des Comics spannend. Hier dominiert vor allem wieder grün und rot in Hintergrundfarben, die restlichen Bilder sind schwarzweiß und sehr klar gehalten, meine Augen halten sich eher an den Flächen fest als am Detail. Dafür trägt die Erzählung mich durch die Seiten und ich will immer mehr erfahren. Ja, die Comics sind hervorragend, gerade auch, weil sie eine Sicht einnehmen, die ich als Westeuropäerin verstehen will und die mir einzunehmen doch immer sehr schwer fällt. Eine klare Empfehlung auch dieses Mal, ich finde es wahnsinnsig wichtig, nachvollziehen zu können, wie viele arabische Männer in den Achtzigern tickten, um dadurch auch die politische Entwicklung auf der arabischen Halbinsel verstehen zu lernen. Also auf jeden Fall reinschauen!!

[Buchgedanken] Isabel Allende - Paula

„Hör mir zu, Paula, ich werde dir eine Geschichte erzählen, damit du, wenn du erwachst, nicht gar so verloren bist.“ Im Dezember 1991 fällt Isabel Allendes Tochter Paula in Madrid ins Koma. Die Ärzte machen wenig Hoffnung und Allende verbringt die nächsten Monate am Krankenbett, wo sie zusehen muss, wie ihr Kind aus dem Leben schwindet. Also tut sie das, was sie kann, und beginnt zu erzählen. Von ihrer Familie und damit auch von Chile.

Ich habe vor einigen Jahren sehr begeistert "Das Geisterhaus" gelesen und dann "Paula" gekauft, aber nie wirklich zur Hand genommen. Die "Rund um die Welt"-Challenge war dann die Gelegenheit, mich wieder einmal nach Chile zu begeben. Isabel Allende ist eine sehr ausschweifende Erzählerin und ihre melancholische Erzählstimme muss man mögen, beziehungsweise sich sehr willentlich darauf einlassen. Wenn mand as aber tut, dann findet man in "Paula" einerseits sehr viele Dinge, die einen an "Das Geisterhaus" erinnern, gleichzeitig aber eine eher realistische Dastellung des Lebens in Chile. Auch hier trifft man wieder auf geradezu mystische Figuren, die einem im Laufe der Zeit mehr und mehr ans Herz wachsen. Paulas langsames Sterben schwebt über allen Erinnerungen, man weiß, wie das Buch enden wird, aber hofft gleichzeitig mit Allende, dass diese Familiengeschichte die Tochter zurück ins Leben trägt. Die Gegenwartshandlung, in denen man Allende ins Krankenhaus folgt, hat mich dabei immer wieder schlucken lassen, während die Rückblenden nach Chile mich vor allem fasziniert haben. Die Geschichte dieses Landes ist so vielfältig, so bunt und so verwickelt, dass ich mich sehr gern habe entführen lassen.

Ja, "Paula" war ein schönes Highlight in diesem Jahr und ich glaube, ich habe es genau zur richtigen Zeit gelesen. Manchmal muss man ein Buch wie guten Wein liegen lassen ;-)

[Buchgedanken] Graeme Simsion - Das Rosie-Projekt

Don Tillman ist Universitätsprofesor für Genetik und eigentlich eine gute Partie: gutaussehend, erfolgreich und eignetlich ganz sympathisch. Vorausgesetzt er hält den Mund und sich in seinen eigenen vier Wänden auf, denn bedauerlicherweise hat es Don nicht so mit Sozialkompetenz. Ironie ist ihm kein Begriff, Fakten sind ihm näher als Gefühle und Empathie sucht man bei dem undiagnostizierten Asperger-Kandidaten meist vergeblich. Don möchte aber heiraten und die Suche nach der Traumfrau geht er ganz wissenschaftlich an: Mit einem 16-seitigen Fragebogen. AAuf diese Weise will er die Eine finden, die nicht raucht, nicht trinkt, nicht unpünktlich und auf keinen Fall Veganerin ist.
Und dann kommt Rosie. Unpünktlich, Barkeeperin, Raucherin. Offensichtlich ungeeignet. Aber Rosie verfolgt ihr eigenes Projekt: Sie sucht ihren biologischen Vater. Dafür braucht sie Dons Kenntnisse als Genetiker. Ohne recht zu verstehen, wie ihm geschieht, lernt Don staunend die Welt jenseits beweisbarer Fakten kennen und stellt fest: Gefühle haben ihre eigene Logik ...

Das Buch habe ich relativ zügig weggelesen, denn Simsion hat ein Händchen für schnelle Dialoge und durchaus auch für Situationskomik, durch die er mich die ersten 200 Seiten ganz gut getragen hat. Gefallen haben mir die durchaus witzigen Nebenfiguren, insbesondere Dons bester Freund und Uni-Casanova Gene, insbesondere, weil diese offenen Beziehung von Gene und seiner Ehefrau durch Dons besonderen Blickwinkel sehr normal wirkt und das tatsächlich mal eine neue Darstellung ist. Insofern alles prima. 

Nach diesen 200 Seiten fing es allerdings an, sich totzulaufen, denn je länger ich las, desto mehr hatte ich das Gefühl all diese Szenen schon zu kennen. Das Buch lebt vom Klischee des autistischen Nerds, der alles außerhalb seiner eigenen Gedankenwelt mit staunenden Augen betrachtet und nie so richtig ankommt in der realen Welt. Kennen wir alle, die Sorte Sheldon Cooper eben. Um ehrlich zu sein, hat man bei dem Buch immer wieder Sheldon vor Augen, nur ohne Geek-Shirts. Dadurch verliert das Buch im Laufe der letzten 100 Seiten extrem an Fahrt, auch, weil man das Ende einfach vorher sehen kann. Klar hatte ich keine schöngeistige Hochliteratur erwartet, aber ein bisschen weniger offensichtliche Wendungen hätte man sich schon gewünscht. Insbesondere jedoch waren die dann doch immer gleichen Sammlungen von DNA-Material zur Vaterschaftstestung nicht mehr wirklich mitziehend und ich gestehe, dass ich da dann ein paar Absätze übersprungen habe. Trotzdem hat mich das Buch unterhalten, was ja schon einmal ein Pluspunkt ist.

Fazit: Es tut nich weh, es ist ganz nett zu lesen - und wenn man das Hirn freikriegen möchte, ist es mit Sicherheit eine gute Wahl ;-)


Dienstag, 29. November 2016

[Buchgedanken] Stephen King - Mr Mercedes

2009 stecken die USA in einer völligen Rezession und so stehen die Arbetslosen beriets am Abend vor der Eröffnung einer Jobbörse Schlange. Im Morgengrauen nähert sich ihnen ein grauer Mercedes, gibt plötzlich Gas und tötet 12 Menschen, darunter eine Mutter mit ihrem Säugling. Der Täter entkommt und hinterlässt im Fahrzeug einen Smilie-Aufkleber und eine Clownsmaske. Ein Jahr später erhält der pensionierte Detective Bill Hodges einen Brief vom Täter. Der macht sich über Hodges lustig und kündigt eine weitere Tat an. Dumm nur, dass er dadurch den Jagdtrieb des übergewichtigen Ex-Cops weckt, der sich zusammen mit dem technikaffinen Nachbarsjungen auf seine Spur setzt ...

Stephen King mal wieder. Ich kann ja einfach nicht an ihm vorbeigehen und das Buch ist mir in der Bibliothek quasi im Vorbeigehen in die Tasche gehüpft. Spannend fand ich bereits den Klappentext, der so gar nicht nach Stephen King klingt. Nicht, weil kein übersinnliches Element erwähnt wird (in seinen Novellen beweist er immer wieder, dass er auch ohne das Horror schreiben kann), sondern weil das so nach einem ganz typischen Krimiplot klang. Und in der Tat ist das das bislang untypischste King-Buch, das mir untergeommen ist - das scheint auch King zu merken, der das Buch bereits dadurch von seinen anderen Büchern kapselt, dass er die als explizit fiktionale Geschichten erwähnt, statt wie andere Romane durch dieselben Orte oder Ereignisse miteinander zu verknüpfen.

Am Buch extrem gut gefallen hat mir der Einstieg. Je älter King wird, desto mehr wird er zu einem sehr genauen Beobachter einzelner Personen, die er durch Handlung und Sprache charakterisiert wie kein zweiter. So begleite ich als Leser zunächst Augie mit zur Eröffnung der Jobbörse und werde reingeworfen in dieses Heer der Arbeitslosen. Im Anschluss erlebe ich Bills langweiliges Rentnerdasein und bin wie er der Meinung, dass Selbstmord angesichts des Fernsehprogramms eine ziemlich gute Option darstellt. Dann kommt es zum Bruch, denn mit einem Mal wechsele ich de Perspektive zum Täter. Dieser Brady Hartsfield - kein Spoiler, denn man wird als Leser nicht im Unklaren gelassen - ist ein Antagonist, der ziemlich weit oben in der Liste der Psychopathen zu finden ist. Am Anfang fand ich ihn fast schon zu überzeichnet, das bessert sich im Laufe der Zeit ein wenig.

Trotzdem hat mich das Buch nicht ganz überzeugt, was vielleicht daran liegt, das King einerseits sehr konsequen die Kiste der hardboiled-detective-stories öffnet, andererseits aber seine Protagonisten ehr wie die weichgespülte Teddybär-Variante von Sam Spade wirken. Bill ist einfach ein bisschen zu peinlich berührt ob seines Äußeren, einen Ticken zu alt und eine Spur zu pensioniert, um richtig hart drauf zu sein. Und auch die Yo-Bro-Fassade seines Helfers ist ja letztlich nur eine Fassade eines hochintelligenten potentiellen Elite-Uni-Studenten. Gekoppelt mit diesem absoluten Super-Schurken war ich immer mal wieder versucht zu sagen "jetzt werd mal ein bisschen realistischer, alter Junge", und das ausgerechnet bei Stephen King. Nichtsdestotrotz war das Buch kein Reinfall, ich wollte wissen, wie sie schließlich Hartsfield auf die Schliche kommen und wie das alles enden wird.

Fazit: für einen krimi zu light, für einen King wieder mal echt gut.

[Buchgedanken] Jay Asher - Tote Mädchen lügen nicht

Als Clay Jensen aus der Schule nach Hause kommt, findet er ein Päckchen mit Kassetten vor. Er legt die erste in einen alten Kassettenrekorder, drückt auf »Play« – und hört die Stimme von Hannah Baker. Hannah, seine ehemalige Mitschülerin. Hannah, für die er heimlich schwärmte. Hannah, die sich vor zwei Wochen umgebracht hat. Mit ihrer Stimme im Ohr wandert Clay durch die Nacht, und was er hört, lässt ihm den Atem stocken. Dreizehn Gründe sind es, die zu ihrem Selbstmord geführt haben, dreizehn Personen, die daran ihren Anteil haben. Clay ist einer davon ...

Der Hype um das Buch ist so ein bisschen an mir vorbeigegangen - ich bin zu wenig begeisterter Young-Adult-Leser und zu wenig inder Blogszene drin, glaube ich. Aber irgendwie habe ich das Buch im Laufe der Zeit in jeder Buchhandlung stapelweise liegen sehen und dachte mir, ich wage mich doch mal ran. Aber als hätte ich es geahnt und deshalb so lange nicht zum Buch gegriffen, war es für mich nicht die große Erleuchtung. Ich habe, um ehrlich zu sein, einige Probleme mit dem Kerngedanken des Buchs. Das Problem, meiner Meinung nach, besteht darin, dass grade für Jugendliche, die in Hannahs Situation sind, das Buch Selbstmord letztlich als die Möglichkeit verkauft, es den ganzen Ärschen der Schule mal zu zeigen. Die kommen nicht ins Nachdenken, bis Hannah zu ihnen spricht. Die tote Hannah wohlgemerkt.Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass Asher glaubt, dass eine lebendige Hannah nicht genug Macht hat, ihre Peiniger zum Nachdenken zu bringen - ihr Selbstmord ist also dieeinzige logische Handlungsmöglichkeit für sie. Ob das bei ihren Leidensgenossen in der Realität auch so ankommt, weiß ich natürlich nicht, aber ich halte es für gefährlich, dass diese Darstellung gewählt wird. Vielleicht hätte ich mir voneinem Buch zu der Thematik Mobbing mehr Empowerment erwartet als eine Selbstmörderin, die sich sehr lange in Selbstmitleid ergeht.

Ja, das ist das zweite, was das Buch für mich wenig lesbar gemacht hat. Hannah suhlt sich im Selbstmitleid und schiebt die Schuld an ihren Problemem konsequent ihren dreizehn "Gegnern" zu, obwohl deren Beteiligung an ihrem Selbstmord zum Teil wirklich sehr an den Haaren herbeigezogen wirkt. Nein, natürlich ist Hannah nicht Schuld daran, dass sie gemobbt wird, das will ich gar nicht sagen, aber dennoch machte sich mir beim Lesen immer mehr das Gefühl breit, dass Hannah hier krampfhaft nach einer Begründung sucht, ohne die eigentlichen Probleme in ihrem Leben - niemanden zu haben, an den sie sich wenden kann - zu problematisieren. Stattdessen lamentiert sie darüber drei Jahre zuvor als der geilste Arsch der Jahrgngsstufe gewählt worden zu sein ... hmmmmmm, für mich war das nicht wirklich überzeugend, und das, obwohl ich selbst in der Pubertät dank einiger Klassenkameraden die Hölle durchgemacht habe. Es waren einfach immer so vordergründige Gründe für ihren Selbstmord, wirklich tief eingedrungen ist man nicht, und dadurch bleibt das Buch für mich - auch in der Zeichnung der restlichen Figuren - viel zu sehr an der Oberfläche. 

[Buchgedanken] Oliver Hilmes - Berlin 1936:Sechzehn Tage im August

Ich bin so ein Vier-Jahres-Sportschauer, egal ob Fußball oder Leichtathletik, und irgendwie ist dieses Buch die Kombination aus so ziemlich genau allem, was mich anspricht: mein Lieblings-Sachbuchautor schreibt ein Buch über die Olympischen Spiele 1936, das kann nur was werden.

Oliver Hilmes hat ja bisland nur Biografien geschrieben. Insofern war es für mich ganz interessant, mal zu sehen, wie er ein Buch angeht, das keine Person zum Thema hat, sondern ein Ereignis. Dieses Buch ist dementsprechend kein trockenes Sachbuch, sondern er nähert sich, das vorneweg, dem Ganzen ebenfalls über Personen an.

Für jeden einzelnen der 16 Tage Olympische Spiele stellt er eine Vielzahl von Personen in den Mittelpunkt, die direkt beteiligt sind an der Organisation "Olympia", die als Zuschauer oder Sportler im Stadion sind, die in Berlin das Stadtbild prägen - oder manchmal auch gar keine Verbindung aufweisen, in gewisser Weise aber ebenso die Spiele prägen werden, weil über sie nicht berichtet wird. Mit Hilfe von offiziellen Anweisungen wird sehr schnell klar, dass für die Nationalsozialisten Olympia in erster Linie eine Möglichkeit war, die Friedliebigkeit Deutschlands zu demonstrieren und Sympathien im Ausland zu sammeln. Für zwei Wochen werden in Berlin die Ausgaben des "Stürmer" mal nicht öffentlich ausgehängt, werden Ausgrenzung und Restriktionen nur im ganz Kleinen spürbar. Selbst die Zeitungen berichten überraschend positiv über die Sieger anderer Nationen- klar, werden doch nahezu täglich aus dem Propagandaministerium Anweisungen herausgegeben, wie über die Spiele geschrieben werden darf. Dabei wäre es für mich schön gewesen, auf einzelne Bereiche noch etwas stärker einzugehen, vor allem was die für Deutschland antretenden jüdischen Sportler angeht. Da bleibt das Buch dann doch sehr stark an der Oberfläche und ich hab parallel sehr viel recherchiert und im Internet nachgelesen. Trotz allem sind diese Miniaturen faszinierend und das Buch macht grade auch dadurch Lust auf mehr Informationen.

Wie immer ist das Buch informativ und unterhaltsam geschrieben, im typischen Hilmes-Stil, der einen sehr gut durch die Spiele führt. Insgesamt also eine klare Kaufempfehlung, die als Einstieg in die Olympiade 1936 gut geeignet ist.

Sonntag, 28. August 2016

[Buchgedanken] Rosa Zapato - Der Duft des Regenwalds

Als die junge Malerin Alice Wegner 1903 in Veracruz eintrifft, will sie eignetlich nur ihren Bruder treffen. Doch schon kurz nach ihrer Ankunft erfährt sie, dass er gestorben ist, ermordet nach einem alten Maya-Ritual. Welchen grund kann es geben, einen jungen archäologen zu beseitigen? Alice gibt nicht auf und stößt dabei auf das Geheimnis einer Maya-Prinzessin ...

Versuchen wir bei dieser Rezension mal einen anderen Ansatz. Stellen wir uns doch erst einmal die Frage, warum ich dieses Buch lesen wollte.

Punkt eins: es spielt in Mexiko. Neues Land, neue Punkte - yay. *häkchen an meiner Landkarte mach* Punkt zwei: der Klappentext klang ziemlich cool. Hey, altes Geheimnis, Maya, Mord! Das sind die Zutaten, aus denen wird bei manchen Autoren ein Mystery-Thriller mit allem drum und dran, klingt doch gut! Dass da außerdem die Rede davon ist, dass einem das Buch Mexiko vor alle Sinne führt, klang noch besser. Und drittens (und ja, das hat mich tatsächlich dazu gebracht, das Buch mitzunehmen) habe ich mich gefragt, wie dieser Inhalt dann in Verbindung steht zu diesem kitschigen Titelbild, das der Piper-Verlag gewählt hat und dessen titelfliegender pinker Schmetterling gemeinsam mit einigen Artgenossen jedes einzelne Kapitel einleitet. Entweder verbirgt sich hinter diesem Buch ein ziemlich cooler Thriller oder eine herzzerreißende Liebesgeschichte, aber wie soll das beides verbunden werden? Die Neugier war geweckt.

Der Einstieg war erst einmal typisch gewählt für den Stil des "großen geheimnises aus der Vergangenheit". Eine Maya-Königin wird geschildert, deren Stadt überfallen wird und der Palast muss deshalb fliehen. Allerdings ist mir so ein bisschen unklar, worauf das alles hinauslaufen soll, denn abgesehen davon passiert nichts, kein Geheimnis wird angedeutet und die Mayakultur wird nur so angerissen ins Spiel gebracht, dass ich eher irritiert bin. Dann bricht die Vergangenheit auch schon ab und wir landen in Berlin 1903 bei der Hauptfigur Alice.

Alice soll wieso oft das Bild der emanzipierten jungen Frau bieten, die sich von den Zwängen der Gesellschaft befreit und bla bla bla, ihr kennt das ja. Selbstverständlich lebt sie alleine, selbstverständlich ist sie von ihrer Familie verstoßen, selbstverständlich trägt sie mit Vorliebe hochgeschlossene Blusen und hochgestecktes Haar (und auch wenn sie blond ist, habe ich bei ihr sofort 1:1 Raquel Welsh in "Die Mumie" vor Augen). Und selbstverständlich liebt sie ihren Bruder heiß und innig. Der ist übrigens meiner Meinung nach noch schlimmer gezeichnet und trägt den liebenswerten Vornamen Patrick. 1903. Zu seiner Geburt so um 1880 herum war das ja der total angesagte Name, kam gleich hinter Jeremy-Pascal. Dieser Patrick soll jetzt also besucht werden im fernen Mexiko. So reist sie denn per Dampfer und macht doch natürlich sogleich Bekanntschaft einer mexikanisch-deutschen Familie, die so herzhaft klischeelastig geschildert wird, dass es fast eine Schande ist, dass sie danach nie wieder auftauchen. Dafür tritt in Veracruz gleich das nächste Klischee aus der Mottenkiste in gestalt von Juan Ramirez. (Ja, das ist sein Vor- und sein Nachname, aber nicht nur ich, auch die Autorin scheint dem feurigen Südländer so verfallen zu sein, dass sie gleich immer den Komplettnamen verwendet. Stellt euch bitte im folgenden nach seinem Namen noch einen feurigen Kastagnettenschlag oder sowas vor). Juan Ramirez ist DER Mann der feuchten Höschen. So sexy. So galant. So wunderbar. So spanisch! bereits nach drei Sätzen hängt er mir zum Hals heraus.

Immer noch erfahren wir nichts über diese Maya-Prinzessin in der Vergangenheit, stattdessen geht es jetzt weiter zur Plantage eines weiteren Deutschen, wo Patrick gewohnt hat. Jetzt sollte eigentlich der Teil losgehen mit "ich will herausfinden, wer meinen Bruder getötet hat", also die Krimihandlung. Die hat sich aber anscheinend im Regenwald verlaufen, denn stattdessen hören wir quasi nur noch, wie toll doch Andrés ist. Wer ist denn jetzt das schon wieder??? Der mögliche Mörder ihres Bruders, dem sie zur Flucht verhilft und der dann doch zu ihr kommt oder auch irgendwie nicht oder ... ach ersnthaft, es ist mühselig, dieses Gesabbel nachzuerzählen, auf dem sich die nächsten 300 Seiten hinschleppen, ohne dass etwas Nennenswertes passiert. dieses Buch verliert mit zunehmender Seitenzahl mehr und mehr die Handlung und irgendwann ist es dann zu Ende und da taucht dann mal wieder die Königin vom Anfang auf. Fertig.

"Der Duft des Regenwalds" ist für mich nicht einmal ein Cody-Buch. Es ist keins, über das ich mich aufregen könnte, weil es selbst dazu zu belanglos ist. Es erweckt Erwartungen durch geschicktes Verlagsmarketing und die werden ann samt und sonders enttäuscht. Es bleibt nichts zurück, noch nicht einmal ein Gefühl für Mexiko - außer dem Gefühl, seine Lesezeit echt verschwendet zu haben.
 

Samstag, 27. August 2016

[Buchgedanken] Alan Drew - Die Wasser des Bosporus

Als 1999 ein Erdbeben Istanbul verwüstet, bricht die Existenzgrundlage des 42-jährigen Sinan zusammen. Der kurdischstämmige Ladenbesitzer kann gerade noch Frau und Tochter retten, sein Sohn wird er einige Tage später lebend unter den Trümmern des früheren Wohnhauses geborgen. Der sonst so stolze Mann ist plötzlich völlig abhängig von der Hilfe Fremder, und während sich seine Frau von westlichen Hilfsorganisationen unterstützen lässt und sich die Tochter in einen amerikanischen Nachbarsjungen verliebt, klammert er sich immer mehr an die Traditionen und seine Herkunft, die das einzige sind, was ihm geblieben sind ...

Erst einmal ein großes Kompliment an den Autor. Als Amerikaner ausgerechnet aus der Sicht eines relativ ungebildeten Kurden aus den bis heute unruhigen Gebieten der Osttürkei zu schreiben, das hätte stark in die Hose gehen und in einer Aneinanderreihung von Klischees enden können. Aber das ist es nicht - im Gegenteil. Ihm gelingt es, seine Figuren samt und sonders authentisch zu gestalten und dem Leser die Möglichkeit eines Perspektivwechsels zu geben. Ich verstehe sowohl Imre, die Tochter, die aus der engen Welt ihres Elternhauses ausbrechen möchte und das mit amerikanischen Fernsehserien und heimlichen Zigaretten versucht, als auch Sinan, der eigentlich nichts anderes will als seine Familie zu beschützen und dabei einen Fehler nach dem anderen begeht ohne es wirklich zu wollen, aber auch ohne seine Sichtweise vielleicht zu hinterfragen. Im Gegensatz zu "Drachenläufer" wurde mir bei dem Buch wirklich eine andere Sichtweise vermittelt, sodass ich sie nachvollziehen und mich einfühlen konnte, und ich finde grade angesichts der aktuellen Debatten über den Islam tut es ganz gut, sich auch einmal in diese Sicht einzudenken zu versuchen. Dass das ganze dann auch noch in einem sehr gelungenen Sprachstil geschieht, der mich beim Lesen einerseits mitreißt und mir andererseits ermöglicht, die angesprochenen Diskussionsebenen direkt nachzuvollziehen. Ich erlebe Argumentationen, statt sie einfach nur zu lesen. Und genau deshalb war das Buch eines der Highlight in diesem Jahr :-)

[Buchgedanken] Rafik Schami - Eine Hand voller Sterne

Ein Bäckerjunge in Damaskus führt Tagebuch über seinen Alltag. Das ist effektiv die Zusammenfasung des Inhalts eines bezaubernden Jugendbuchs, das ich vor Jahren schon einmal gelesen und einfach komplett vergessen hatte.

Was zunächst wenig spannend klingt, entpuppt sich als ein wirklich fließender Einblick in das Leben in Syrien in den Fünfzigern. Verliebt in die hübsche Nadia und mit Wunsch ausgestattet, Schriftsteller zu werden, beobachtet der Junge seine Nachbarschaft mit offenen Augen. So wird der Leser Zeuge der kleinen und großen Alltagsdramen von Ehebruch bis dem Verzicht auf Träume. Doch noch mehr steckt in dem Buch, denn in Syrien herrscht eben nicht nur Friede und freude, sondern ein System der Denunziation. Der Geheimdienst nimmt Verhaftungen vor und so gerät auch der Journalist Habib, mit dem sich der Ich-erzähler angefreundet hat, in die Mühlen der Justiz. All das wird für jugendliche Leser geschildert, das heißt, viele Dinge werden eher angedeutet als explizit geschildert. Das kann natürlich dazu führen, dass man ohne Hintergundwissen mit dem Buch auch überfordert wird, dass man die sehr realistischen Schilderungen eher an sich vorbeifließen lässt und nicht selbstständig einordnet.

Was das Buch dann aber selbst beim uninformierten Leser zurücklässt, ist zumindest Schamis Sprache. Der Erzählduktus fließt so unglaublich leicht und sanft durch Damaskus, dass ich einfach darin versunken bin. ja, ich weiß, ich kenne es von meinen Schülern, denen ist das relativ egal, aber wenn man einen Jugendlichen vielleicht auch mal dazu bringen möchte, Sprache genießen zu lernen, dann sei einem dieses Buch ans Herz gelegt. Mich zumindest hat es begeistert und diesmal werde ich sicher nicht vergessen, es gelesen zu haben.

[Buchgedanken] Guy Delisle - Aufzeichnungen aus Jerusalem

Da seine Frau im Rahmen der "Ärzte ohne Grenzen" nach Israel geht, zieht die Familie Delisle, die inzwischen aus Vater, Mutter und zwei Kindern besteht, wieder einmal um. Für ein Jahr richtet man sich also ein in Jerusalem, der heiligen Stadt für gleich drei große Weltreligionen, und damit auch mitten hinein in ein Land, das seit seiner Gründung zwischen Bedrohung und Bedrohen schwankt. Während seine Frau täglich in den Gazastreifen fährt und dort die berühmt-berüchtigte Mauer überqueren muss, macht sich der Comiczeichner an ein neues Projekt: das Leben in Israel und Palästina zu entschlüsseln und den Alltag im Leben eines Landes zu erfahren, in dem man an jeder Ecke auf völlig verrückte Dinge stoßen kann ...

Ich hatte so lange schonmal wieder einen Comic lesen wollen und dann bin ich in der Stadtbibliothek über den hier gestolpert. Guy Delisle kannt eich bereits durch "Pjöngjang" und ich war gespannt, ob auch seine Israel-Aufzeichnungen mich wieder fesseln udn gleichzeitig zum Schmunzeln bringen können. Die Antwort lautet: ja, unbedingt. Das liegt vor allem in den sehr reduzierten Panels, in denen auch die Texte nur sparsam eingesetzt werden. Sehr oft zu sehen sind Panels, in denen Landschaft oder Gebäude im Zentrum stehen, insbesondere die Mauer um den Gazastreifen. Hier fährt Delisle immer wieder entlang und schafft es, das Gefühl der Bedrohung und gleichzeitig das Gefühl der Aussperrung gleichzeitig für den Leser zu zeigen. Ich war extrem fasziniert von den geschilderten Lebensumständen in Israel, insbesondere für die palästinensische Bevölkerung in der Westbank. Die Ausflüge an Universitäten zu israelischen und zu palästinensischen Studenten waren ebenfalls sehr spannend, vermitteln sie doch völlig unterschiedliche Sichtweisen auf das Leben, die Delisle einfängt, ohne sie zu bewerten.

Überhaupt ist es das, was mir an den Aufzeichnungen sehr gefallen hat, man erhält als Leser die Chance, seine eigene Position zu finden, ohne in die eine oder die andere Sicht gedrängt zu werden. So wie der Autor auch einfach reingeworfen wird in dieses Leben, geht es dem Leser, und das ist die größte Stärke des Buchs.

[Buchgedanken] Stefanie Gercke - Ich kehre zurück nach Afrika

1959 wird die junge Henrietta von ihrer Familie aus Hamburg zu Verwandten nach Südafrika geschickt. eigentlich zru Bestrafung, doch Henrietta kann es nicht erwarten, dem engen Leben in Deutschland zu entkommen. In Südafrika ist sie fasziniert von dem neuen Kontinent, gleichzeitig erlebt sie aber immer stärker, wie sehr das Land durch die Rassentrennung gespalten ist. Als sie den Schotten Ian heiratet, gerät sie immer stärker in Konflikt mit den Obrigkeiten und muss schließlich um ihr neuaufgebautes Leben fürchten ...

Positives zum Buch: ich kann Südafrika auf meiner Leseliste abhaken. Und es ist leicht zu lesen. Und wenn ich mir die Biografie der Autorin durchlese, dann hat sie vermutlichv iel von ihrer eigenen Geschichte im Buch in irgendeine Weise aufgearbeitet und das ist ja immer gut, so aus therapeutischer Sicht ...

Und jetzt kommt das Aber.

Ich hatte echt nicht viel erwartet. Der Klappentext klang bereits ein wenig nach verkitschtem Afrikaroman, aber das, was mir dann hier geboten wurde, das ist Rosamunde Pilcher gepaart mit "Reich und Schön" und einer Prise Exotik, damit man sich nicht langweilt. Die eigentlich doch recht politisch inspirierte Geschichte wird so zugekleistert mit dämlichen Handlungssträngen, dass es einfach zu viel des Guten ist. Mein persönliches Albtraum-Highlight ist diese völlig belanglose Eifersuchtsstory rund um den Ex und die Cousine, inklusive Mordanschlag und allem pipapo. Telenovelas können es nicht besser - und auch in den Dialogen hat sich die Autorin fast schon redlich bemüht, den Sprachduktus einer ZDF-Sonntagabendproduktion zu unterbieten, zumindest wir hier in Dialogen nicht einmal im Nebensatz gesprochen. Es ist nicht das schlechteste Buch, das ich dieses Jahr gelesen habe - da gibt es ganz andere Kandidaten - aber es ist so schrecklich belanglos plätschernd. Ein nettes Buch für Strandurlaube vielleicht, wenn man nicht großmitdenken möchte, ein bisschen Action haben will und ganz viel Gefühle. Merke also: orange-geprägte Titelbilder auf Afrika-Romanen sind als Warnhinweis zu verstehen. 

[Buchgedanken] Gaile Parkin - Kuchen backen in Kigali

Angel hat einen Ehemann, fünf Enkelkinder, die sie von ihren verstorbenen Kindern adoptiert hat, eine schöne Wohnung in Kigali, der hauptstadt Runadas. Vorallem jedoch ist Angel in Kigali die Institution für Kuchen. Nicht für langweilige Rührkuchen, sondern für kleine Kunstwerke - das hat sich inzwischen länger herumgesprochen unter den Anwohnern ihres Wohnblocks und deren Bekannten. Und so erhält die von den Wechseljahren geplagte Mitvierzigerin die Möglichkeit, nicht nur regen Anteil an Verlobungen, Geburten, Willkommens- und Abschiedspartys zu nehmen, sondern dadurch auch Einblick zu erhalten in die gesellschaft eines Landes, in dem 1993 der Völkermord an den Tutsi die weltöffentlichkeit schockierte ...

Ich gebe es zu, ich habe das Buch ja in erster Linie in die Hand genommen, weil "Kigali" nach "Land, das ich noch nicht erlesen habe" klang, der Inhalt war mir erst einmal egal. Insofern bin ich an das Buch sehr unbedarft gegangen und hatte mir lediglich erhofft, dass es vielleicht ein wenig so ist wie "Der Friseur von Harare", also ein Buch, das von einem einheimischen Autor einen Blickwinkel auf ein Land bietet, den unsere weiße-westliche Sicht ausgleichen und ergänzen kann. Allerdings muss ich sagen, dass mich das Buch in der Hinsicht ein bisschen enttäuscht hat, denn Gaile Parkin ist weder schwarz noch gebürtige Ruanderin, insofern ist es halt doch wieder ein durch die Brille gefiltertes Lesen. Und das führt dann auch dazu, dass in das Buch einfach mal alles reingestopft wird, was an Problematik in Ruanda auftauchen könnte - von Aidswaisen über den Völkermord zu alleinerziehenden Müttern und Bestechlichkeit - ohne dass eines davon wirklich mal vertieft wird oder mit mehr als nur ein paar Eckdaten versehen wird. Was es wirklich für das Leben in Ruanda bedeutet, erfahre ich als Leser einfach nicht und muss mich zufrieden geben mit so ein bisschen Einblick. Dafür ist das Buch ganz okay und wer zumindest einen Einstieg haben will in moderne afrikanische Literatur, der ist hier nicht ganz falsch. Es ist zwar keine Hochliteratur, aber nett für den Sommer. Und wenn man danach keine Lust auf Kuchen hat, dann weiß ich auch nicht ;-)

[Buchgedanken]Khaled Hosseini - Drachenläufer

Amir und Hassan sind fast gleich alt und wachsen gemeinsam in den Siebziger Jahren in Afghanistan auf. Während Amirs Vater einer erfolgreichen, sehr westlich orientierten Oberschicht angehört, ist Hassan der Sohn seines Dienstboten und Angehöriger der Minderheit der Hazara. Amir selbst ist wegen seiner musischen Interessen eine Enttäuschung für den Vater und versucht immer wieder, ihn zu beeindrucken. Nach einem Wettbewerb im Drachensteigen wird Hassan von einer Gruppe Jungen vergewaltigt - vor den Augen Amirs, der seinem Freund nicht zur Hilfe eilt. Aus Scham geht er sogar soweit, Hassan bei seinem Vater als Dieb anzuschwärzen, um nicht mehr täglich an sein Versagen erinnert zu werden. Jahre später, als die Taliban die Herrschaft übernommen haben und Amir und sein Vater längst emigriert sind, bietet sich nur die Chance, die Schuld von damals wieder gut zu machen ....

Dank der "Rund um die Welt"-Challenge habe ich es jetzt endlich geschafft, diesen Roman zu lesen. Wobei ich wirklich gestehen muss, dass ich schon ewig und ein paar Tage mehr das Buch im Regal stehen hatte und nie so wirklich die Inspiration gefunden hatte, mich damit auseinanderzusetzen. Irgendwie muss ich es geahnt haben, dass das Buch nicht so meins werden würde. Woran das liegt?

Zunächst einmal daran, dass Hosseini sehr, sehr schleppend erzählt. Ich habe fast 100 Seiten gebraucht, um in die Geschichte hineinzufinden. Sein Ich-Erzähler Amir ging mir dabei vor allem in seiner Jugend mitunter gewaltig auf den Senkel mit seiner sehr weinerlichen Art. Das war für mich einfach kein Lesegenuss, mit dem ich mich gerne in die Geschichte begeben habe, sondern in erster Linie extrem anstrengend. Gekoppelt ist das an sehr langwierige Darstellungen der afghanischen Gesellschaft und Landschaft - das war interessant, auf jeden Fall, gleichzeitig hat es aber die Handlung extrem gestreckt, so dass ich mehrfahc kurz davor war, das Buch einfach abzubrechen.

Besser wurde es erst effektiv nach der Flucht von Amir und seinem Vater, denn besonders die Darstellung des Exillebens mit dem Vater ist gut gewählt, der seiner gesellschaftlichen Stellung in Afghanistan nachtrauert und dennoch versucht, ein neues Standbein zu finden. Anders sieht es in Amirs Schwiegerfamilie aus, in der die traditionellen Strukturen aus der heimat noch sehr stark nachwirken. Und dennoch kann man verstehen, warum Menschen auch weit weg von ihrer Heimat versuchen, sich ein Stück davon zu bewahren durch ihre Traditionen oder Kleidung oder kulturelle und sprachliche Eigenheiten.

Warum ich aber einfach kein Fan vom Buch werde, ist die Tatsache, dass es so furchtbar konstruiert ist. Konstruiert sowohl in Bezug auf die Handlung, die schon sehr klischeehaft und zufallsbetont ist, und noch schlimmer auf die beim Leser hervorzurufenden Gefühle. Das ist alles hochdramatisch und grausam und tieftragisch - ein bisschen zu sehr Bollywood für meinen Geschmack. Die Figuren sind einfach wenig lebendig, sondern sie sind sehr scherenschnittartige Typen, die durch die Handlung gschoben werden, ohne dass ich sie wirklich greifen kann. Insbesondere Amir ist in seiner Dauerschuld so nervtötend, dass ich mit ihm nie mitgefiebert habe. Gekoppelt ist es dann an eine sehr, sehr idealisierte Schwarz-Weiß-Darstellung im Gut-Böse-Schema. Hier das wundervolle afghanische Königreich, der Hort der Literautr und Kultur, dort der böde patschunisch-nationalistische, hitlerverehrende deutsch-afghanische, pädophile Gegenspieler - so einfach ist es dann doch nicht, aber vermutlich wollte Hosseini nicht gerade das amerikanische Lesepublikum die frage nach der Verwikclung der USA in die afghanische Geschichte verschrecken. Schade eigentlich.

Was bleibt mir nun also vom Buch im Gedächtnis? Nicht viel, ehrlich gesagt. Einige wenige interessante Fakten über die Hazara und damit hat es sich. aber das ist immerhin etwas.


Sonntag, 7. August 2016

[Buchgedanken] Hermann Schultz - Wenn dich ein Löwe nach der Uhrzeit fragt

Temeo Kirschstein lebt in Afrika und ist der Sohn einer Afrikanerin und eines deutschen Geologen. Als sein Vater auf der Suche nach Edelsteinen in seiner Grube schwer verunglückt, steht die Familie plötzlich vor dem finanziellen Aus. Deshalb wird Tameo von seiner Mutter damit beauftragt, Geld aufzutreiben. Dies ist in Afrika genauso unangenehm wie überall sonst auf der Welt, aber Temeo entwickelt ein unglaubliches Geschick darin, jedem, den er begegnet, sei er Farmer, Fabrikbesitzer, Händler, Pfarrer oder Ordensschwester, einen Betrag aus den Rippen zu leiern ...

Ich habe dieses Buch vor einiger Zeit als Tipp bekommen, um Bücher zu lesen, die in afrikanischen Ländern spielen und auch mal andre Blickwinkel vermitteln. Darüber hinaus war ich eine Zeitlang vor allem stiller Mitleser in einer facebookgruppe über empowernde Kinderliteratur, also Bücher, mit denen vor allem Kinder, die nicht den heterogenen Bilderbuchfamilienhintergrund (Mama, Papa, zwei Kinder und alle weiß) haben, sich identifizieren können. Dazu wollte ich sowieso mal etwas schreiben, merke mir das also mal vor ... Jetzt aber zurück zum Buch.

Ich finde das Buch furchtbar. Punkt, aus, Ende. Natürlich kann ich diese Einschätzung begründen, schließlich handelt es sich hier nich tum irgendein Buch, sondern ein vielfach ausgezeichnnetes Kinderbuch, das sogar in der SZ-Kinderbuchbbliothek mit aufgenommen worden war. Aber wie gesagt, ich hatte von der ersten Seite an gewisse Probleme.
Das erste Problem war schon darin zu sehen, dass ich immer und immer wieder in der Zeit verrutscht bin. Das Buch spielt in der Gegenwart, das ist ziemlich eindeutig zu erkennen an den technischen Gegenständen im Buch. Aber die Darstellung allen voran der Schwarzen ist irgendwie ... so 19.Jahrhundert. Ganz ehrlich, dass Tameos Vater und seine Mutter verheiratet sind, merkt man im ganzen Buch nicht, sie nennt ihn konsequent bei seinem Nachnamen und verhält sich insgesamt eher wie eine Dienstbotin gegenüber dem Herrn als eine gleichrangige Ehefrau. Gut, kann man vielleicht mit kulturellen Unterschieden erklären, wobei die aus verschiedenen afrikanischen Ländern stammenden Frauen, die ich kenne, irgendwie alle nicht so sind. Dieses Verhalten von Mutter und Vater zieht sich auch durch die Beziehung zu den Kindern, auch da ist irgendwie icht wirklich eine Papa-Kind-Beziehung geschildert, wie ich sie mir vorstelle oder sie kenne, sondern es geht mehr um Abhängigkeitsverhältnisse.

Noch mehr gestört hat mich dann aber auch die Darstellung der restlichen schwarzen Bevölkerung als entweder völlig unfähig oder hilfsbedürftig. Hilfsbedürftig natürlich vor allem nach der Unterstützung der klugen Weißen, egal ob im Bereich des Minenbaus oder des alltäglichen Lebens - man merkt es bereits an der Auswahl der Personen, die um Unterstützung gebeten werden, Schwarze werden da konsequent aussortiert, weil die eh nicht weiterhelfen könnten. Hmmmm .... irgendwie überzeugt mich das nicht so richtig. Und dann kam die Szene, bei der ich ehrlich dachte, dass der Autor jetzt grade beim Schreiben einen mittleren Hirnaussetzer . Ein schwarzes Ehepaar fragt "Massa Kirschstein" um Rat bei ihren Eheproblemen - und der bedroht daraufhin die beden mit einer Nlpferdpeitsche und droht ihnen Prügel an, wenn sie nicht seinem Rat folgen! Bitte was??? Sind wir hier doch bei "Onkel Toms Hütte" und ich habe es nicht gemerkt? Mit welchen Recht nochmal kann der Herr sowas machen - und wieso zur Hölle geht das Paar danach friedlich und lachend ab und ist dankbar ob der Güte des Herrn, ihre Probleme gelöst zu haben?

Tut mir Leid, aber spätestens mit dieser Szene war es für mich erledigt, das Buch auch nur im Ansatz guten Gewissens weiterempfehlen zu können. Vermutlich merken wir als durchschnittlicher weißer mitteleuropäischer Leser in vielen Fällen gar nicht mehr, wie klischeelastig viele Kinderbücher tatsächlich sind. Denn klar, selbstverständlich erscheint es uns logischer, dass man die Weißen um Hilfe bittet, die schließlich reich sind und sich um die Bevölkerung sorgen. Aber ist das die Lebensrealität? Und ist es die einzige Realität, die wir hier in unseren Büchern darstellen wollen? Als kindlicher Leser projiziere ich selbstverständlich erst einmal meine eigene Erfahrungswelt in die Bücher, die ich lese. Als Kind war für mich zum Beispiel Maditas Birkenlund ein ziemlich deutsches Wohnhaus - erst als ich in den Filmen ganz andere Häuser sah, wurde mir klar, dass es in anderen Ländern anscheinend andere Hausstile gibt. Und ähnliches ist es, was ich bei empowernden Kinderbüchern als Vorstellung habe, dass sie andere Perspektiven vermitteln und den Horizont des Lesers erweitern. Was könnten jetzt meine potentiellen Kinder aus diesem Buch lernen?
Dass sie froh sein können, nicht in Tansania leben zu müssen, weil man 25 Kilometer zu Fuß gehen muss.
Dass der Vater die Familie ernährt und sein Tod dazu führt, dass der nächste Sohn "Herr im Haus" wird und für Geld sorgen muss.
Dass es okay ist, seine eigenen Vorstellungen mit Gewalt durchzusetzen.

Nee, irgendwie ist es nicht das, was ich möchte ...

Samstag, 6. August 2016

[Buchgedanken] Joseph Conrad - Herz der Finsternis

Auf einem Schiff an der Themsemündung in Gravesend erzählt der Seemann Marlow vier Freunden von dem wohl einschneidensten Erlebnis seines Lebens: Als Kapitän eines Dampfers im Kongo begab sich Marlow einst auf eine zwei Monate lange Reise in die Tiefe der Wildnis. Er stand im Dienste einer Kolonialgesellschaft, die im Dschungel Schätze sammelt und den Einheimischen unsinnige Regeln mit großer Brutalität aufzwingt. Auf der Suche nach dem skrupellosen Kolonialisten Kurtz dringt er in den Tiefen des rätselhaften Dschungels immer weiter in das unfassbare Dunkel, das Innere der menschlichen Seele vor und entdeckt das Grauen ...

Ich hatte bei meinem letzten Besuch zu Hause für die "Rund-um-die-Welt"-Challenge gnadenlos das Bücherregal meiner Schester geplündert, die im Klassikerbereich ein wenig besser ausgestattet ist, sodass ich tatsächlich auch einige in Afrika spielende Romane gefunden habe. "Herz der Finsternis" ist so ein Klassiker, dass ich mich dabei gefragt habe, warum ich den noch nie in die Hand genommen habe, als ich dann aber anfing zu lesen, wusste ich warum. Denn leider hat mich Joseph Conrad mit seiner Erzählung einfach so gar nicht fesseln können :-(

Es liegt vor allem an der getragenen Erzählweise, die mich beim Lesen nicht bei der Stange halten konnte. Immer wieder hatte ich das Gefühl, dass hier so gut wie gar nichts passiert, selbst in handlungsgetragenen Seiten. Die titelgebende Finsternis finde ich persönlich vor allem in der Tiefe des treibenden Kongo, von dessen Ufer Gefahren drohen. Die Darstllung der Kolonialisten ist relativ schonungslos, wenn auch Marlow vom Autor als die positive Figur herausgestellt wird. Seinen großen Gegenspieler hat er in Kurtz, der mir persönlich aber auch so schwarz gezeichnet ist, dass ich das Interesse an ihm verloren habe. Irgendwie war die große Anklage gegen den Kolonialismus zu viel für mich, war zu sehr von ... nicht von Klischee, aber von allem Negativen gekennzeichnet. Sehr verstehen kann ich, dass er die Darstellung von Marlon Brando in "Apokalypse Now" mit geprägt hat, vom Typ her sind das wirklich ähnliche Charaktere, wobei man Brando irgendwie noch nachvollziehen kann.

Diese Erzählung war für mich einfach viel weniger gut zu lesen als ich es erwartet hatte, es zieht sich und ist für mich auf jeden Fall nicht eines der Highlights des Jahres.

Sonntag, 19. Juni 2016

[Rezensionsexemplar] Sarah Fischer - Die Mutterglücklüge

Noch nie ist es mir so schwer gefallen, eine Rezension in Worte zu fassen, weil ich schon beim Lesen, noch mehr aber beim Schreiben ständig hin- und hergerissen wurde, wie ich das Buch nun eigentlich finde. Lesen wollte ich es unbedingt, sodass es sich angeboten hat, es mir über das bloggerportal auch zukommen zu lassen. Gelesen habe ich es dann wirklich innerhalb kürzester Zeit und es einfach nicht geschafft, meine Meinung in Worte zu fassen. Heute versuche ich es aber zumindest einmal ...

Sarah Fischer ist Ende Dreißig, als sie schwanger wird. Kein Unfall, kein wirklich mit allen Wassern geplantes Wunschkind, sondern so, wie man sich das einfach irgendwie wünscht: schnell, relativ schmerzlos und in einer so gefestigten Beziehung, dass klar ist, dass das schon werden wird. Sie ist selbstständig, hält Vortärge und reist viel im In- und Ausland, und schnell ist klar, dass dieses bisherige Leben und ein Kind doch nicht miteinander verinbar sind. Oder doch? Woher kommen eigentlich diese Bedenken, dass sie als Schwangere oder frische Mutter nicht in der Lage sein sollte, ein Projekt zu stemmen, dass es auch nötig macht, im Ausland unterwegs zu sein? Wieso gibt es, egal was sie macht, diese Blicke zwischen "krieg ertmal das Kind" und "also wirklich, wie kann sie nur ...". Als sie danns chlielich mit Kind auf dem Spielplatz steht und sich zwischen Babybreigesprächen und dem Schäufelchenklau langweilt, fängt sie an zu zweifeln. Bereut sie wirklich ihre Mutterschaft?

An dieser Frage scheitere ich auch ein bisschen. Ich glaube, der Titel des Buches führt ein wenig in die Irre. "Regretting Motherhood" ist der Titel einer Studie aus Israel, bei der letztes Jahr zum ersten Mal Frauen offenbarten: eigentlich, im Nachhinein betrachtet, finde ich Mutterschaft gar nicht so toll, wie sie immer verkauft wird. Ich gestehe ehrlich, dass ich mich da deutlich wiederfinde, obwohl bei mir erstmal nur die Schwangerschaft ansteht - aber ernsthaft, an den meisten Tagen könnte sich eine Schwangerschaft für mich auch gerne kürzer gestalten als vierzig Wochen ;-) Diese Studie wird von Sarah Fischer im Buch auch aufgegriffen, allerdings finde ich eben gerade nicht, dass es bei ihrem Fall wirklich ein Fall ist, bei dem sie ihre Mutterschaft bereut. Der Untertitel trifft es viel eher - sie bereut nicht die Mutterschaft, aber sie scheitert an einem System, dass trotz aller vordergründiger Gleichheit immer noch erwartet, dass eine Mutter ein bestimmtes Rollenbild erfüllt und, sollte sie das nciht tun, jede Menge Steine in den Weg legt. Diese Steine sind sowohl gesellschaftlich als auch strukturell bedingt.

Strukturell bedeutet Elternschaft immer noch finanzielle Einbußen, die eine Familie verkraften muss. Da müssen ab Geburt zweieinhalb Personen ernährt werden, dank Elterngeld hat man aber nur noch ein Einkommen und sechzig Prozent Zweiteinkommen. Immerhin sind wir in Deutschland ziemlich gut dabei, was Kindergeld angeht, andere Länder sind da durchaus knausriger. Oder man entscheidet sich, von Anfang an wieder arbeiten zu gehen, dann geht aber genauso ein großer Teil eines Einkommens drauf für die Unterbringung in einer Tageseinrichtung. Also arbeiten, damit man das Geld verdient, das man dafür ausgibt, arbeiten gehen zu können - oder doch zu Hause bleiben? Mal ehrlich, für die meisten Familien ist es keine große Frage der Selbstverwirklichung, sondern eine reine rechnerische Überlegung, wie man als Familie finanziell über die Runden kommt!

Gleichzeitig, und das ist vielleicht das schlimmere, sind wir hier in Deutsschland sehr stark geprägt von einem bestimmten Bild der Mutter. Der Sich-Kümmerin. Der Liebenden. Derjenigen, die keinerlei Problem damit hat, ei, zwei, drei Jahre ihre Tage daran auszurichten, Popos abzuwischen, Brei zu kochen und zu fördern. Und dieses Bild macht zunehmend Frauen auch Angst. Frauen, die in Positionen arbeiten, in denen sie geistig gefordert werden und anspruchsvolle Termine organisieren. Plötzlich ein anderes Betätigungsfeld, undd as klingt in der Stellenbeschreibung einfach nicht grade nach High-Life und Spannung. Ich gestehe ehrlich: auch ich habe Angst davor. Ich finde Babys alles andere als spannend. Mir ist egal, wer wann wie oft die Windel vollmacht, ob Eva-Lottchen ein Zahn wächst oder Fritzchen schon alleine sitzt. Genau darum drehen sich aber sehr oft die Gespräche von Müttern, die ich so mitbekomme als heimlicher Lauscher in Zug, Café oder sonstwo. Überhaupt, es geht imemr wieder um das "Richtige", das "Pädagogisch-Wertvolle", dem man als Mutter quasi genetisch verpflichtet sein muss - und alle anderen Entscheidungen sind egoistisch. Sarah Fischer wird von ihrem Umfeld so lange mürbe gemacht, bis sie eine tolle Jobchance aufgibt - weil sie das erste Sitzen ihrer Tochter verpassen könnte. Das SITZEN! Himmel hilf noch einmal, es kann sein, dass ich die ersten Worte meines Kindes verpasse, weil ich zu dem Zeitpunkt grade auf dem Klo sitze - muss ich sie etwa immer mitnehmen, um die wertvolle Eltern-Kind-Bindung nicht zu gefähren? Argumentiert wird bei diesen gesellschaftlichen Bewertungen nämlich immer damit  der Gefährung von Bindung oder der potentiellen Schädigung des Kindes. Dabei gibte s effektiv keine wirklichen Studien, die zeigen können, welche Auswirkungen etwas auf einen Menschen hat - wir können Kinder nämlich nicht nochmal reinschieben, nochmal gebären und dann etwas anders machen, um wirklich zu erfahren, welche Verhaltensweisen oder Eigenschaften tatsächlich umwelt- und erziehungsbedingt sind. Erstaunlicherweise machen solche Diskussionen über die Vaterrolle deutlich weniger Zeit aus - aber Mütter stehen, egal, was sie machen, unter Rechtfertigungsdruck.

Vielleicht liegt genau daran mein Problem mit dem Buch. Eigentlich hätte Sarah Fischer gar kein so großes Problem bekommen, hätte sie von Anfang an mit ihrem Mann eine Vereinbarung gemacht: Du kommst mit Babys besser zurecht, also bleib du zu Hause. Ich verdiene das Geld. Nein, du musst dich nicht Mama nennen lassen, wir teilen das einfach nur so auf, wie es für uns drei das Beste ist. Deshalb ist das Buch allerdings auch wichtig, deshalb ist die Diskussion, die auch sie mit dem Buch führt, weiterhin wichtig: weil wir als Gesellschaft lernen müssen, umzudenken. "Das Beste" für ein Baby - das ist nicht automatisch "Mama stillt und Papa verdient die Brötchen". "Das Beste" kann auch sein, dass Papa die Flasche gibt (oh Wunder, man kann auch abpumpen) und Mama in ihrem fordernden Job zwar selten zwei Wochen am Stück zu Hause ist, dafür aber verdammt gute Quality Time gibt. Oder in der beide Elternteile so arbeiten, dass es kein großes Gedrängel gibt mit Betreuungszeiten des Kindes. Oder in denen nur einer arbeitet und der andere den Haushalt führt. Egal, wofür sich eine Familie entscheidet: es ist "das Beste". Und es geht letztlich noch nicht einmal die Nachbarn an, warum es das ist.

[Buchgedanken] Elias Canetti - Die Stimmen von Marrakesch

1954 wird Elias Canetti Begleiter eines Filmteams, das in Marokko eine Dokumentation dreht. Er selbst ist als Autor dabei und hält dabei seine Eindrücke von Marrakesch fest. Dies allerdings nicht wie in einem klassischen Reisebericht, sondern als Skizzen und Miniaturen, in denen er seine Leser entführt in die Seiten Marrakeschas abseits der Sehenswürdigkeiten. Elias Canetti streift durch die arabischen und jüdischen Viertel der Stadt, atmet die seltsamen Gerüche, beobachtet die feilschenden Händler in den Suks und die Verkäuferinnen duftenden Brotes, vernimmt die Stimmen der Blinden, Bettler und zungenlosen Krüppel in den Slums, spürt die Nähe des Todes vor den Kamelen mit ihren Schlächtern, staunt über die vielen Gesichter armer Juden in der Mellah und wird Zeuge des Lebens in einer Stadt, die so fern von westlichen Erfahrungen ist und dennoch nicht einfach das Bild des Orients vermittelt ...

Ich habe mich zumindest in den letzten Wochen sehr weit von meinen normalen Leseorten entfernt und bin so dann auch in Marokko gelandet. Das Buch stand schon seit mehreren Jahren bei mir im Schrank, was ich im Nachhinein wirklich bereue. Vielleicht braucht man aber auch ein schwül-warmes Wochenende wie vor kurzem, um sich auf dieses Buch einzulassen und davontragen zu lassen. Zumindest mir ging es so beim Lesen, dass mich umgeben von diesem Wetter Canettis Sprache eingefangen und mir die Bilder sehr nachdrücklich vor Augen geführt hat. Dabei ist er nicht einmal sonderlich sprachgewaltig, sodass ich sagen würde, er haut mich völlig um, aber seine Beschreibungen haben einfach dieses Etwas, das alles, was er gesehen hat, lebendig macht. Ich muss dazu sagen, dass es meine erste Begegnung mit Canetti war, bisher habe ich ihn einfach als Autor so gar nicht wahrgenommen. Das werde ich schleunigst ändern und mich bei seinen Marokko-Büchern noch ein bisschen länger aufhalten, wenn möglich :-)

[Rezensionsexemplar] Simon Borowiak - Sucht

Cromwell hat sieben verschiedene Hausärzte. Die braucht er auch, denn einer alleine würde den tablettensüchtigen Beinnahe-Privatdetektiv nicht mit der Menge an Uppern und Downern versorgen, die er benötigt, um durch den Tag zu kommen. Doch eines Tages klappt das nicht mehr und seine beiden Freunde beschließen, ihn in eine Klinik zu bringen. Entzug, so heißt das Zauberwort - aber dann taucht seine Ex- oder doch nicht Ex-Freundin auf der Station auf und mit einem Mal will nicht nur Cromwell aus der Psychiatrie raus, sondern sein bester Freund um jeden Preis rein ...

Das Buch klang irrsinnig vielversprechend. Irgendwie witzig, irgendwie abgedreht, irgendwie nicht so deprimierend wie das Leben mit einer Sucht. Allerdings ... ach, ich weiß auch nicht. Je länger ich gelesen habe, desto öfter habe ich mich gefragt "Warum willst du das überhaupt noch lesen?" Auf mich wirkte das Buch sehr gewollt witzig und gewollt "haha, Sucht ist gar nicht so, wie ihr euch das vorstellt". Ich fand weder die Sprache, die irgendwo zwischen bewusst schockierend und jämmerlich provozierend tänzelt, sonderlich mitreißend, noch die Story zielgeführt genug. Was genau soll ich als Leser aus dem Buch mitnehmen? Nach em tieferen Sinn muss man nicht fragen dabei, wenn dann wenigstens irgendein tieferer Humor damit verbunden wäre. Aber der beschränkt sich auf den meisten Seiten auf dem Niveau der Pennäler-Klamotten aus den Siebzigern. Kann man haben, muss man aber eigentlich nicht. Für mich kein wirklicher Gewinn in diesem Jahr ...

Mittwoch, 25. Mai 2016

[Buchgedanken] Will Hill - Department 19. Die Wiederkehr

Es ist erst kurze Zeit vergangen, dass Jamie mit dem Department 19 gemeinsam gegen die Vampire kämpfen musste, die sich zum Ziel gesetzt hatten, Dracula zu reanimieren. Und dennoch hat sich bereits viel getan. Nicht nur, dass deren Ziel geglückt scheint und sich der gefährlichste Vampir der Welt irgendwo dort draußen herumtreibt. Nicht nur, dass Jamie mit Frankenstein seinen Mentor und Freund verloren hat. Nicht nur, dass seine Mutter eine Vampirin wurde. Sondern er selbst ist Mitglied im Department, trainiert den kampf gegen Ungeheuer und vor allem: muss damit klarkommen, dass er sich ausgerechnet in das Vampirmädchen Larissa verliebt hat.Und damit beginnen die Probleme erst, denn natürlich sorgt dieses komplizierte Liebesgeflecht für Spannungen, die man ausgerechnet jetzt nicht gebrauchen kann - denn Dracula bereitet seine Rückkehr vor. Da kommt es gut, dass ausgerechnet einer seiner Handlanger dem Department seine Hilfe anbietet - aber ist er wirklich zuverlässig? Eines ist klar: der letzte Kampf war erst der Anfang!

Ich hatte den ersten Band ja vor längerer Zeit als Hörbuch gehört und fand die geschichte wirklich gut. Eine temporeiche, packende Geschichte mit vielen Verweisen in den Dracula-Klassiker, keine glitzernden Jungmädchentraumvampire und auch noch Frankensteins Monster mit im Schlepptau! Die Forsetzung habe ich dann ganz klassisch erlesen und hatte dabei ziemlich viel Spaß. Zwar ging mir dieses Beziehungsgeflüster gelegentlich auf den keks, aber besonders die Storyline um Frankenstein (ja, er lebt, aber wie!) und seine Vergangenheit und die Ausflüge in die Vergangenheit Draculas haben mir gefallen. Drum herum knallt und kracht es in diesem Band ganz gewaltig, das Department ist neu formiert und kämpft mit allen Mitteln, die sich bieten. Hills Erzähltalent hält jugendliche Leser mti Sicherheit lange bei der Stange und es macht ziemlich Spaß, sich in dieses Getümmel zu werfen. Dass er dann dieses Buch mit zwei großen Cliffhangern beendet, ist echt gemein - ich will einfach wissen, wie es weitergeht und sollte dann mal Ausschau nach Band drei halten ;-)

[Rezensionsexemplar] Eve Chase - Black Rabbit Hall

Auf der Suche nach einer Hochzeitslocation fahren Lorna Smith und ihr Verlobter Jon durch Cornwall. Eigentlich sind alle Herrenhäuser, die sie sehen, zu teuer, aber Lorna hat diese reise auch in erster Linie deshalb gemacht, weil ihr seit ihren Kindertagen ein Haus, das sie bei ihren Ferienausflügen in Cornwell gesehen hat, nicht mehr aus dem Kopf geht. Und tatsächlich finden sie Black Rabbit Hall, wie es genannt wird - ein heruntergekommenes, aber irgendwie idyllisches Herrenhaus, dessen Besitzerin Mrs Alton einen eher extravaganten Eindruck macht. Lorna fühlt sich dem Haus auf unerklärliche Weise verbunden und findet schließlich in einem Baum eingeritzt die Namen der vier Alton-Kinder ... In der zweiten Zeitebene erleben wir 1968, das letzte Jahr der Ruhe für die Familie Alton. Wie jedes Jahr verbringen sie ihre Ferien auf dem Familiensitz in Cornwall, doch wird in diesem Jahr etwas gesschehen, was vor allem das enge Verhältnis der Zwillinge Amber und Toby für immer zerstören wird ...

Ich bin in der Hinsicht ja ein Cover-Victim, dieses Buch musste ich haben, weil es so hübsch auf dem Bidl aussah. Und dann bekomme ich die gebundene Ausgabe zugeschickt udn stelle fest: sie ist noch toller. Hinter einem milchig-weißen Umschlag, auf dem die Schrift prangt, versteckt sich ein Hardcover, das das Haus und seine Umgebung zeigt - sehr schön gemacht und ein echter Blickfang in meinem Regal ;-)

Aber, und man merkt es schon, wenn ich anfange das Cover zu rezensieren, es wird ein großes aber - dieses Cover allein reicht nicht, wenn die Geschichte an sich einfach so vorhersehbar und dünn ist wie in diesem Buch. Es war ein einziger Satz, gesprochen irgendwo auf Seite 30 (jedenfalls noch innerhalb des ersten Bekanntwerdens mit Jon und Lorna), der mich quasi mit dem Holzhammer darauf steiß, was hier passieren wird. Für mich hat das Buch keine große Überraschung bereitgehalten, sondern war sehr durchschaubar und in der Hinsicht auch irgendwie langweilig. Jede der Figuren war genau das, was man sich davon erwarten musste, damit die geschichte genau so verläuft und nicht anders. Von tiefgründigen Charakteristiken habe ich da nicht viel vorgefunden, der interessante Ansatz bei zumindest einer Figur wird nicht weiter verfolgt, sondern nur so nebebnbei weiter mit abgehandelt. Das fand ich persönlich sehr schade, für mich hat dabei einfach die Qualität gelitten. Ich hätte mit dem sehr, sehr, sehr kitschigen happy End durchaus leben können (manchmal braucht man einfach etwas fürs Herz), wenn die Figuren auf ihrem Weg dahin den ein oder anderen Stolperstein gehabt hätten. so läuft es aber zu glatt, zu zielgerichtet und irgendwie auch zu oberflächlich ab, um mich wirklich mitzunehmen. Da hilft auch nicht noch so viel Atmosphäre auf dem Titelbild.

Mittwoch, 18. Mai 2016

[Rezensionsexemplar] Minette Walters - Der Keller

Muna weiß nicht, wie alt sie ist. Oder wo genau sie in London wohnt. Alles, was sie weiß, ist wie sie die Familie Songoli zufrieden stellen kann. Denn diese hält Muna als Haussklavin in ihrem Eigenheim. Nachts wird sie in den Keller gesperrt, vor die Tür darf sie nicht gehen, ein Telefon hat sie nie gelernt zu benutzen. Doch dann verschwindet eins Tages der jüngere Sohn auf dem Schulweg und die Familie Songoli muss Muna vor den ermittelnden Polizisten als geistig zurückgebliebene Tochter ausgeben. Was niemand ahnt, Muna ist alles andere als geistig zurückgeblieben - in ihr stecken viel mehr Pläne als jeder sich vorstellen kann ...

Kaum hatte ich die Inhaltsangabe gelesen, war für mich klar, dass ich das Buch lesen muss. Da kam es mir grade Recht, es als Rezensionsexemplar für das bloggerportal zu besprechen, und tatsächlich habe ich die Seiten gradezu verschlungen. Denn Minette Walters beherrscht es, fesselnd zu schreiben und immer wieder neue Wendungen einzubauen, die mich als Leser überraschen. In diesem Fall muss ich aber auch sagen, dass mich mit zunehmenden Verlauf des Buches diese Wendungen eher irritiert haben, denn die Autorin zaubert immer neue Kaninchen aus dem Hut, die die Geschichte zwar vorantreiben, dabei auch immer unglaubwürdigere Wege beschreiten. Und dann hört das Buch auch schon auf mit einem offenen Ende, das auf mich eher so wirkt, als wäre Minette Walters keine wirkliche Lösung mehr eingefallen, sodass es einfach nur schnell beendet wird.

Dazu kommt, dass mich die Charaktere nicht zu fesseln vermochten. Gerade Muna ist effektiv am Anfang weder groß bemitleidenswert (dazu erfährt man vor ihrem Wandel zu wenig von ihr) und nach ihrer allmählichen Wandlung ist sie aber auch keine großartige psychologisch ausgefeilte Bösewichtin, sondern bleibt immer noch fade und grau. Es war mir effektiv ziemlich gleichgültig, was genau mit ihr passiert, und daslieggt vor allem an ihrer Darstellung. Sie fesselt nur über die Handlungen, nicht über ihre Charaktereigenschaften, wenn man versteht, was ich meine. Für einen Psychothriller war das Buch zu kurz und zu wenig ausgefeilt, es ist eher eine Vorstudie, die sich schnell lesen, sich aber ebenso schnell wieder vergssen lässt. 

Donnerstag, 12. Mai 2016

[Rezensionsexemplar] Bill Bryson - Shakespeare wie ich ihn sehe

In diesem Jahr rundet er sich wieder einmal - der Todestag des Barden von Stratford. William Shakespeare, Theatermacher, Schauspieler, vor allem aber Autor einer Vielzahl von Stücke, die das klassische elisabethanische Theater begründeten und gleichzeitig revolutionierten. Und seit meiner Teenagerzeit eine heimliche Leidenschaft (danke, Buz Lurman ;-) ).

Dieses Buch als Rezensionsexemplar zu erhalten, war für mich einfach nur ein Muss. Shakespeare und Bill Bryson auf einem Titelbild, da kann nur etwas Gutes dabei rauskommen. Wenn man es schafft, das Titelbild auszuhalten, dessen fahriger Druck zwar dem Thema sehr gerecht wird, das allerdings bei mir immer wieder für Schwindel gesorgt hat. Ein Grund mehr, das Buch aufzuschlagen und sich dem Text zu widmen.

Bill Bryson stellt direkt am Anfang fest, dass dieses Buch alles andere als eine klassische Biografie werden wird. Denn effektiv wissenw ir von William Shakespeare nahezu nichts. Wir können seinen Geburtstag relativ gut annehmen, haben aber erst seine Taufe wirklich als Anhaltspunkt. Wir kennen einie Namen von Familienmitgliedern und wissen, abgesehen vom Tauftag, von drei weiteren Tagen seines Lebens, wo er sich an diesen aufgehalten hat. Das ist dürftig? Gemessen an der Tatsache, dass wir von seinen Zeitgenossen noch weniger Ahnung haben, ist das sogar eine ganze Menge. Bryson nähert sich dem Phantom Shakespeare dann auch weniger dadurch an, dass er akribisch recherchiert, sondern dass er zusammenfasst und vor allem auch ein Porträt der Zeit liefert - denn das ist Shakespeare eben auch, ein Produkt des Elizabethanischen Zeitalters, in dem er geboren wurde und in dem er gelebt hat. Bryson erzählt über das Theater an sich (und auch hier stellen wri fest, dass wir effektiv viel weniger wissen, als wir glauben), über Zeitgenossen und natürlich geht es auch um die alles entscheindende Frage: War Shakespeare wirklich Shakespeare?

Das ganze Buch erfolgt wieder in Brysons typischem Tonfall, der einierseits informativ, andererseits witzig bis ironisch ist. Vor allem im Kapitel über die Anti-Stratfordianer ist er zum Teil beißend sarkastisch, in den übrigen Kapiteln hält er sich mit Bewertungeng dagegen angenehm im Hintergrund. Das Buch hat mir wieder richtig Lut aufs Lesen gemacht, nachdem ich eine Zeitlang eine ziemliche Leseflaute hatte - alles in allem also eine tolle Empfehlung.

Montag, 25. April 2016

[Rezensionsexemplar] Liz Balfour - Das Haus bei den fünf Weiden

Hanna ist eien junge Anwältin, die allerdings gekündigt wurde. Deshalb ergreift sie das Angebot ihrer Mutter, für diese die Schätzung eines Nachlasses zu übernehmen. In einem einsam stehenden Haus in Cork lebte der alte Mr. Oliver, der kürzlich mit 99 Jahren verstarb und sich vor allem verdient machte um das Sammeln historischer Alltagsdokumente. Schon bald wird sie hineingezogen in eine tragische Liebesgeschichte, die ihren Anfang 1938 im Haus der Olivers nimmt ...

Ach, es war schon nett. Ich habe im April mal wieder ein Buch gebraucht, mit dem ich schnell ins Lesen reinkomme, und dabei fiel meine Wahl auf dieses Buch, das ich über das bloggerportal bekommen habe. Rein objektiv betrachtet sind diese knapp 300 Seiten doch ziemlich dünn und geradlinig erzählt, ich hätte mir ein wenig mehr Biss gewünscht und die Figuren nicht ganz so eindimensional gestaltet. Insbesondere Hanna als Anwältin der Armen war mir eine Spur zu sehr idealisiert. Andererseits hat Liz Balfour einen sehr angenehmen Schreibstil, der sofort ins Buch zieht und mich unterhält, mehr wollte ich gar nicht. Das Buch lebt vor allem von der Ebene in den Vierziger Jahren, die alles in allem die spannendere Geschichte bildet und sogar noch ein wenig zurückreicht in die Anfänge der irischen Republik, und ich hätte mir hier gewünscht, dass da ein bisschen mehr Atmosphäre geschaffen wird. Dazu muss man wissen, dass ich bei historischen Romanen immer ganz gerne paralle so ein bisschen auf wikipedia recherchiere, wenn irgendwelche berühmten Namen oder Ereignisse erwähnt werden. Wenn dann der Abschnitt Michael Collins einfach nur aus den Fakten besteht, die ich auch nachlesen kann, bin ich als Leser immer ein wenig enttäuscht. Viel interessanter für mich wäre es gewesen, diese Linie ausgebaut zu bekommen, wirklich einzutauchen in die Zwanziger und dadurch auch zu verstehen, warum diese Liebesgeschichte so tragisch wird. So habe ich nämlich ein bisschen das Gefühl, die Autorin wollte halt schnell was auf den Markt werfen und konnte sich da für keine Lösung entscheiden oder hatte keine Idee, also wird das einfach weggelassen. Für mich macht aber grade das den Reiz historischer Romane aus, dass ich als Leser die Möglichkeit habe, durch die Erzöhlung mehr zu erfahren als es vielleicht der Protagonist des Gegenwartstrangs im Buch tut.

Insgesamt würde ich durchaus wieder zu Liz Balfour greifen, wenn ich ein unterhaltsames Buch suche, das an meinen Kopf keinen großen Anspruch stellt, mich aber bei der Stange hält und z.B. auf den Balkon begleiten darf.

Dienstag, 19. April 2016

[Rezensionsexemplar] Petra Hammesfahr - An einem Tag im November

Es ist ein normaler Novembertag, als die Poliei verständigt wird. Abends, um zehn Uhr. Denn die fünfjährige Emilie ist verschwunden, während ihre Mutter einen Nachmittagsschlaf gehalten hat. Die Nachbarn haben sie noch kurz gesehen, aber seitdem verliert sich von dem Mädchen jede Spur. Kommissar Klinkhammer ist alarmiert und nimmt die Ermittlungen auf, doch auch er kommt nicht weiter. Erst im Nachhinein wird deutlich, dass effektiv kleine Änderungen in der Nachbarschaft seit Monaten dafür gesorgt haben, dass am Ende die Katastrophe passieren wird ...

Ich war ziemlich gespannt auf das Buch, das ich mir mal wieder als Rezensionsexemplar aussuchen durfte. Petra Hammesfahr hat einen extrem lässigen Schreibstil in meinen Augen, sie kann Handlungen sehr genau aufbauen und sehr logische Ablaufketten zur Grundlage ihrer Romane machen. Für mich sind ihre Krimis immer eher "feel good"-Krimis, bei denen Spannung aufgebaut wird, sich ein wohliges gefühl des "Wer wird es denn gewesen sein?" einstellt und die ich am Ende zuklappe und denke "ach, das war nett". Und zwar nett im positivsten Sinn.

Bei diesem Buch war ich allerdings anfangs ziemlich genervt vom Aufbau, weil sie hier nicht etwa chronologisch vorgeht, sondern immer wieder hin- und herspringt zwischen aktueller Ermittlung, vergangenen Ereignissen (auch die wild durcheinander), die Perspektive immer wieder wechselt und ich knapp 150 Seiten (und einen Flug ohne weiteres lesematerial) gebraucht habe, um wirklich ins Buch zu finden. Wenn man sich aber auf diesen Aufbau einlässt, ist die Geschichte extrem spannend, denn man will einfach wissen, was jetzt diese ganzen zusätzlichen Handlungsgeschichten eigentlich mit dem Verschwinden emilies zu tun haben. Ist die gestohlene Jacke von Benny Knüppers wirklich der Flügelschlag des Schmetterlings? Diese chaostheoretische Überlegung trägt den Roman wirklich gelungen über eine ziemliche Seitenanzahl und hält mich als Leser bei der Stange. Dass auch noch alte Bekannte im Buch auftauchen, ist vielleicht noch einmal in besonderer Bonus für Hammesfahr-Fans, allerdings eine Warnung: wenn man "Die Mutter" noch lesen will, sollte man das vor diesem Buch tun, denn es enthält leider ziemliche Spoiler auf die Handlung und Lösung ...

Wirklich nicht gelungen fand ich dieses Mal aber die Figurenzeichnung. Da ist nicht eine Figur dabei, die mehrere Facetten zeigt, sondern alle erfüllen ihr Stereotyp. Da wäre der vernachlässigte Teenager, der kriminelle Osteuropäer, die gefrustete Vollzeitmutter, der erfolgreiche Einwanderer zweiter Generation, der Karrierevater, und so weiter. Diese Ansammlung hat das ganze für mich immer mehr zu einer Art Playmobil-inszenierung werden lassen, der ich zwar gerne zugeschaut habe, mit deren Figuren ich aber nicht wirklich mitfühlen konnte. Ich glaube, die einzige Überraschung war die erste Beschreibung Annes durch Klinkhammer, da dachte icvh "ups, irgendwie hab ich sie mir bisher anders vorgestellt", aber selbst das wird innerhlab kurzer Zeit wieder gerade gerückt. Bei diesem Buch steht der Storyaufbau eindeutig im Fokus, sodass man bereit sein muss, über stereotype Figuren hinwegzusehen.

Mittwoch, 13. April 2016

[Rezensionsexemplar] Kate Racculia - Willkommen im Bellweather Hotel

Jedes Jahr im November findet in dem alten, einst prachtvollen Bellweather Hotel ein landesweiter Musikwettbewerb statt. Hunderte von Nachwuchstalenten strömen durch die Flure, darunter auch der schüchterne Rabbit Hatmaker und seine divenhafte Zwillingsschwester Alice, die bereits jetzt an ihren Memoiren schreibt. Auch Minnie Graves ist nach fünfzehn Jahren zum ersten Mal ins Bellweather zurückgekehrt. Damals, als kleines Mädchen, wurde sie Zeugin einer schrecklichen Tragödie, die sich in Zimmer 712 ereignete. Als die Hotelgäste von einem gewaltigen Schneesturm überrascht werden und eine begnadete Flötistin verschwindet – ausgerechnet aus Zimmer 712 –, treffen bei der Suche Personen aufeinander, die mehr miteinander gemeinsam haben, als sie ahnen. Und bald schon überschlagen sich die Ereignisse …

Ich habe mir das Buch einfach nur wegen des Titelbilds als Rezensionsexemplar ausgesucht. Ich hatte weder den Inhalt gelesen noch zuvor nach Rezensionen gesucht - ich fand einfach diesen Flügel im Schnee so vielversprechend. Dann kam das Buch und ich habe es erstmal hinten in den Lesestapel gelegt. Leider, muss ich sagen. Denn als ich es jetzt auf einer langen Zugfahrt gelesen habe, habe ich mir wirklich nur gewünscht, es schon viel früher aufgeschlagen zu haben. das Buch ist so britisch, wie ich es mir kaum habe vorstellen können, obwohl es gar nicht in England spielt. Ein relativ klassischer Whodunit, bei dem eine Horde skurrilster Charaktere durch ein Hotel stolpern und man Seite um Seite umblättert, weil man wissen will, was jetzt als nächstes passiert. Jeden einzelnen gewinnt man im Laufe des Buchs lieb, weil sie so erfrischend normal in ihren Absonderlichkeiten sind - und bei manchen möchte man sich wegschmeißen.

Dabei sit der Schreibstil jetzt gar nicht so unglaublich witzig, es ist eher ein der Situtastina gnepasster Stil, bei dem mein innerer Vorleser immer einen recht neutralen und ein wenig trockenen Tonfall angeschlagen hat, wodurch die Handlung gleich nochmal komischer wirkte. Und nichtsdestotrotz ist hier ein Krimi aufgebaut, dem man gerne folgt, der spannend erzählt wird und beim Lesen großartig unterhält. Ganz ehrlich, mehr davon hätte ich dieses Jahr gerne noch auf der Liste!

[Rezensionsexemplar] Kishwar Desal - Das geliehene Kind

Delhi. Hier bringt eine Frau ein Kind zur Welt. So weit, so normal. Doch bei dieser Frau handelt es sich um eine Leihmutter, die die kleine Amelia für ein englisches Paar austrägt. Noch während bei dem Baby ein HIV-test positiv ausfällt, verschwindet sie spurlos, und schon kurz darauf kommen die englischen Eltern bei einem Unfall ums Leben. Simran Singh nimmt sich der Waise an und  und reist nach London, um eventuelle Angehörige des Elternpaars zu finden, für das Amelia bestimmt war. Bei ihren Recherchen und ihrem dringenden Versuch, dem kranken Baby zu helfen, ist es, als würde die Sozialarbeiterin in ein Wespennest stoßen, denn sie findet ein Gewirr aus Korruption, Täuschung und Verschleierung der Abläufe, und sie scheint schlafende Hunde geweckt zu haben. Als auf sie selbst ein Anschlag verübt wird, kommt ihr die Tragweite des Falls und die Gefährlichkeit dieses Netzwerks erst so richtig zum Bewusstsein. Wem kann sie noch vertrauen und wo sitzen die eigentlichen Drahtzieher?

Harter Tobak ist das Buch für mich grade, weil ich selbst nicht in der Situation stecken wollen würde. Wunschkinder, sagt sich so leicht, aber bei diesem krimi wird gefragt, welchen Preis man für ein Wunschkind zu zahlen bereit wäre. Wie sehr gerade Leihmutterschaft in Indien zu einer Industrie verkommen ist, bei der längt nicht alles legal ist, was legal zu sein scheint,  die aber gleichzeitig für viele Frauen die einzige Möglichkeit darstellt, sich zu versorgen. Insofern war das Buch ein heißes Thema und ein Bereich, der nicht sehr oft in Krimis zu finden ist. Gepaart war es mit einer extrem starken Protagonistin, die sehr viele Klischees über Indien aufräumt - auch wenn sie für meinen geschmack geglentlich schon zu sehr mit dem Holzhammer gezeichnet wurde, um auch ja zu zeigen, wie unabhängig, strk und gleichzeitig auch verletzlich Simran Singh sein kann.

Für mich aber irrsinnig schwer war der Aufbau des Buchs, und das führt zu erheblichen Abzügen. bedingt durch die Geschichte wechselt das Buch natürlich zwischen Schauplätzen, aber als ob das nicht schon schlimm genug wäre, springt man dabei immer wieder durch die Zeiten. Nicht etwa chronologisch, sondern mal hierhin, mal dorthin - mein Kopf ist zur Zeit eingestellt auf monodimensionale Lektüre und ich fand es wahnsinnig anstrengend, der Handlung folgen zu können. Deshalb von mir leider wirklich nur eine mittelmäßige Bewertung, obwohl es mti Sicherheit ein spannender Krimi ist, dessen Grundaussage man nicht jeden Tag hört.

Dienstag, 5. April 2016

[Rezensionsexemplar] Peter Cameron - Die merkwürdige ehe der Coral Glynn

Coral Gylnn ist eine junge Krankenschwester, die kurz nach Ende des zweiten Weltkriegs als Pflegerin für die Mutter des kriegsversehrten Major Hart auf dessem abgelegenen Landsitz engagiert wird. Schon nach kurzer Zeit macht ihr ihr Chef einen Heiratsantrag, den Coral annimmt, ohne so wirklich zu wissen wieso. Mrs Prence, die altgediente Haushälterin des Majors, ist von dieser Eheschließung alles andere als angetan und nutzt einen tragischen Vorfall in der Umgebung dazu, Coral in Verruf zu bringen. Diese flieht daraufhin nach London und das Ehepaar Hart entfremdet sich mehr und mehr ...

"Merkwürdig" ist das Adjektiv, das ich beim Lesen dieses Romans immer mehr im Kopf hatte. Bei dem Titelbild und derbeschreibung hatte ich auf einen hitchcock-esquen Roman gehofft, der sich ein wenig im Stil von "Rebecca" bewegt, ein Buch, das ich wirklich toll gefunden habe. Diese Hoffnung habe ich schon bald verloren, denn sowohl sprachlich als auch psychologisch konnte mich das Buch nicht vom Hocker reißen. Die Figuren bleiben alle erschreckend farblos, ich kann nicht eine ihrer Handlungen wirklich nachvollziehen. Das fängt bei diesem Heiratsantrag an und geht weiter über die Dialoge, die ich insgesamt sehr unbeholfen finde. Natürlich, diese Figuren zeichnen sich dadurch aus, dass sie immer wieder aneinander vorbei reden und sich unbeholfen anstellen, aber dennoch kann ein geübter Schriftsteller eine solche Unterhaltung in Worte fassen, die nicht so völlig an den Haaren herbeigezogen wirken. Ich habe nicht eine einzige der Figuren ins Herz geschlossen oder zumindest genug Interesse für sie finden können, um mich näher auf zu einzulassen, sondern habe mich beim Lesen mehr und mer wie unter einer Käseglocke gefühlt, die mich vom Roman ausschließt. Je mehr Seiten vergingen, desto weniger gespannt war ich auf das Ende, sondern habe mir die frage gestellt, was Peter Cameron mit dem Roman eigentlich genau will. Für tiefere aussagen ist er mir zu seicht, sind mir die figuren und irhe Handlungen zu wenig austariert und nachvollziehbar. Als Satire auf die Fünfziger Jahre Schmöker-Romane ist er aber auch zu schal, da schafft der Roman es nicht, mir wirklich Typen vor Augen zu führen, die auch nur im Ansatz überzeichnet sind. Das Buch ist wie ein sehr lange stehen gelassener Martini, man trinkt ihn halt, weil es einem Leid tut um den Gin, nicht, weil man das Bedürfnis danach hat, ihn noch zu genießen ...